Tennis:Kerber beißt sich durch

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Angelique Kerber jubelt nach dem gewonnenen Match. (Foto: dpa)
  • Die deutsche Tennisspielerin Angelique Kerber hat das Viertelfinale der Australian Open erreicht.
  • Gegen die Taiwanesin Hsieh Su-Wei setzte sie sich in einem teils spektakulären Spiel 4:6, 7:5 und 6:2 durch.
  • Sie gilt inzwischen als Turnierfavoritin.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Als Angelique Kerber zu Rennae Stubbs schritt, lächelte sie. Es war ein Lächeln der Erlösung. Ihre Gegnerin hatte gerade die Rod Laver Arena verlassen, gut 14 000 der 15 000 Plätze waren besetzt, die Zuschauer hatten laut und lange für Hsieh Su-Wei, 30, geklatscht und ihr noch einmal Respekt gezollt. Auch Kerber konnte nicht anders, als genau dies zu tun. "Lob an sie", sagte sie, als sie von Stubbs, der früheren Spitzenspielerin aus Australien, auf dem Platz interviewt wurde. "Sie hat unglaublich gespielt. Ich rannte überall herum - und sie fand immer eine Antwort." Man werde noch viel von ihr hören in 2018, sagte sie auch. Aber nicht mehr in diesem Wettbewerb des Fraueneinzels der Australian Open.

Kerber hat sich noch einmal durchgebissen. Durchgeschrien. Durchgekämpft. Die 30-Jährige, die vor zwei Jahren in Melbourne triumphiert und ihren ersten (von zwei) Grand-Slam-Titeln erzielt hatte, ehe 2017 ein schlechteres Jahr folgte, siegte 4:6, 7:5, 6:2. Bei 4:5 und 0:15 im zweiten Satz war Kerber nur drei Punkte von der Niederlage entfernt.

Kerbers Gegnerin hatte Unmengen Raffinessen parat

Ab diesem Moment, das ist auch Ausdruck der Kerber 2.0, die ihre Stärken als Spielerin von 2016 sichtbar relauncht hat, hat sie ihr neues, bestes Tennis gezeigt. Hsieh Su-Wei, die vielleicht auf ihre Art intelligenteste Spielerin der gesamten Frauentour, die vom früheren Doppelcrack Paul McNamee lange gecoacht wurde und mal 23. der Weltrangliste war, konnte nicht mehr mithalten. Da nützten alle Raffinessen nichts mehr, und von denen hatte die Taiwanesin Unmengen parat gehabt.

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Das Match verlief zunächst gut für Kerber gegen die Weltranglisten-88., die ihre größten Erfolge im Doppel erreicht hatte. 2013 siegte sie in Wimbledon, 2014 bei den French Open, mit der Chinesin Peng Shuai. Im Einzel stand sie zuvor erst einmal im Achtelfinale, vor zehn Jahren ebenfalls in Melbourne. Kerber schaffte das Break zum 2:0, nahm der Gegnerin das Aufschlagspiel ab. Sie führte 3:1. Doch dann fand Hsieh Su-Wei in die Partie, brachte ihre Strategie zur Entfaltung, die Maria Scharapowa einmal als "Albtraum" bezeichnet hatte.

Hsieh Su-Wie spielt Vorhand und Rückhand beidhändig, sie holt gar nicht weit aus, sie schwingt auch nicht weit durch, sie klappt die Handgelenke vielmehr effizient nach vorne. Ihre Bewegung erinnert an beidhändiges Badminton. Oder als wolle sie mit einer Fliegenklatsche zuschlagen. Hsieh Su-Wie spielt den Ball so flach über das Netz, als wolle sie die obere Netzkante mit dem Ball streicheln. Sie spielt extreme Winkel, gegen die Laufrichtung.

Taktisch clevere Zauberschläge

Wo andere den Überkopfball draufhauen, zwirbelt sie den Ball cross rein. Und dabei steht sie stoisch beim Schlag, als sei sie in der Fußgängerzone vor einem Schaufenster und schaue kurz rein. Die Geschwindigkeit eines zweiten Aufschlages betrug einmal nur 113 km/h. Es war ein Wunder, dass der Ball nicht einschlief beim Flug. "Es ist schwer für die Deutsche, Tempo zu erzeugen gegen eine Kontrahentin, die ihr kein Tempo anbietet", kommentierte Patrick Mouratoglou treffend bei Twitter, der Trainer von Serena Williams, die ja nach der Geburt ihres ersten Kindes in Melbourne fehlt.

Als Hsieh Su-Wei dank eines Netzrollers mit 6:4 den ersten Satz gewonnen hatte, hatte sie das halbe Stadion hinter sich gebracht mit ihren taktisch clever zusammengebauten Zauberschlägen. Sie vermaß Länge und Breite des Platzes neu, als hätte sie Geometrie studiert, um eine bessere Spielerin zu werden. Aber so hat sie schon immer gespielt.

Im zweiten Satz pushte sich Kerber, sie ging in lange Ballwechsel, schrie auf bei spektakulären Punktgewinnen, schaffte das Break zum 4:3, Re-Break. Bei 5:5, 15:40 hatte Hsieh Su-Wei zwei Spielbälle, bei eigenem Aufschlag. Kerber kam zurück. Machte acht Punkte in Serie. 7:5. Dritter Satz.

Die Amerikanerin Madison Keys ist Kerbers nächste Gegnerin

Jetzt zeigte sich, warum Hsieh Su-Wie nicht mehr Einzelerfolge erzielt hat. Sie konnte ihr Niveau nicht halten, auch, weil ihr Spiel risikobehaftet ist. Sie geht an Grenzen, immer wieder. Spielt an die Linien, und wo die Bälle am Anfang noch draufgingen, gingen sie nun nicht mehr drauf. Kerbers Zähigkeit und Energie zermürbte zusätzlich, das sprach absolut für die in Bremen geborene Deutsche, die in Polen, ihrer zweiten Heimat, lebt.

Sie biss sich durch, hatte kleine Krisenmomente, schrie verzweifelt auf, machte den Shuffle bei Erfolgsszenen. Bei 5:1 hatte Kerber zwei Matchbälle, Hsieh Su-Wie kam ihrerseits noch einmal ran. Aber dann, nach dem dritten Matchball, stand Kerbers Viertelfinal-Einzug fest: 4:6, 7:5, 6:2, nach 2:08 Stunden. Die Amerikanerin Madison Keys, bei den US Open 2017 im Finale, ist ihre nächste Gegnerin. Kerber schlug sich mit der Faust aufs Herz. Das hatte sie gezeigt.

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