Ski alpin:Die Mauer zur Weltspitze eingerissen

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Josef Ferstl, der Sieger im Super-G. (Foto: Getty Images)
  • Josef Ferstl gewinnt im Super-G von Gröden - zuletzt hatte vor 27 Jahren mit Markus Wasmeier ein deutsche Skirennfahrer in der Disziplin gewonnen.
  • Der Sieg von Ferstl krönt den vorläufigen Aufstieg der deutschen Schnellfahrer. Vor vier Jahren hatten sie noch vor einer ungewissen Zukunft gestanden.

Von Johannes Knuth, Gröden

Zu den Bürgerpflichten eines Siegers im alpinen Skiweltcup zählt auch die Audienz im Pressezentrum, und wenn ein Fahrer zum ersten Mal ein Rennen auf seine Seite zerrt wie Josef Ferstl am Freitag in Gröden, wird dessen Vita schon mal genauer ausgeleuchtet. Ferstl erstattete also geduldig Auskunft über Wohnort (Waging am See), Familienstand (verheiratet, zwei Kinder), und dass Sepp Ferstl, sein Vater und 1978 und 1979 Sieger auf der mythenumwehten Streif in Kitzbühel, heute ein Tiefbauunternehmen betreibe. "Baggerfahren kann ich, einen LKW-Führerschein hab' ich auch", sagte Ferstl, "in der Richtung bin ich schon etwas begabt." Ansonsten sei er im Familienbetrieb eher außen vor, "wegen dem Skifahren halt".

Und damit wieder zum Skisport, der schon viele Sieger gesehen hat, aber wohl noch keinen wie den Tiefbau-Spross Josef Ferstl vom SC Hammer.

Seit 50 Jahren fahren sie in Gröden Weltcuprennen, kaum eine Piste bot derart launische Verläufe - vor allem dank des 3200 Meter hohen Langkofels, der die Piste mal vor der Sonne schützte, mal nicht, und so immer wieder Schnee, Thermik und Ergebnisse durcheinanderwarf. Die Deutschen trauten der Sache am Freitag also lange nicht, ehe Alpindirektor Wolfgang Maier das Ereignis irgendwann als "historisch" klassifizierte. Es war ja nicht nur Ferstls erster Sieg, es war auch der erste für die deutschen Schnellfahrer, seit Max Rauffer 2004 die Abfahrt in Gröden gewann. Ihr letzter Erfolg im etwas kurvigeren Super-G liegt sogar knapp 27 Jahre zurück, Markus Wasmeier gewann damals in Lake Louise. 27 Jahre?

Bei Olympia 2014 in Sotschi hatten die Deutschen gar keinen Abfahrer am Start

"Irgendwann", hatte Ferstl am Tag vor seinem Sieg gesagt, werde es bei ihm mal "rumms" machen, vielleicht in zwei Wochen, vielleicht in zwei Jahren. Aber dass er schon in Gröden auf die höchste Stelle des Podiums klettern würde? Er war zuletzt in Lake Louise unglücklich aus dem Skischuh gerutscht, hatte die Narbe einer alten Kreuzbandverletzung aufgerissen, in Gröden fuhr er mit Schmerzdämmern. Und seine Fahrt, mit Startnummer zwei, war gut, aber nicht die beste, das dachten sie zumindest im Ziel.

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Trotz eines Kreuzbandrisses hatte der Skirennfahrer überlegt, bei den Winterspielen anzutreten. Nach einer Operation am Freitag wird er aber monatelang ausfallen.

Ferstl hatte vor der eisigen Ciaslatwiese gebremst, die Favoriten wie Jansrud fuhren schneller hinein, doch dann trieb es den Norweger von der Linie, wie viele andere. Ferstl konservierte sein geringeres Tempo am besten, die Österreicher Max Franz (0,02 Sekunden zurück) und Matthias Mayer (0,10) rüttelten noch am heftigsten an seiner Zeit, auch Andreas Sander als Sechster (0,20). Ferstl hatte auch etwas Glück, dass sich nach seiner Fahrt Nebel und Schnee auf die Strecke legten (was den Super-G vorzeitig beendete), aber das schmälerte seinen Sieg nicht. Und so war dieser auch ein Erfolg für die Sparte der deutschen Speed-Fahrer, die vor vier Jahren so schlecht waren, dass sie im Deutschen Skiverband vor einer ungewissen Zukunft standen. "Es war", sagte Ferstl, "echt ein harter Weg."

Vor vier Jahren hatten die Deutschen keinen Abfahrer zu den Winterspielen gebracht, aber der Österreicher Mathias Berthold, der nach Sotschi die Männer übernahm, beteuerte, er würde das schon hinkriegen: dass sie sich im nächsten Olympiawinter um Podestplätze bewerben. Er versetzte Christian Schwaiger zu den Abfahrern, Schwaiger hatte zuvor vor allem Maria Höfl-Rieschs Potenzial gehoben. Berthold führte auch die Arbeit seines Vorgängers Karlheinz Waibel weiter, er förderte den Wissens- und Warenaustausch in vielen Sparten, dass die Abfahrer auch mal bei Felix Neureuther im Riesenslalom hospitieren. Menschen zusammenzubringen könne Berthold so gut wie kaum ein anderer, sagen sie im Weltcup.

Eine neue Herausforderung, das merkte Berthold bald, war der Kopf seiner Fahrer. Er engagierte einen Sportpsychologen, der helfen sollte, das Können der Fahrer auch im Stress des Wettkampfs zum Klingen zu bringen. Manchmal, erinnerte Berthold sich jetzt wieder in Gröden, wüssten seine Fahrer gar nicht, "wie gut sie sind": Andreas Sander, einst Juniorenweltmeister, Thomas Dreßen, der vor einem Jahr durchstartete, vor einer Woche als Erster der neuen Generation das Podest erklomm, in Beaver Creek. Und Ferstl, der 2007 in Garmisch im Weltcup debütierte und lange den Schatten des Vaters spürte.

"Pepi", sagt Berthold heute, sei "nett sensibel, sehr talentiert", aber bis er das Talent in hochwertige Ergebnisse überführte, habe es halt gedauert. "Ich war früher schon ein bisschen a Spitzbua", sagt er, er mache vieles nach Bauchgefühl, früher verpasste er da schon mal den Start. Fast. Vor zwei Jahren riss ihm in Santa Caterina das Kreuzband, aber er kletterte schnell in die Spitze zurück, auch, weil Sander und Dreßen mittlerweile einen Sog entfacht hatten, der sie alle in die Elite zog. Ferstl steckte auch die Stürze und jüngsten Todesfälle im Weltcup weg, "für mich war wichtig, dass man darüber geredet hat, wie es passiert ist", sagt er. Das habe ihm Sicherheit gespendet. Und dann, glaubt er, sei er auch zufriedener, seit er vor zweieinhalb Jahren Vater wurde; dass er den Sport wichtig nehme, aber auch nicht zu sehr. Der Spitzbua, sagt Zimmerkollege Sander, sei erwachsen geworden.

Sie wissen im DSV, dass sie jetzt nicht jeden Speed-Wettbewerb gewinnen werden, aber sie haben nach diversen fünften, achten und zwölften Plätzen nun die Mauer zu einer Welt eingerissen, die lange versperrt war (passenderweise durch den Baggerfahrer Ferstl). "Wir haben eine kleine Mannschaft, wir haben uns das alle miteinander erarbeitet", sagt Berthold. Und dass Josef Ferstl künftig vielleicht nicht mehr so sehr der Sohn von Sepp Ferstl ist. Sondern Sepp der Vater des ersten deutschen Super-G Siegers von Gröden.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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