Tabellenletzter 1860 München:Alles in Unordnung

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Aus der Balance: Martin Angha (links) vom TSV 1860. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Passt das 4-3-3-System des TSV 1860 München überhaupt zur Lage? Nach dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz ringt das Team um Stabilität. Ausgerechnet im Pokal gegen einen Erstligisten soll die Wende gelingen.

Von Mathias von Lieben

Sie war so schön, die Vision vom neuen Löwen-Fußball. Offensiv sollte er sein, erfrischend und modern. Aggressives Pressing als Grundlage einer neuen Vereinsphilosophie. Zehn neue Spieler hat Geschäftsführer Gerhard Poschner dafür geholt, das offensive 4-3-3-System als Aufbruch in neue Zeiten propagiert. Doch nach elf Spieltagen ist der TSV 1860 München Tabellenletzter in der zweiten Liga.

Im DFB-Pokalspiel am Mittwoch gegen den SC Freiburg hat das Team von Trainer Markus von Ahlen zumindest die Chance, sich fernab des Zweitliga-Alltags aus der Krise zu spielen. "Vielleicht können wir in einem anderen Wettbewerb ja mal etwas befreiter aufspielen - ganz ohne den Druck", sagte Innenverteidiger Kai Bülow nach dem 1:2 gegen Braunschweig, dem jüngsten Rückschlag in der Liga. "Wir brauchen den Befreiungsschlag", fuhr er fort. Bülow klang hilflos dabei.

TSV 1860 München
:Ganz, ganz unten

Auch der Fanprotest vor dem Spiel bleibt wirkungslos: Der TSV 1860 München verliert gegen Braunschweig 1:2 und steht am Ende der Zweitligatabelle. Wieder geht der Plan des Gegners auf.

Von Markus Schäflein

Das Blöde nur: Den Befreiungsschlag benötigen die Freiburger um Trainer Christian Streich auch. Der SC befindet sich eine Liga höher in der gleichen Gefühlslage wie die Löwen: Als Vorletzter konnten sie noch gar kein Spiel gewinnen - nur Werder Bremen ist schlechter. Das Spiel wird deswegen kaum einfacher werden, Streichs Team ist bekannt für seine große Moral.

An der Moral mangelt es auch bei den Profis des TSV 1860 gegen Braunschweig nicht, allerdings am Selbstbewusstsein - und an jeglichen Automatismen. Die Zugänge spielen bis auf Sechs-Tore-Mann Ruben Okotie bislang unter ihren Möglichkeiten. Die anderen Offensiv-Spieler betreiben in jedem Spiel einen hohen Aufwand - der Ertrag bleibt jedoch aus. In der Defensive entstehen zudem immer wieder unerklärbare Lücken. Und im Mittelfeld, da fehlt ein Organisator. Solche Mängel könnten von einem Erstligisten konsequent bestraft werden.

Die Suche nach Konstanten innerhalb der Mannschaft ist vergebens. Die einzigen Spieler, die bisher in allen Spielen in der Startelf standen, sind Christopher Schindler und Rubin Okotie. Erst zweimal hintereinander traten die Sechziger überhaupt mit der gleichen Startelf an - das war noch unter dem früheren Coach Ricardo Moniz. Was auch zu der Frage führt: Ist das von Poschner propagierte 4-3-3 überhaupt das beste System für 1860?

Auch am Mittwochabend im Pokal wird sich diese Frage stellen. Dabei scheint eine Änderung der Taktik vor dem Duell gegen Freiburg längst nicht mehr abwegig.

Hilfreich wäre es allemal: Freiburg hat bisher in acht der neun Bundesligapartien mit einer Doppel-Sechs gespielt. Im Zentrum wird es für die Münchner schwierig werden zu kombinieren, der Spanier Ilie Sanchez und Yannick Stark sind gemeinsam nicht die erwarteten Stabilisatoren und Spielgestalter. Das Spiel über die Außen hat auch gegen Braunschweig nicht gut funktioniert, Valdet Rama, Daniel Adlung und Daylon Claasen verloren sich viel zu häufig in Eins-gegen-Eins-Situationen.

Als Poschner vor der Saison in der zweiten Garde des FC Barcleona wilderte und gleich drei Spieler verpflichtete, wurde an der Grünwalder Straße schon von Tiki-Taka-Fußball geträumt. Doch derzeit sind mit Edu Bedia und Rodri zwei dieser Spieler verletzt, Sanchez alleine kann nicht für das spielerische Element sorgen. Spielmacher Leonardo ist zudem außer Form und häufig undiszipliniert.

Besonders auffällig in den letzten beiden Partien: Wenn das Team weit aufrückt und in der Offensive einen Ballverlust hat, dauert es viel zu lange, bis die Ordnung wieder hergestellt ist. Gegen Braunschweig kam hinzu, dass selbst die Außenverteidiger Angha und Debütant Hertner in diesen Situationen zu spät zurück kamen. Kapitan Schindler und sein Innenverteidiger-Kollege Bülow standen dann oft nur zu zweit hinten und mussten in der Rückwärtsbewegung gefährliche Konter unterbinden.

Vor dem Braunschweig-Spiel hatte von Ahlen noch gesagt: "Das 4-3-3-System bietet mir verschiedene Interpretationsmöglichkeiten". Damit wollte er sich Freiraum schaffen für eine etwas defensivere Ausrichtung. Funktioniert hat es wieder nicht. Zwei Viererketten und zwei klassische Stürmer mögen zwar zunächst altmodisch klingen, könnten die Mannschaft aber kurzfristig festigen. Als Tabellenletzter wäre ein Systemwechsel hin zu mehr defensiver Stabilität durchaus denkbar.

Die englische Woche endet für den TSV 1860 am Sonntag mit dem Auswärtsspiel beim VfL Bochum. Zwei Wochen später kommt mit Fortuna Düsseldorf ein Aufstiegsaspirant nach München, anschließend geht es zu Union Berlin. Drei anspruchsvolle Gegner, was aber eigentlich egal ist: In der momentanen Verfassung des TSV 1860 München ist jeder Gegner eine große Herausforderung.

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