Stürmer bei Borussia Dortmund:Unterhaltsamer als mit Lewandowski

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Torjubel, der Spaß macht: Ciro Immobile (links) und Pierre-Emerick Aubameyang. (Foto: dpa)

Ciro Immobile, Adrian Ramos, Pierre-Emerick Aubameyang: In Dortmund soll ein Trio den abgewanderten Robert Lewandowski ersetzen - erste Erfolge werden sichtbar. Trainer Jürgen Klopp hat dafür das System modifiziert.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das L-Wort muss scheinbar gar nicht groß auf den Index gesetzt werden. In Dortmund redet auch so kaum noch jemand über Robert Lewandowski - es sei denn, wenn gerade mal wieder einer wie der ehemalige Nationalspieler Didi Hamann öffentlich in Frage stellt, ob der zwei Jahre lang in den Himmel gelobte Stürmer zur Spielweise seines neuen Klubs, des FC Bayern, überhaupt passe. Ansonsten jubeln Dortmunds Fans gerade aufreizend laut über Adrian Ramos, Ciro Immobile und Pierre-Emerick Aubameyang. Soviel Sturm war beim BVB wohl noch nie.

Spätestens nach dem 3:0 im Champions-League-Gruppenspiel am Mittwoch beim RSC Anderlecht hat auch Ramos in den Popularitätswerten zu seinen beiden Kollegen aufgeschlossen. "Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen", sagte er nach dem Spiel brav: "In der Champions League zu spielen und ein Tor zu machen."

Ramos hatte gleich zweimal getroffen, obwohl er erst in der 65. Minute eingewechselt worden war. Elf Ballkontakte zählten die Statistiker, drei Torschüsse, zwei Treffer. "Ich will immer von Anfang an spielen", versicherte Kolumbiens Nationalspieler, "aber beim BVB haben wir so viel Qualität, da muss man da sein, wenn der Trainer dich braucht." Seine Tore garantieren Ramos jedoch nicht zwingend einen Startplatz an diesem Samstag gegen den Tabellenletzten Hamburger SV.

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Im Gegensatz zu Immobile, der in Anderlecht einen Traumpass von Shinji Kagawa mit Eiseskälte schon nach drei Spielminuten versenkt hatte, galt Ramos bisher eher ein wenig als der Mann im Schatten, eher als Back-up für den Torschützenkönig der italienischen Serie A. Dabei lag Ramos in der vergangenen Saison mit seinen 16 Treffern für den eher mittelmäßigen Aufsteiger Hertha BSC auf Platz vier der Bundesliga-Torschützen, gleichauf mit dem derzeit verletzten Dortmunder Marco Reus. Seine Spielweise, die am ehesten der von Lewandowski zu ähneln scheint, war der Grund, warum ihn der BVB für 9,5 Millionen Euro Ablöse in Berlin loseiste.

Inzwischen erkennt man, dass Dortmunds Trainer Jürgen Klopp nicht einfach versucht, den in seiner Spielweise sehr eigenen Lewandowski zu ersetzen. Mit dem bulligen Immobile, den Klopp und Sportchef Michael Zorc gerne als "Krieger" bezeichnen, ändert sich das BVB-Spiel ebenso wie durch die Sprint-Attacken von Aubameyang, der in dieser Saison schon sieben Pflichtspiel-Tore erzielte. "Ich bin total begeistert von ihm", sagte jüngst Klopp, der den Franko-Gabuner mit spanischer Mutter und italienischer Fußball-Ausbildung in der vergangenen Saison oft wegen mangelnder Defensivarbeit und bisweilen konfuser Laufwege gerügt hatte.

Klopp lässt mit seinem neuen Offensiv-Personal nicht mehr zwingend das seit Jahren einstudierte und auf Lewandowski zugeschnittene 4-2-3-1-System mit einer Einzelspitze spielen. Vielmehr rotiert das Angriffsspiel durch und verwirrt bereits hartgesottene Abwehrreihen wie jene des FC Arsenal (2:0). Aubameyang, Ramos und Immobile stehen dank der Kloppschen System-Varianten häufig zu dritt auf dem Platz, aber vor allem Aubameyang und sein Außenstürmer-Pendent Kevin Großkreutz irritieren mit ihren läuferischen Fähigkeiten die gegnerischen Reihen. Immobile und Ramos wirken mehr wie typische Tor-Knipser, es sind völlig andere Spielertypen als Lewandowski, der oft im Stile eines Mittelfeldspielers wirkte.

Ramos wird in gut drei Monaten immerhin schon 29 und muss als Spätberufener gelten. Aber gerade das scheint ihn zu einem unprätentiösen Teamspieler zu machen. So wie auch Immobile und Aubameyang offenbar allürenfrei mit der Kloppschen Rotation umgehen. Gerade diese beiden, der eine Italiener und bei Juventus Turin ausgebildet, der andere schon als Teenager beim AC Mailand im Junioren-Team, verstehen sich offenbar besonders gut - nicht nur auf Italienisch.

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Hinzu kommt die sich entwickelnde Fixierung auf Dortmund-Rückkehrer Kagawa: Dessen Rasiermesser-Pässe kommen zwar noch nicht so oft an wie vor zwei Jahren, aber sie können Stürmer beflügeln.

Wie Dortmunds Offensive sich entwickelt, wenn Marco Reus zurückkehrt, wenn bald darauf auch Henrikh Mkhitaryan und Jakub Blaszczykowski wieder dabei sind, wenn Ilkay Gündogan demnächst tatsächlich wieder prinzipiell spielfähig sein sollte? "Wir werden kommen", kündigt Jürgen Klopp trotz der drei Niederlagen in sechs Bundesligaspielen an. Klingt trotzig, aber es spiegelt die Stimmungslage in Dortmund derzeit eher wieder, als manche vorschnelle Krisen-Schlagzeile.

In der Defensive hat der BVB in der Champions League noch kein Gegentor zugelassen, sich bei elf Gegentoren in der Bundesliga aber manche slapstickreife Selbstverwirrung erlaubt. Trotzdem: Auch bei bereits sieben Punkten Rückstand auf den FC Bayern, scheint der Anhang eher in guter Laune zu sein. Irgendwie haben fast alle beim BVB das Gefühl, besser zu sein als in den vergangenen beiden Jahren - auch besser gelaunt. Das vorige Saison in seiner Ausrichtung auf Torjäger Robert Lewandowski fast zu statisch wirkende Spiel des BVB hat an Unterhaltungswert offenbar gewonnen.

© SZ vom 04.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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