French Open:Im Kosmos von Serena Williams

French Open: Vergnügt in Windsor: Vor den French Open stand für Serena Williams und ihren Gatten, den amerikanischen Geschäftsmann Alexis Ohanian, ein weiteres Großereignis an - als Hochzeitsgäste von Prinz Harry und Meghan.

Vergnügt in Windsor: Vor den French Open stand für Serena Williams und ihren Gatten, den amerikanischen Geschäftsmann Alexis Ohanian, ein weiteres Großereignis an - als Hochzeitsgäste von Prinz Harry und Meghan.

(Foto: Odd Andersen/AFP)
  • Serena Williams hat zuletzt zwei Turniere ausgelassen, will nun aber die French Open gewinnen.
  • Zweifel an ihrer Form scheinen berechtigt, doch niemand sollte Williams' widerstandsfähige Instinkte unterschätzen.
  • Ihr eigener Williams-Kosmos begleitet die Tennisspielerin und Unternehmerin auch nach Paris.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Fotos lügen nicht. Sie steht auf dem Platz, sie trainiert. Die Rückhand, auch dies belegt ein Motiv, spielt sie noch beidhändig. Auf einem anderen Bild redet Patrick Mouratoglou auf sie ein. Der smarte Franzose ist weiterhin ihr Coach, auch bei den French Open. Das zweite Grand-Slam-Turnier der Saison beginnt an diesem Sonntag in Paris. Serena Williams ist dabei. Das an sich ist eine Nachricht.

Aber sonst? Weiß man nicht viel über sie, zumindest nicht über ihre aktuellen Fähigkeiten als Tennisspielerin. Mehr als ein Jahr lang hatte sie pausiert. Vor acht Monaten wurde ihre Tochter Olympia geboren, und weil sie es so wollte, kam Williams rasch zurück, im März dieses Jahres. Ihre Bilanz: überschaubar für eine Athletin, die allein im Einzel 23 Grand-Slam-Pokale gewann und der nur ein Triumph zur Unsterblichkeit fehlt, dann hätte sie Margaret Courts magische 24 erreicht. Zu Buche stehen zwei Siege in Indian Wells, eine Niederlage gegen Schwester Venus. In Miami sogleich der Japanerin Naomi Osaka unterlegen, die Pressekonferenz geschwänzt, eine belanglose Strafe dafür. Und seitdem?

"Serena spielt die French Open, um zu gewinnen"

Kein Turnier hat sie mehr bestritten, Madrid und Rom ausgelassen, angeblich wegen einer Erkältung. Bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan auf Schloss Windsor postete sie allerdings quickfidel Serien von Fotos, Selfies in ihrem Fall. Längst stellt sich eine andere, neue Frage: Wer ist Serena Williams: noch Profi? Doch schon mehr Mutter, Ehefrau, Botschafterin gegen Rassismus, für Frauenrechte, Unternehmerin? Oder alles auf einmal? Quasi CEO der Marke Williams, die gerade ihr Privatleben um Tochter Olympia und Gatte Alexis Ohanian, einen umtriebigen Internetmillionär, auslagert, als handele es sich um die globale Kampagne eines Softdrinks - und die nun doch langsam aufpassen muss, dass sie als Tenniscrack nicht ganz ins Abseits gerät wegen ihrer vielen Aktivitäten und Selbstdarstellungen.

Nun wäre es nachvollziehbar gewesen, wenn sich Williams weniger hastig zurückgemeldet hätte (was sie inzwischen bedauert). Sie ist ja schon 36 Jahre alt. Doch sie selbst definiert diese höchsten Ansprüche, die Trainer Mouratoglou auf der Homepage der Frauen-Tennistour WTA so spezifizierte: "Serena spielt die French Open, um zu gewinnen." Dass sie nur noch die Nummer 453 der Weltrangliste ist? Irrelevant. "Serena kann alles erreichen", übermittelte Mouratoglou.

Anhaltspunkte für diesen Optimismus bot Williams indes in dieser Saison nicht, wenig lief geschmeidig in ihrem Spiel bei ihren vier Auftritten. Aber sie soll zuletzt gut trainiert haben, wieder fit sein. Manche überzeugen solche Nachrichten noch nicht. "Ihr fehlt Matchpraxis, und sie wird verwundbar sein in den frühen Runden, da sie ihre Form und ihr Selbstvertrauen sucht", befand Jim Courier, der zweimalige French-Open-Champion. Erschwerend kommt hinzu: Die Auslosung am Donnerstag ergab starke mögliche Gegnerinnen. Sie startet gegen die Tschechin Kristyna Pliskova, in der dritten Runde könnte sie auf Julia Görges treffen, im Achtelfinale auf die Russin Maria Scharapowa, ihre langjährige Rivalin und wie Williams unnachlässige Selbstvermarkterin.

Dass plötzlich wieder stärker der Sport bei Williams im Fokus steht, ist fast ungewohnt, in den vergangenen anderthalb Jahren hat sie sich jedenfalls eine Erlebniswelt geschaffen, die mit allem Möglichen zu tun hatte, nur selten mit Tennis. Deshalb wird es jetzt in Paris und im Juli in Wimbledon interessant zu beobachten sein, ob sie in den Modus zurückfindet, der nötig ist, um ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. In Indian Wells soll sie größte Probleme gehabt haben, sich nur für die Dauer eines Matches von Tochter Olympia zu trennen. Bekanntlich motivierten sie aber auch die Plakate, die ihr Mann entlang eines Highways in der kalifornischen Wüste aufhängen ließ, mit dem Slogan: Greatest Momma of all time - größte Mama aller Zeiten! In ihrem Clan, da passt ihr Gatte perfekt zu ihr, kann das groß Gedachte nicht groß genug sein.

