Ski alpin:Dreßens verrückter Winter

Lesezeit: 3 min

Thomas Dreßen. (Foto: Cornelius Poppe/dpa)
  • Thomas Dreßen gewinnt die Abfahrt in Kvitfjell und holt seinen zweiten Weltcupsieg - noch kein Deutscher vor ihm hat bei zwei Abfahrten in einem Winter gesiegt.
  • Er siegt vor Olympiasieger Aksel Lund Svindal und Weltmeister Beat Feuz. "Das macht mich stolz", sagt der Oberbayer über seine Vorbilder.
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Von Matthias Schmid

Ja, vollkommen verrückt. "Das würde ich auch so sehen", gab Thomas Dreßen im Zielraum von Kjvitfjell zu, als er seinen ereignisreichen Winter beschreiben sollte. Er blinzelte, weil ihm die Sonne direkt ins Gesicht strahlte. Der deutsche Skirennläufer hat in diesem Winter die schönen Seiten eines Sportlerlebens kennen lernen dürfen, schnelle Zeiten, der erste Podestplatz, ja gänzlich irrsinnig erscheinende Siege wie der beim legendären Abfahrtsrennen auf der Streif in Kitzbühel.

Dass der 24-Jährige vom SC Mittenwald nun am Samstag auch in Kvitfjell, im Osten Norwegens, die Glückwünsche seiner Konkurrenten nach der Weltcup-Abfahrt entgegennehmen durfte, war keine Überraschung mehr. "Sein Sieg ist kein Zufall, weil Thomas einer der besten Abfahrer der Welt ist", sagte Aksel Lund Svindal über Dreßen. Der Norweger kann dessen famose Leistung sehr gut einschätzen, der 35-Jährige hat vor wenigen Wochen Gold in dieser Disziplin bei den Winterspielen in Pyeongchang gewonnen. Diesmal musste er sich hinter Dreßen und dem Weltmeister Beat Feuz aus der Schweiz als Dritter (0,17 Sekunden zurück) einreihen. Dreßen war am Ende 0,08 Sekunden schneller als Feuz, in Metern umgerechnet: 2,22.

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Als Dreßen später bei der Siegerehrung auf die höchste Stufe klettern durfte, staunte er über sich selbst, er blickte einmal so entrückt in die Ferne, als ob da irgendwo eine Erklärung finden könnte für das alles, was er selbst als verrückt einordnet. "Ich hätte ja mit vielem gerechnet vor dieser Saison", gestand er, "aber nicht damit, dass es so gut läuft und so locker von der Hand geht."

"Das war schon perfekt"

Manchmal wirkt der Oberbayer, der in Österreich lebt, in der Gesellschaft seiner hochdekorierten Kollegen Feuz und Svindal noch wie jemand, der in einem Preisausschreiben ein Treffen mit ihnen gewonnen hat: so bescheiden und ehrfürchtig tritt er auf. "Es macht mich extrem stolz, dass ich neben ihnen stehen darf", sagte Dreßen in Kvitfjell, "weil sie für mich immer Heroes, ja Vorbilder waren. Nicht nur skifahrerisch, sondern vor allem auch menschlich." Doch die beiden haben ihn schon länger als ernsthaften Konkurrenten auf ihrer Liste, der ihnen große Siege nicht nur streitig machen, sondern auch wegnehmen kann. "Beat und ich sind beide gut gefahren heute", fand Svindal, "aber Thomas hat die Kurven sauberer erwischt."

Vor allem in den letzten beiden vor dem Ziel nahm er so viel Geschwindigkeit mit, dass er auf den letzten Metern einen leichten Rückstand noch in einen leichten Vorsprung verwandeln konnte. "Das war schon perfekt", lobte sich Dreßen selbst. Er weiß, dass er ziemlich schnell Ski fahren kann. Aber dass seine Entwicklung vom Mit- zum Siegläufer so rasant verläuft, war nicht abzusehen. Vor einem Jahr hatte er in Kvitfjell zum ersten Mal ein Weltcuprennen unter den besten Zehn beendet, als Sechster stellte er sich damals in der Weltklasse vor. "Der Knoten", wie er sagte, ging aber nicht da auf, sondern schon wenige Wochen davor bei der Weltmeisterschaft in St. Moritz, wo er in der Abfahrt auf Rang zwölf landete. "Da habe ich gemerkt, dass ich mit den Besten mithalten kann", sagt Dreßen im Rückblick. Er war noch ein Lernender, ein Auszubildender im Weltcup, der noch nicht mal auf allen Strecken gefahren war. Die besonderen Tücken und Feinheiten lernte er aber schneller als andere, im Zeitraffer sozusagen.

Wie Beat Feuz lebt er von seinem besonderen Fahrgefühl, von seinem besonderen Gespür für die Hänge und Pisten. Er ist ein feinsinniger und zugleich furchtloser Fahrer, der früher ziemlich ungestüm ins Tal gerast ist. Der deutsche Cheftrainer Mathias Berthold hat ihn gelehrt, dass die geradeste Linie nicht immer die Ideallinie ist, dass man nicht jede Kurve mit vollstem Risiko fahren muss, um schnell zu sein. Bei seinem Sieg in Kitzbühel zum Beispiel ist er in den entscheidenden Passagen geschmeidiger und schlauer gefahren als seine Konkurrenten, nicht waghalsiger.

Um Dreßens Erfolge in diesem Winter besser einordnen zu können, muss man zurückschauen in die Geschichtsbücher seines Sports. In Markus Wasmeier und Josef Ferstl hat es bisher nur zwei deutsche Skifahrer gegeben, die ebenfalls zwei Weltcup-Siege in der Abfahrt erringen konnten, aber keiner von ihnen hat zwei in einem Winter gewonnen. Dabei schaut Dreßen noch nicht auf seine Karriere zurück, sondern steht erst noch am Anfang, in der Abfahrt entfaltet man meist seine ganze Schaffenskraft erst im Alter von 28 Jahren, seine besten Jahre liegen also noch vor ihm, wenn er frei von größeren Verletzungen bleibt.

Neben seiner Fähigkeit schnell Ski zu fahren, zeichnet ihn noch eine unverkrampfte Weltsicht aus. Er ist keiner, der angesichts seiner Erfolge zum Übermut neigen würde, zu viel hat er schon erlebt, dass Dreßen abheben könnte. Nachdem er bei den Winterspielen eine Medaille als Fünfter knapp verpasst hatte, war er es, der um mehr Realismus warb. Er könne sich auch über einen fünften Rang freuen, stellte er in Pyeongchang lächelnd fest. Da sei immer noch Weltklasse. Seine erfrischende und lockere Art wolle er sich bewahren, hebt Thomas Dreßen hervor, weil er weiß, "dass es wichtigere Dinge im Leben gibt". Seinen Vater hat er einst bei einem Seilbahnunglück verloren.

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