Tennis:Kerber im Dschungel der Termine

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Dieses Jahr zunächst nicht beim Fed Cup dabei: die Weltranglistenerste Angelique Kerber. (Foto: dpa)
  • Angelique Kerber sagt ihren Start beim Fed Cup ab.
  • Sie will alte Fehler nicht wiederholen - vor einem Jahr verlor sie entkräftet ein Einzel im Duell gegen die Schweiz.
  • Indirekt hat Kerber den Trip nach Hawaii auch abgesagt, weil sich die wichtigen internationalen Verbände gegeneinander organisieren.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Am Sonntagmittag war dann auch Angelique Kerber an der Reihe, bei den Australian Open ist es Sitte, dass an den beiden Tagen vor dem Start des ersten Grand-Slam-Turnieres des Jahres die Topspieler zu den Medien sprechen. Die deutsche Titelverteidigerin hatte zunächst nicht viel Neues zu berichten, die Veranstaltung beginne bei "zero", also von vorne, ohne Berücksichtigung vergangener Verdienste. Auch berichtete sie, sie wolle den Druck beiseiteschieben - das hat sie dann in einer ersten Maßnahme auch getan. Allerdings nicht im großen Plenum.

Nachdem die internationale Fragerunde bewältigt war, bat Kerber die deutschen Journalisten in einen Nebenraum. Und als sich dann überraschend Barbara Rittner, die Bundestrainerin, neben sie setzte sowie Kerbers neuer Manager Aljoscha Thron, war klar, dass eine umfassendere Erklärung anstand. Sie folgte prompt.

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Kerber (die ihre erste Partie in Melbourne gegen die durchaus gefährliche Ukrainerin Lesia Zurenko am Montag bestreiten wird; 9 Uhr deutscher Zeit/Eurosport) teilte etwas unsicher in der Stimme mit, sie werde dem deutschen Fed-Cup-Team für das Erstrunden-Duell gegen die USA am 11./12. Februar auf Hawaii nicht zur Verfügung stehen. "Ich habe schweren Herzens absagt", sagte sie und fügte an: "Der Reisestress ist zu extrem." Bundestrainerin Rittner, mit der sich Kerber lange beraten habe, erklärte: "Ich habe vollstes Verständnis. Wir sind jetzt natürlich traurig, geschwächt und Außenseiter."

Kerber will alte Fehler nicht wiederholen

Rittner verwies darauf, "dass wir im vergangenen Jahr gesehen haben, was Angie der Fed Cup bedeutet". Damals war Kerber direkt nach ihrem ersten Grand-Slam-Sieg - dem ersten deutschen Grand-Slam- Erfolg seit Steffi Graf 17 Jahren zuvor in Paris - direkt von Melbourne nach Leipzig gereist. Im Erstrundenduell mit der Schweiz gewann Kerber ihr erstes Match, verlor aber entkräftet das zweite Einzel gegen Belinda Bencic. Im Rückblick hatte sich Kerbers Globetrotter-Tournee kaum gelohnt, aber sie hatte zu ihrer Fed-Cup-Zusage stehen wollen. Deutschland verlor 2:3.

Dem Vernehmen nach wollte Kerber diesen Fehler nicht wiederholen, sie wollte keinen Termin bestätigen, der sie in vielerlei Hinsicht in die Bredouille bringt. Ihre Entscheidung ist nachvollziehbar, auch weil sie als aktuelle Weltranglisten-Erste diese Position behaupten will. Zudem lassen fast alle Spitzenspieler pro Saison mindestens einen Team-Einsatz im Fed Cup (Frauen) oder Davis Cup (Männer) aus - falls sie überhaupt antreten. Was zudem damit zu tun hat, dass strukturell einiges nicht stimmt im Welttennis.

Indirekt hat Kerber den Trip nach Hawaii auch deshalb abgesagt, weil sich die wichtigen internationalen Verbände massiv gegeneinander organisieren. Die International Tennis Federation (ITF) ist zuständig für die vier Grand-Slam-Turniere (Melbourne, Paris, Wimbledon, New York) und die Teamwettbewerbe Fed Cup und Davis Cup. Die Women's Tennis Association (WTA) veranstaltet die Turniere der Frauentour, die Spielergewerkschaft ATP die Männertour.

Die Situation um Kerber veranschaulicht die Rivalitäten. 2016 zum Beispiel fand der Fed Cup direkt im Anschluss an die Australian Open statt. Damals bestritten die USA ebenfalls ihr Erstrundenspiel auf Hawaii, gegen die Polinnen, die aus Melbourne kommend mit einem Zwischenstopp auf dem US-Archipel die weite Heimreise fortsetzen konnten. Heute erschweren zwei offenbar nicht optimal abgestimmte Entscheidungen der Tennis-Organisationen die Teilnahme für Spitzenspielerinnen wie Kerber.

Der Fed Cup 2017 findet nicht nur eine Woche, sondern zwei Wochen nach den Australian Open statt. Und das folgende Turnier in Doha/Katar, an dem Kerber teilnimmt, wurde von der WTA um eine Woche vorverlegt. Das birgt Logistik-Probleme. Kommt Kerber erneut weit bei den Australian Open, hätte es wenig Sinn gemacht, zwischendrin nach Deutschland zu jetten. Und würde sie auf Hawaii antreten, wäre es schwierig, pünktlich zum Turnierstart in Doha zu sein.

In einer ersten, wohl nicht ganz durchdachten Reaktion hatte Kerber in Melbourne noch die Spekulation geschürt, die USA hätten absichtlich Hawaii als Spielort gewählt, weil sie hofften, Kerber werde auf die Strapaze verzichten. "Ja, das kann man so sagen", kommentierte Kerber das Szenario. Sie wäre wohl besser beraten gewesen, tatsächlich auf die Komplexität des Themas hinzuweisen. So blieb der Eindruck, Kerber bezichtige die USA, taktische Manöver bei der Ortswahl durchgeführt zu haben - was legitim wäre. Das tun alle Nationen. Manche Medien unterstellten allerdings, Kerber mache bereits Stimmung gegen das Team der USA.

Im April könnte Kerber wieder fürs DTB-Team antreten

Merkwürdig ist, dass Kerber erst so kurz vor dem Start der Australian Open die kontroverse Fed-Cup-Debatte eröffnet. Dem Vernehmen nach hatte sie sich allerdings sehr kurzfristig entschieden, Hawaii sausen zu lassen. So erscheint die Botschaft als taktisches Manöver: Vermutlich wollte die 28-Jährige sich ein wenig von dem Druck befreien, der auf einer Nummer eins grundsätzlich lastet, die zudem Titelverteidigerin ist. "Die positive Energie muss wieder da sein", sagte sie denn auch wenige Stunden, bevor sie an diesem Montag zu ihrem Erstrunden-Match gegen Zurenko, Nummer 61 der Weltrangliste, anzutreten hatte. In diesem Licht erscheint ihre Fed-Cup-Absage auch als ein Akt der Befreiung: Sie müsse lernen, auch mal Nein zu sagen, hatte sie unlängst immer wieder betont.

"Auf jeden Fall", versprach Kerber, werde sie im April - sollte das DTB-Team das Duell auf Hawaii nun verlieren - für das notwendige Relegationsspiel bereitstehen. "Wir erzählen Angie dann, wie schön Hawaii ist", sagte Barbara Rittner mit einem leicht gequälten Lächeln. Ein verbindlicher Schlusssatz am Ende einer kurzen Debatte über die Strapazen im globalen Sport-Zirkus.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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