Die Überhöhung ist ihr Markenzeichen geworden, sie betrifft inzwischen fast jeden Bereich und sie muss nicht einmal von Medien kreiert werden. Bei einem Gespräch mit einem Reporter der New York Times verriet sie staunend, sie und ihr Baby seien "noch nie länger als 24 Stunden getrennt" gewesen, als sei auch dies ungewöhnlich, dass Mütter ihr Neugeborenes kaum verlassen. Weiter hat man in den vergangenen Wochen und Monaten erfahren: Mackie Shilstone, Williams' Fitnesstrainer, nennt Olympia nur Baby O, und Baby O hat einen eigenen Twitter-Account mit 5400 Followern. Bei der Royal Wedding habe Williams Turnschuhe unter der Abendgarderobe getragen. Und wer noch Privateres wissen will, kann sich beim Fernsehsender HBO die fünfteilige Serie über Williams anschauen, der Titel ist der einzig logische: "Being Serena".

Die Offenlegung intimster Momente

Wo die Grenzen und Hemmschwellen in dieser Reality-Doku liegen? Nicht im Kreißsaal und nicht bei den Erzählungen davon, dass sie nach der Geburt fast gestorben sei aufgrund einer Lungenembolie. Dieser Fakt ist bedrückend genug, aber er hielt sie nicht davon ab, öffentlich die Umstände auszubreiten, im Gegenteil. Die Begründung der Offenlegung intimster Momente lautete: "Ich dachte, es wäre interessant, wenn ich bei diesem ganzen Prozess alle Vorhänge wegziehe und ich einfach ich bin." Später hat die New York Times dann einen Artikel veröffentlicht, in dem Williams ihre liebsten Kosmetikprodukte vorstellen konnte. Die Übergänge von privaten und kommerziellen Interessen sind fließend im Kosmos Williams.

Andererseits: Williams war immer eine spezielle Person, lebte unter dem Brennglas des öffentlichen Blicks, geprägt durch ihre Herkunft. Vater Richard soll, so geht seine eigene Legende, noch vor der Zeugung seiner beiden Töchter Serena und der ein Jahr älteren Venus deren Karrieren als Tennisgrößen durchgeplant haben. Sie überwanden finanzielle Nöte, Rassismusattacken; der Weg führte aus den Ghettos in Los Angeles bis ins Schloss Windsor zur königlichen Trauung. Williams' Leben wirkt spannender, als es jede Mittelmaß-Fiktion sein könnte. Der Respekt, auch wegen ihres unermüdlichen sozialen Engagements, ist ihr ohnehin sicher. Wenn es etwas wie den "Greatest Athlete of all Time" gäbe, den größten Athleten aller Zeiten, sagte der Schweizer Roger Federer (den viele Bewunderer für den eigentlichen Größten halten) gerade dem Wall Street Journal, käme nur eine infrage: Er nannte Serena Williams.

In Williams schlummern die widerstandsfähigen Instinkte

Urteile wie diese klingen wie ein Nachgesang auf eine Karriere, aber da sollte man Williams nicht unterschätzen. In ihr schlummern noch die widerstandsfähigen Instinkte. Herausgefordert war sie stets die Beste. Der inzwischen rüstige, durchtriebene Manager Ion Tiriac bekam das zu spüren, als er via Sport-Bild maulte: "Bei allem Respekt. 36 Jahre, 90 Kilogramm schwer. Auch bei den Frauen wünsche ich mir da etwas anderes." Williams konterte prompt: "Das ist ein ignoranter Kommentar und ein sexistischer; vielleicht ist er ein ignoranter Mann." An anderer Stelle fühlte sich Williams von einer Regel der Tennistour benachteiligt, auf Grund derer werdende Mütter wie sie, die vorn im Ranking standen und pausieren, nach der Rückkehr nicht mehr im Hauptfeld eines Turniers gesetzt werden. Zurecht befand sie, man sollte dafür "nicht bestraft werden. Schwangerschaft ist keine Verletzung". Derzeit erscheint es möglich, dass die Regel von 2019 an gekippt wird. Auch daran lässt sich Williams' gewichtiges Wort erkennen. Das Thema an sich ist selbstverständlich nicht neu. Es gab schon einige Tennis spielende Mütter auf der Tour.

Zumindest in Paris sind diese Themen aber erst einmal nachrangig. Williams ist zurück, in ihrem ersten Grand-Slam-Turnier seit Januar 2017. Damals gewann sie die Australian Open, und wie sie später verriet, war sie schon schwanger. So gesehen, wäre bei den French Open die perfekte Schlagzeile schon vorbereitet: Einen Triumph bei zwei aufeinanderfolgenden Grand-Slam-Teilnahmen, einmal mit Olympia im Bauch, beim nächsten Mal mit dem Baby als Zuschauer in der Box, das gab es so noch nie. Es wäre eine Leistung nach dem Geschmack des Profis, der Mutter oder des CEO Serena Williams - von wem auch immer.

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