Skirennfahrerin Hölzl feiert Comeback:Das Jahr der Schmerzen ist vorbei

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Kathrin Hölzl hat geweint, sie hat geschrien vor Schmerzen - und kaum jemand hatte noch an ihre Rückkehr geglaubt. Jetzt endlich fährt sie wieder Skirennen. Doch vor der krankheitsbedingten Pause war Hölzl die beste Riesenslalomfahrerin der Welt, in Lienz ist schon die Teilnahme ein großer Erfolg für sie: Wenigstens ist "dieses Scheißjahr endlich vorbei".

Michael Neudecker, Lienz

Und jetzt? Wie ist es, wie fühlt es sich an? Ist man, wenn man nach zehn Monaten voller Schmerzen und Ungewissheit wieder ein Rennen bestritten hat, ist man dann, wenn man die Ziellinie überquert hat, ausgelaugt? Oder erleichtert? Glücklich?

Als wäre sie nie weg gewesen: Kathrin Hölzl beim Riesenslalom in Lienz. (Foto: imago sportfotodienst)

Kathrin Hölzl steht im Zielraum von Lienz, die Mittagssonne drängelt sich in den schmalen Streifen zwischen Tribünen und Rennpiste, Kathrin Hölzl hält in einer Hand ihre Ski, in der anderen ihre Stöcke, sie lächelt. Sie sagt: "Im Moment bin ich einfach nur fertig."

Sie ist gut gefahren im ersten Durchgang, der gerade zu Ende gegangen ist: Platz 21, für den zweiten Durchgang qualifiziert - mehr war nicht zu erwarten. Der Skirennfahrerin Kathrin Hölzl, 27, ist ja am Mittwoch geglückt, woran noch vor kurzem nicht mehr viele geglaubt haben, auch sie selbst nicht immer: Sie ist beim Weltcup-Riesenslalom in Lienz mitgefahren.

Bei einem Rennen starten, mit der Elite, unter Wettkampfbedingungen, das schien noch vor ein paar Monaten unerreichbar für Kathrin Hölzl. Seit sie im Februar bei der WM in Garmisch-Partenkirchen nach dem ersten Durchgang des Riesenslaloms solche Schmerzen hatte, dass sie sofort ihre Saison beendete, hat sie beinahe mehr Zeit mit ihren Ärzten als ihren Trainern verbracht.

Manchmal, hat Kathrin Hölzl vor zwei Monaten erzählt, hatte sie solche Schmerzen, dass sie schrie, und in dieser Phase, auch das hat sie gesagt, "habe ich so viel geweint wie schon lange nicht mehr".

Als das Rennen zu Ende ist, hat die Österreicherin Anna Fenninger gewonnen, Viktoria Rebensburg ist trotz eines beeindruckenden ersten Laufs Vierte geworden, weil sie einen Fehler im zweiten gemacht hatte, Maria Höfl-Riesch Zehnte. Sieger? Vierte? Zehnte? Egal.

Kathrin Hölzl wird derzeit im Verletztenstatus geführt, sie darf noch drei Mal ohne Wertung starten, so dass sie ihre gute Weltranglistenposition behalten kann. Sie war mal die beste Riesenslalom-Fahrerin der Welt, Disziplinbeste 2010, Weltmeisterin 2009, aber Resultate sind jetzt unwichtig für sie. Noch jedenfalls.

Nur: Ins Ziel wäre sie schon gerne gekommen. Sie ist gut in den zweiten Durchgang gestartet, aber sie kam von der Fahrlinie ab; es kostet Kraft, Abweichungen zu korrigieren. Kathrin Hölzl hat nur 15 richtige Trainingstage absolviert, die Umfänge im Athletiktraining sind zudem noch gering, es geht nicht anders.

Sie versuchte es zwei, drei Tore, "aber dann", sagt sie, "hatte ich keine Kraft mehr". Sie schwang ab, blieb bei den Trainern stehen, und als sie später im Ziel ist, da dauert es, bis sie sich gesammelt hat. Sie werde sich nun wieder ein paar Tage ausruhen, sagt sie, sie wisse nicht, wann sie das nächste Mal starten werde, vielleicht aber schon in Maribor in gut drei Wochen. Bald ist Silvester, guten Rutsch, sagt Kathrin Hölzl noch, und dann diesen Satz, der von ganz innen über ihre Lippen drängt: "Jetzt is' dieses Scheißjahr endlich vorbei."

