Mütter im Profi-Tennis:"Serena Williams kann sich die Turniere aussuchen"

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Tim Sommer, 37 (Foto: privat)

Wie schwer haben es Frauen, die als Tennisprofi Mutter werden? Tim Sommer, Ehemann und Trainer der Luxemburgerin Mandy Minella, erklärt das Problem der Zweiklassen-Gesellschaft auf der Tour.

Interview von Gerald Kleffmann, Paris

Tim Sommer, 37, aus Düsseldorf ist Tennistrainer und mit Mandy Minella, 32, verheiratet. Die Luxemburgerin war 66. der Weltrangliste, vergangenes Jahr wurde sie Mutter von Emma und war zwischenzeitlich auf Platz 312 abgerutscht. Bei den diesjährigen French Open starteten so viele Mütter (sechs) wie noch nie bei einem Grand-Slam-Turnier, vor allem die Rückkehr der 23-maligen Grand-Slam-Gewinnerin Serena Williams (USA) nach ihrer Schwangerschaft und Geburt von Tochter Olympia führte zu Debatten. Über die Rückkehr von Minella wurde kein Wort verloren. Ein Gespräch mit Minellas Mann und Coach Tim Sommer über Vorzugsbehandlungen für Topspielerinnen, warum Williams nicht bei Auslosungen gesetzt werden sollte und das Leben für Tennismütter ohne Star-Status.

SZ: Herr Sommer, Ihre Frau Mandy Minella ist wie Serena Williams als Mutter zurückgekehrt. Wie erleben Sie die Diskussionen?

Tim Sommer: Natürlich gelten für uns grundlegend dieselben Regeln. Nach der Schwangerschaft erhält eine Spielerin eine geschützte Rangliste, die der Platzierung nach ihrem zuletzt gespielten Turnier entspricht. Mit diesem "Protected Ranking" darf sie acht Turniere, davon zwei Grand Slams anmelden. Es gibt trotzdem große Unterschiede zwischen Spielerinnen wie Serena und Mandy.

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Welche?

Serena konnte problemlos entscheiden, schon früh in die Zeit des Mutterschutzes zu gehen. Sie hat das finanzielle Polster und wusste, sie würde nach der Rückkehr in alle Turniere reinkommen, da ihr eine unbegrenzte Anzahl von Wildcards zu Verfügung stehen würden.

Wie erging es Ihrer Frau?

Mandy stand, als sie schwanger war, um den 70. Rang und musste entscheiden, dass sie noch die nächsten zwei Grand Slams trotz Schwangerschaft spielt, in Paris und Wimbledon. So konnte sie noch Punkte für die Zeit nach der Schwangerschaft sammeln. Aber auch finanziell war es wichtig. Bei einem achtmonatigen Verdienstausfall sind die steigenden Antrittsgelder, welche dieses Jahr schon bei 40 000 Euro liegen, sicher hilfreich gewesen. Natürlich waren Mandys Starts mit den Ärzten abgeklärt, wir hätten nie die Gesundheit des Kindes annähernd gefährden wollen. Auch bei der Rückkehr auf die Tour mussten wir entscheiden, dass sie recht früh wieder anfängt. Bevor ihr in der auf zwölf Monate basierenden Weltrangliste alle Punkte rausfallen und die Rangliste sich langsam Richtung null bewegt, war die Überlegung, schon drei Monate nach der Geburt wieder in das Turniergeschehen einzusteigen, um zumindest kleine Challenger-Events melden zu können.

Ihre Frau Mandy Minella hat also einen anderen Druck als Serena Williams.

Im Bezug auf die Rückkehr nach der Schwangerschaft: absolut. Serena kann sich die Turniere aussuchen. Sie bekommt unbegrenzt Wildcards, wo sie sie möchte. Spielerinnen mit besonderen Verdiensten bekommen Ausnahmeregelungen zur Anzahl der Wildcards. Mandy ist auf WTA-Ebene auf drei Wildcards pro Jahr limitiert. Wenn man sagt, Serena müsste hinten anfangen, ist das nicht richtig. Olga Govortsova etwa, die viele Jahre Top 50 gespielt hat und im Februar Mutter wurde, spielt gerade drei Runden in der Qualifikation in Amerika bei einem kleinen Turnier. Wenn sie sich qualifiziert, bekommt sie einen Punkt für die Weltrangliste. Und muss dann weitere fünf Runden gewinnen, um das Turnier zu gewinnen. Das ist vor allem physisch, wenn man als Mutter zurückkommt, zu viel. Das ist tough - und nicht, dass Serena Williams kein Freilos in der ersten Runde von Miami bei einem Acht-Millionen-Dollar-Turnier bekommt.

Empfinden Sie das als ungerecht?

Es ist aus Turniersicht richtig, wenn man Serena Williams promoten kann. Sie soll bei den Turnieren spielen, sie hat ihre Verdienste und hilft der Frauentour. Sie ist der Star des Sports. Sie ist wichtiger als Mandy Minella, das steht außer Frage. Aber wenn es zu einer Debatte kommt, dass es Serena Williams schwer hat, wenn sie zurückkommt, und sie anders behandelt werden müsste, wird es unfair. Die Mütter in der zweiten Reihe haben es schwer - nicht Serena Williams. Es ist eine Zweiklassengesellschaft. Da sind die Mütter in der Spitze. Und die hinten.

Viele forderten, Spielerinnen, die vor der Entbindung gesetzt worden waren bei Auslosungen, sollten nach der Rückkehr wieder von der Setzliste profitieren. Die Gesetzten treffen erst mal nicht auf andere Topspieler. Können Sie die Forderung verstehen?

