Tabellenletzter Werder Bremen:Dutt kennt schon sein Schicksalsspiel

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Es läuft nicht bei Werder: Franco Di Santo (rechts) und Davie Selke am Wochenende beim Spiel gegen Freiburg. (Foto: dpa)

Werder Bremen ist auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt, einige sehen den Klub als Abstiegsfavoriten. Trainer Robin Dutt bangt um seinen Job. Die Vereinsführung erwägt gar einen Tabubruch.

Von Carsten Eberts

In Bremen werden neuerdings die Stunden gezählt. Nicht die Stunden, bis Trainer Robin Dutt entlassen wird - so weit scheint es trotz des Absturzes auf den letzten Tabellenplatz nicht zu sein. Doch einen ganzen Tag, also 24 Stunden, hatte es gedauert, ehe der Werder-Coach diesmal Rückendeckung von seinem direkten Vorgesetzten bekam.

Nach dem 1:1 gegen den SC Freiburg hatte Manager Thomas Eichin demonstrativ geschwiegen. Kein Kommentar zum Trainer - aus Prinzip. Erst am Sonntagabend im NDR-Sportclub, nach reichlich Bedenkzeit, rang er sich durch. "Wir glauben nach wie vor, dass er der richtige Mann für uns ist", sagte Eichin über Dutt, er betonte sogar: "absolut der richtige." Das klang nach einem Bekenntnis, doch es kam spät.

Die Bremer Fußballlandschaft ist nervös geworden. Normalerweise können Trainer hier, anders als etwa beim Nordrivalen Hamburger SV, ruhig arbeiten. Krisensymptome werden erst ersichtlich, wenn die Krise wirklich da ist - nach dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz ist es nun so weit. "Wir wissen ganz genau, dass uns momentan nur Punkte helfen, um da ein bisschen Ruhe reinzukriegen", sagte Eichin. Sieben Spiele, kein Sieg, so die aktuelle Serie.

Es war absehbar, dass diese Saison eine schwere werden würde. Trotzdem ist die Überraschung bei Werder groß, wie weit unten der Zweite der ewigen Bundesliga-Tabelle tatsächlich steht. Zum ersten Mal seit 16 Jahren ist Werder Bremen mitten in einer Saison Tabellenletzter. Damals, 1998, halfen zwei Trainerwechsel (von Wolfgang Sidka über Felix Magath zu Thomas Schaaf), um den Klub vor dem Abstieg zu bewahren. Und diesmal?

Die Mannschaft hat deutlich weniger Potenzial als in der Saison 1998/99, als Kräfte wie Andreas Herzog, Marco Bode oder Ailton den Kader schmückten. Anders als viele Konkurrenten der unteren Tabellenhälfte konnte Werder im Sommer nicht groß einkaufen - die Finanzen sind nach den fetten Europapokaljahren knapp. Aaron Hunt, Mehmet Ekici und Marco Arnautovic haben den Verein verlassen, ohne dafür nennenswerte Erlöse einzustreichen. Die Neuen tragen Namen wie Finn Bartels, Alejandro Gálvez, Ludovic Obraniak oder Izet Hajrovic - allesamt keine Spieler, die eine verunsicherte, im Spiel zu gravierenden Fehlern neigende Elf mitziehen können. Ehemalige Hoffnungsträger wie Nils Petersen fanden sich zuletzt nur auf der Ersatzbank wieder. Würde Mittelstürmer Franco di Santo nicht so zuverlässig treffen (sieben Spiele, vier Tore), stünde Werder noch schlechter da.

Werder wirkt in dieser Konstitution wie ein Abstiegsfavorit. Die Angst ist nun so groß, dass der Klub zum ersten Mal seit einer Ewigkeit Schulden aufnehmen will, um nochmal in die Mannschaft zu investieren. Geschäftsführer und Vereinspräsident Klaus-Dieter Fischer sagte der Kreiszeitung Syke: "Was bedeutet eigentlich der Abstieg? Nach meinen Einschätzungen bedeutet das Umsatzeinbußen im zweistelligen Millionen-Bereich. Und was bedeutet dagegen eine kurzfristige, nicht zu umfangreiche Verschuldung, um in unser wichtigstes Gut - das Team - zu investieren?"

Bundesliga
:Schalke trennt sich von Jens Keller

Zwei Siege in zehn Pflichtspielen sind zu wenig: Jens Keller ist nicht länger Trainer von Schalke 04. Sein Nachfolger heißt Roberto Di Matteo - der gewann 2012 mit dem FC Chelsea die Champions League.

Bisher waren Schulden ein Tabuthema beim norddeutschen Traditionsverein. "Darüber werden wir mit dem Aufsichtsrat diskutieren müssen", kündigte Fischer nun an. "Ich hoffe, das klappt schon in den nächsten Tagen, damit wir für die Transferperiode im Winter gerüstet sind." Dem Kicker sagte Fischer: "Der traumhafte Werder-Weg ist auf Dauer nicht haltbar."

Unterdessen wiederholt Trainer Dutt nimmermüde, dass seine Mannschaft viel besser Fußball spiele, als es die Tabelle aussage. Nach dem Unentschieden gegen Freiburg klagte er: "Mit dieser Leistung kannst du nicht dauerhaft unten stehen. Wir hätten den Sieg verdient gehabt - und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison." Nicht alle teilen diese Wahrnehmung. Die Punktgewinne in Berlin oder Leverkusen etwa kamen höchst glücklich zustande. Beide Gegner übertrafen sich im Auslassen bester Gelegenheiten. Werder hätte also auch noch weniger Punkte auf dem Konto haben können, als jene vier, die ihnen die vier Unentschieden bislang eingebracht haben.

So könnte es bald noch ungemütlicher werden für Trainer Dutt. Seit 41 Bundesliga-Spielen sitzt Dutt auf der Werder-Bank, nur 43 Punkte holte er in diesen anderthalb Jahren. Es ist der schlechteste Wert aller bisherigen Bremer Übungsleiter, die es so lange aushielten. Nach der Länderspielpause muss Werder Mitte Oktober zum FC Bayern, es dürfte wenig zu holen sein. Das Aufeinandertreffen mit dem Aufsteiger 1. FC Köln eine Woche danach wird bereits zum Schicksalsspiel für Dutt erhoben.

Wie nervös die Bremer sind, zeigt ein anderes Beispiel. Öffentlichkeitswirksam wurde den Spielern via Bild ein Zeitungsverbot auferlegt. Seit einer Woche sind Presseerzeugnisse in der Kabine tabu. Von "Wagenburgmentalität" spricht Dutt, er dulde "keine äußeren Einflüsse" mehr. Es ist die Rhetorik eines Mannes, der um seinen Job kämpft.

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