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Leidensweg, das ist so ein Wort, das oft gebraucht wird, wenn Sportler lange verletzt waren; aber bei kaum einem beschreibt das Wort so gut die Zeit und das Erlebte wie bei Kathrin Hölzl. Sie hatte Muskelschmerzen, deren Ursache lange nicht entdeckt wurde, dabei wurden viele Untersuchungen gemacht, Kernspin, Spritzen, Kernspin, Spritzen, bis im Sommer eine Ärztin in Ansbach endlich ergründen konnte, was mit Kathrin Hölzl und ihrem Körper los war.

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Metabolische Mitochondriopathie, das war die Diagnose: eine Stoffwechselstörung, hervorgerufen durch eine nicht auskurierte Herzmuskelentzündung 2007. Die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, zerstörten sich sozusagen selbst. Dazu kam noch die Diagnose eines genetischen Defekts, ihr Immunsystem kann gewisse Antikörper nicht bilden. Ihr Körper, der so athletisch wirkt, so austrainiert, ist in Wahrheit so anfällig, dass sie einmal schon nach einer Blase am Zeh eine Blutvergiftung bekam.

Sie stellte ihre Ernährung um, machte eine Spritzenkur, verbrachte mehrere Monate ohne Sport. Nach und nach ging es ihr besser, und schließlich, Anfang November, begann sie mit dem Schneetraining. Und fühlte sich gut, "bis sie gesagt hat: Jetzt fahr' ich", erzählt Christian Schwaiger, ihr Trainer.

Er schüttelt den Kopf, schmunzelt. Er hat ihr ein paar schwierige Läufe in schwierigem Gelände gesteckt, in Hinterreit und auf der Reiteralm, "ich wollte mir ein Bild machen", sagt Schwaiger, er wollte sie nicht zu früh auf die Rennpiste lassen. Sie entschieden dann, dass es besser wäre, noch ein bisschen zu warten.

Christian Schwaiger ist seit fünf Jahren Techniktrainer beim Deutschen Skiverband (DSV), er hat schon viel Zeit mit Kathrin Hölzl verbracht, keiner im Trainerteam kennt sie so gut wie er. Ob es ihn überrascht hat, dass sie nun wieder fahren kann? Nein, sagt Schwaiger, schon bei den ersten Schwüngen habe man gesehen, dass sie nichts verlernt habe. Er überlegt, "eigentlich", sagt er, "kommt es mir vor, als sei sie nie weg gewesen."

Nur eines weiß Christian Schwaiger nicht: Wie Kathrin Hölzl mental damit umgehen wird, dass sie wieder dabei ist. Weil sie ja nicht irgendeine Fahrerin ist, sondern eine der Besten, und auch, wenn Schwaiger und die anderen beim DSV unermüdlich betonen, dass es keine Erwartungen gebe, keinen Druck, und auch, wenn Kathrin Hölzl selbst sagt, Zeit spiele keine Rolle: "Wenn sie da oben steht", sagt Schwaiger, "dann ist sie alleine: Nur sie und die Materie."

Seine Gedanken steuern, sich frei machen, auch das lernt ein Skirennfahrer nur, wenn er Rennen fährt. Natürlich ist er davon überzeugt, dass ihr das gelingen kann, "die Kathi ist in so was eine Bank", sagt Schwaiger, er blickt nach oben: Es wird schon werden.

Die Renntage von Lienz allerdings gingen zunächst nicht gut los: Am Dienstag, dem letzten Trainingstag, sollte Hölzl um 7.30 Uhr am Berg sein, Schwaiger hatte einen Lauf gesteckt für die Deutschen. Um 6.55 Uhr klingelte die Antidoping-Kontrolle bei ihr, fünf Minuten vor Ende des dafür vorgesehen Zeitfensters, und Hölzl kam zu spät zum Training, so spät, dass der Lauf schon zerfurcht war, ruppig, kaum noch zu fahren. "Das war nicht optimal", sagt Schwaiger.

Aber optimal: Was heißt das schon, bei Kathrin Hölzl.

© SZ vom 29.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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