Sprache der Bayern-Trainer:Wenn ein Weltmann an der Säbener Straße auf Eingeborene trifft

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Wird neuer Bayern-Trainer: Carlo Ancelotti (Foto: Getty Images)

Früher hat der FC Bayern die Mundart zum Einstellungskriterium für neue Trainer erhoben. Nun ist auch in der Kabine längst die Globalisierung zuhause.

Kommentar von Philipp Selldorf

Thorsten Legat ist der Startrainer der Youtube-Gemeinde. Der "Instinkttrainer", wie er sich selbst nennt, arbeitet zwar lediglich in der bergischen Landesliga, aber seine Auftritte als Coach des FC Remscheid haben ihn zur nationalen Berühmtheit werden lassen. Legat, ehedem Bundesliga-Profi in Bochum, Stuttgart und Schalke, betrachtet sich als Mann der Tat, vor allem aber fällt er als Mann des Wortes auf. Zu seinem Amtsantritt erklärte er: "Klar ist es eine Mammutaufgabe, kein Thema, aber für mich ist die Faszinierung, hier Remscheid zu trainieren - das Umfeld!"

Natürlich ist es niederträchtig, sich darüber zu belustigen, wie einem Mann, der zur öffentlichen Rede genötigt ist, die Sätze verrutschen. Aber die Faszinierung besteht auch darin, dass hier ein Trainer so ganz anders redet als seine durch den Medienzirkus konditionierten Kollegen, die noch dann Zufriedenheit heucheln, wenn sie die Spieler allesamt in den Hintern treten möchten. Legat ließ neulich nach dem 0:2 gegen Wülfrath einfach den Bauch sprechen: "Es werden aus dieser Mannschaft absolut drei Mann suspendiert! Entweder ein Thorsten Legat geht oder die drei Spieler. Das ist ein Virus und ein Bazillus - das eigene Werk unserer Spieler deklassieren sie mit gassensprachlichen Äußerungen." Legat ist übrigens immer noch im Amt.

Sacchi über den neuen Bayern-Trainer
:"Ancelotti würde mit elf Torhütern gewinnen"

Trainer-Legende Arrigo Sacchi schwärmt von Carlo Ancelotti. Strenge müssen die Bayern-Spieler nicht fürchten, denn Befehle erteile ihr neuer Coach nie. Thiago spricht derweil über seine Zukunft nach dem Trainerwechsel.

Gassensprachliches ist von Pep Guardiola nicht vernommen worden in den zweieinhalb Jahren, in denen er beim FC Bayern ein sehr passables Deutsch gelernt hat, von dem man sich nun fragt, was aus ihm werden soll. Sein Nachfolger würde es gegen eine kleine Gebühr sicher gern übernehmen, aber Carlo Ancelotti wird nicht umhin kommen, die nächste Fremdsprache zu studieren.

Er hat in Paris, London und Madrid gearbeitet, nun betritt er einen Sprachraum, der als besonders tückisch gilt. Doch er braucht sich nicht zu fürchten, die Globalisierung ist längst auch in der Bayern-Kabine zu Hause. Und fürs öffentliche Standardprogramm wird es allemal reichen, solange er nicht so viel wagt wie Thorsten Legat.

Trapattonis Ausführungen klangen oft, als stammten sie vom Google-Übersetzer

Früher hat der FC Bayern die verständliche Mundart zum Einstellungskriterium für seine Trainer erhoben, aber diese Zeiten sind vorbei, und richtig dran gehalten hat sich der FC Bayern sowieso nicht. Giovanni Trapattoni hat sich zwar rührend bemüht, doch seine vielsprachigen Ausführungen klangen oft, als stammten sie vom Google-Übersetzer. Als er später in Stuttgart begann, stellte ihm der VfB den ehemaligen Italien-Profi Andreas Brehme zur Seite. Schon die erste Ansprache rief babylonische Zustände hervor. Trapattoni wies auf das nötige Gleichgewicht von Angriff und Abwehr hin, Brehme übersetzte: "Männer, wir sind in der Vorbereitung - achtet auf euer Gewicht."

Ancelotti eilt der Ruf des Kosmopoliten voraus. In Madrid betreute der Welttrainer eine Weltelf mit Spaniern, Portugiesen, Franzosen, Walisern sowie den Deutschen Khedira und Kroos. An der Verständigung ist Ancelotti nicht gescheitert, eher an einem unverständigen Präsidenten. Und auch die Eingeborenen an der Säbener Straße sind ja nicht immer leicht zu verstehen.

FC Bayern München
:Xabi Alonso ist Ancelottis erste Personalie

Der FC Bayern spricht seine Zukunftsplanung bereits mit dem neuen Trainer ab - und erwartet eine unkompliziertere Zusammenarbeit als mit dem verschrobenen Genius Pep Guardiola.

Von Christof Kneer

Hier das nicht untypische Satzbeispiel eines für Sportfragen zuständigen Vorstandsmitglieds (Name der Redaktion bekannt): "Nicht ganz unproblematisch ist es dann für uns im Umgang sowohl, was die Kürze des Urlaubs betrifft, was dann wieder die Kürze der Vorbereitung betrifft, plus, dass man natürlich mal davon ausgehen muss, dass das physisch und psychisch extreme Kräfte gekostet hat." Da kann man nur staunen und mit Thorsten Legat ausrufen: "Ich kann das kommentarlos nicht beantworten, und was soll ich sagen? Ich wüsste mehr, wenn ich es wüsste, mehr nicht!"

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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