SpVgg Unterhaching im DFB-Pokal:Unbekümmert zum Erfolg

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Sie sind jung, preiswert, ohne große Erfahrung und trotzdem erfolgreich: Die Mannschaft der SpVgg Unterhaching ist die Überraschung der dritten Liga - auch im Pokal gegen den 1. FC Köln werden ihr Chancen eingeräumt.

Christoph Leischwitz

Um zu verstehen, wie sie bei der SpVgg Unterhaching zurzeit ticken, muss man nur "Die Bestellung" ansehen, das neueste Marketing-Video der SpVgg, zu sehen auf der facebook-Seite des Vereins. Da sitzen die Profis Sascha Bigalke, Dominik Rohracker und Yasin Yilmaz im Biergarten der SpVgg, Spieler-Kellner Florian Niederlechner kommt vorbei und fragt, ob es denn noch was sein dürfe.

Haching hat mit 1,1 Millionen Euro für die erste und zweite Mannschaft den wohl geringsten Etat der dritten Liga. Doch Spieler wie Yasin Yilmaz fangen die Abgänge auf. (Foto: Bongarts/Getty Images)

"Eine Pokalsensation hätten wir gern", sagt Rohracker. "Hm, die gibt's erst am 18.8. um 15.30 Uhr gegen den 1. FC Köln im Hachinger Sportpark", sagt Niederlechner. Ganz am Ende des Videos schaut Yilmaz mit schelmischem Blick in die Kamera und sagt: "Da geh'ma hi." Ein Video, aufgenommen in kompletter Unbekümmertheit.

Man könnte das darauf schieben, dass die SpVgg nach fünf Spieltagen völlig überraschend auf Platz eins der dritten Liga steht, denn Erfolg macht gute Laune gelaunt. Doch hier ist es umgekehrt: Der aktuelle Erfolg ist das Ergebnis der Unbekümmertheit, die offensichtlich den Kopf frei und die Beine leicht macht.

Die Mannschaft gilt nun selbst im Pokalspiel gegen den Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln nicht mehr unbedingt als Außenseiter, auch wenn die Beteiligten selbst das nicht so gerne hören. Bescheidenheit ist weiter Teil des Konzepts, Ziel ist und bleibt der Klassenerhalt.

"Da müssen wir dagegen halten"

Doch selbst Kölns Trainer Holger Stanislawski sagt über das Gastspiel: "Da müssen wir dagegen halten." Gerade so, als müsse seine Mannschaft Unterhaching fürchten und nicht umgekehrt. Es ist die paradoxe Situation entstanden, dass der SpVgg Unterhaching gerade deshalb so viel zugetraut wird, weil sie standhaft auf dem Teppich bleibt.

Die derzeitige Bescheidenheit ist sozusagen historisch gewachsen. Die SpVgg hat in den vergangenen Jahren am Existenzminimum gelebt, war unter anderem 2010 auf einen Hochstapler hereingefallen und hatte deshalb komplett über ihre Verhältnissen gelebt. Mehrmals verhinderten Privatpersonen mit ihrem Geld die Insolvenz, etwa der ehemalige Schatzmeister Anton Schrobenhauser. Doch das Präsidium entfernte sich immer mehr von der Basis, das Misstrauen wuchs.

Unterhaching verlor auch seinen Hauptsponsor, das Stadion seinen Namen und die Trikots die Werbung. In der vergangenen Saison gelang mit Trainer Heiko Herrlich und Co-Trainer Manuel Baum gerade noch der Klassenerhalt sowie die Qualifikation für den DFB-Pokal. Danach machte das Präsidium den Weg frei, Präsident Engelbert Kupka verabschiedete sich nach 39 Jahren Amtstätigkeit.

Neuer Präsident ist Manfred Schwabl, ehemals Profi beim FC Bayern und 1860 München, der sich vorher um die Jugendarbeit gekümmert hatte. Baum, ein Konzeptarbeiter, der Laufwege auf seinem iPad abspeichert, wurde Teamchef, neuer Trainer ist Claus Schromm. Beide galten bislang als Fachmänner für Talente, Trainererfahrung im Profibereich hatten sie nicht.

Das Geld fehlt immer noch. Haching hat mit 1,1 Millionen Euro für die erste und zweite Mannschaft den wohl geringsten Etat der Liga - auch deshalb sind zehn Spieler gegangen. Doch Baum und Schromm haben den Verbliebenen sowie den Neuen erfolgreich klar gemacht, dass sie hier kaum Geld verdienen, sich aber einen Namen machen können.

Niemand mosert, wenn es nach Auswärtsspielen in Wiesbaden oder Halle gleich wieder in den Bus geht, der dann nachts um drei Uhr im Hachinger Sportpark ankommt, um Hotelkosten zu sparen. Sie schafften es, Sascha Bigalke zu halten, obwohl dieser im Frühjahr mindestens ein Zweitliga-Angebot vorliegen hatte. Bigalke spielt nun zentral, auf dem Papier ist er Stürmer, doch auf dem Feld ist er Passverteiler und Ideengeber.

Seine Pässe verwerten Spieler wie Zugang Dominik Rohracker, der von Zweitliga-Aufsteiger Sandhausen kam, als Einwechselspieler zwei Tore erzielte und eine der positiven Überraschungen im neuen Team ist.

Es wird anstrengend für den Zweitligisten

Die Stärken der jungen Hachinger bestehen aus Dingen, für die man kein Geld braucht. Baum ist selbst überrascht, wie strikt sich seine Spieler in den Saisonpausen an die ausgearbeiteten Fitnessprogramme halten. Außerdem ist die Mannschaft eingespielt, auch, weil die U 23 in der Bayernliga Süd im gleichen System spielt.

Das zeigt sich vor allem in einer stabilisierten Abwehr, das Torverhältnis lautet momentan 10:1 - auch wenn Spieler und Trainer, in aller Bescheidenheit, gerne dazu sagen, dass man bei den Auswärtsspielen auch Glück gehabt habe.

Das alles muss nicht heißen, dass die SpVgg gegen Köln gewinnt, aber es wird anstrengend für den Zweitligisten. Schon allein wegen der guten Laktatwerte der Hachinger in Verbindung mit der Wettervorhersage (33 Grad).

Einen Erfolg kann die SpVgg bereits vor der Partie vermelden: Es gibt für Samstag einen Trikotsponsor, passend zum jungen Team ist es ein Bonbonhersteller aus Oberbayern. Sollte Haching tatsächlich weiterkommen, steigen die Chancen auf weitere Einnahmen. Sie werden schon etwas finden, wofür sie es ausgeben können.

© SZ vom 09.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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