Mutter und Tennisprofi: Mandy Minella. (Foto: Cameron Spencer/Getty Images)

Dass jemand wie Serena gesetzt werden soll, finde ich völlig absurd. Was ist mit Spielerinnen, die normal gesetzt werden würden und plötzlich rausfallen? Wenn hier in Paris eine Alizé Cornet als 32. und letzte gesetzt wird - und auf einmal doch nicht, obwohl sie es sich erarbeitet hatte? Sie müsste dann dafür Rechnung tragen, dass sich Serena überlegt hat, dass sie Mutter werden möchte. In allen Ehren: Aber ich befürworte nicht, dass jemand, der das ganze Jahr kämpft, gesetzt zu werden, dafür bestraft wird.

Eine Schwangerschaft ist keine Verletzung. Das klingt doch richtig, oder?

Das ist richtig. Und doch gäbe es Ansätze, um gerechtere Lösungen zu finden. Spielerinnen wie Mandy bekommen nur achtmal die Chance, nach der Schwangerschaftspause in Turniere reinzukommen mittels dem Protected Ranking. Und diese acht Chancen sind runtergebrochen schnell verbraucht. Man sollte diese Zahl erhöhen, wenn die jungen Mütter länger als zwölf Monate keine Turniere bestreiten. Auf zwölf oder 16 Turniere. So hätten sie mehr Zeit für sich und das Kind.

Was würde es für jemanden wie Ihre Frau bedeuten, wenn sie vier oder acht Turniere zusätzlich spielen dürfte?

Es geht ja nicht um meine Frau alleine. Es geht um Regeln, die fair für alle Mütter gelten sollten. Und wenn Mütter wüssten, sie haben mehr Chancen nach der Rückkehr, würde das erheblich Druck von den jungen Müttern nehmen, die sich anfangs zu Recht auch erst mal um das Neugeborene kümmern wollen. Vielleicht kann man ja aber auch mal eine andere Diskussion führen.

Welche?

Dass es eben Berufe gibt, bei denen man das Muttersein ein bisschen verschieben muss. Wir reden hier über die Weltspitze im Profisport, über Leistungssport, eine spezielle Gruppe. Wir sind ja selbst Eltern geworden, wir wollten das so. Aber ich sehe auch nicht, dass man mit allen Mitteln Mütter schützen muss.

Aber war es nicht gut, dass Topspielerinnen gefordert haben, Mütter sollten wieder wie vorher gesetzt werden?

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Ich finde manche Forderungen ein wenig geheuchelt. Ich glaube, dass die Forderung nach der Setzung nur getrieben ist von eigenen Interessen. Simona Halep oder Maria Scharapowa gehörten ja zu denen, die das sagten. Klar: Sie wollen sie nicht im Tableau in ihrer Hälfte haben. Vorher hat man noch nie solche Forderungen gehört. Sie wollen eben nicht in der ersten Runde gegen Serena spielen. Und wenn ein Turnierdirektor wie James Blake in Miami das sagt, sagt er es nur, um Williams so lange wie möglich im Turnier zu halten. Er verkauft mehr Tickets mit ihr. Vorher hatte es, als Mütter zurückkamen, kaum jemanden interessiert, sogar bei Victoria Azarenka war wenig Aufregung. Bei Tatjana Maria gab es gar kein Interesse, dabei hätte sie auch bei manchen Turnieren gesetzt werden können.

Gibt es Solidarität unter den Tennismüttern?

Bei denen in der zweiten Reihe auf jeden Fall. Die sind alle in Kontakt. Man hilft sich, gibt Erfahrungen weiter. Mit Kind ist es auf der Tour eine Herausforderung. Es ist logistisch schwierig, die Nächte sind anders. Aber es ist eine freie Entscheidung. Niederlagen sind leichter hinzunehmen, wenn man vom Platz kommt und die Kleine ist da. Das ist anders, als gefrustet im Hotelzimmer zu sitzen. Wir genießen es viel mehr als vorher.

Gab es Austausch mit Serena Williams?

Mandy hat sich kurz ausgetauscht mit Serena in der Umkleide, als Mandy schwanger war. Sie haben hier ein wenig Smalltalk gehalten und werden ihre Töchter einander vorstellen. Sie soll sehr nett sein.

Wie sehr kümmern sich die Frauentour WTA und der Weltverband ITF um Tennismütter?

Es wird langsam besser. Die Turniere bieten öfter Einrichtungen für Kinder an und Dienste, dass auf die Kinder aufgepasst werden kann. Aber auch das benötigt seine Zeit. Die WTA sagt, wir untersuchen jetzt, ob Topspieler geschützt werden müssen, wenn sie als Mütter zurückkommen. Das ist schon absurd an sich: wieso nur Topspielerinnen? Die WTA versteht hierbei nicht ihre Rolle als Spielerorganisation. Die WTA soll einfach auf alle ihre Mitglieder Acht geben. Serena soll, wenn sie auf Turniere kommt, gerne drei Limousinen kriegen und vier Hotelzimmer. Wenn die Spielerinnen auf den Platz kommen und es um den Sport geht, muss es aber gleich sein.

Wie sehen Ihre kommenden Wochen aus?

Mandy wird einige kleinere Challenger spielen und ihr drittes Protected Ranking erst im Juli nutzen. Aufbauend auf der Debatte haben wir in Wimbledon eine Anfrage für eine Wildcard gestellt, auch gerne für die Qualifikation. Wenn es ernst gemeint ist und es Müttern ermöglicht werden soll, so an den Arbeitsplatz zurückzukehren wie sie ihn verlassen haben, dann kann man ja auch Mandy unterstützen, dies zu tun. Ihr letzter Arbeitstag war im Hauptfeld im All England Club in Wimbledon.

© SZ vom 03.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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