Sieg gegen HSV:Bei den Bayern knarzen noch die Gelenke

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Jérôme Boateng musste am Spielfeldrand behandelt werden. (Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Den Bayern springen in Hamburg Bälle vom Fuß, missraten Pässe und entgleiten Duelle - am Ende reichte es dennoch für ein 2:1
  • Weil Jérôme Boateng vom Platz humpelt, beschäftigen die Münchner weiter Verletzungssorgen.
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Von Jonas Beckenkamp, Hamburg

Von seinen Anfängen als Fußballzwerg beim FSV Schneppenhausen bis in sein aktuell 49. Lebensjahr hat Bruno Labbadia der Welt Sätze geschenkt, die nachhallen. Geradezu visionär erscheint einem in Zeiten der sogenannten "Lügenpresse" sein Thesenklassiker, dass "von den Medien alles hochsterilisiert" würde. Ebenso zutreffend ist die Erkenntnis, dass "Trainer nicht die Mülleimer von allen" seien und man sich schließlich fragen müsse, ob man den schwierigen Weg eines Vereins mitgehe, oder ob es nicht besser wäre "irgendwann zu sagen: Am Arsch geleckt."

Das deutliche Wort liegt dem Bauchmenschen Labbadia sehr am Herzen, und so überraschte es in dieser klirrend kalten Hamburger Nacht nicht, dass am Ende der HSV-Coach die griffigste Pointe lieferte. "So ein Duseltor zum 1:2, das kotzt mich einfach an", polterte Labbadia, "das waren Dreckstore, die wir heute kassiert haben." Dusel, Dreck, Käse, Mist - diese Kausalkette lässt sich bekanntlich fortführen, wenn man Fußballtrainern, die gerade ein Spiel verloren haben, nur lange genug zuhört. Der FC Bayern wiederum hatte durch ebendiese Tore den Rückrunden-Auftakt mit 2:1 (1:0) gewonnen und es war den Beteiligten herzlich wurscht, unter welchen Umständen dieses Ergebnis zustande gekommen war.

Rückrundenstarts zählten zuletzt ja nicht zu den Erfolgsstories dieses sonst so siegverwöhnten Vereins. 2012 etwa erlebte man in Gladbach ein 1:3 und 2015 wackelte ein Mann namens De Bruyne die Münchner beim 1:4 in Wolfsburg ganz alleine aus. Diesmal lief es anders. Diesmal trotze der Meister allen Widrigkeiten, weshalb sich bilanzieren lässt: Auch wenn nach der Winterpause noch gehörig die Gelenke knarzen und ein wenig Dusel nötig war, hat das Jahr 2016 für die Bayern passabel begonnen. "Du musst nach der spielfreien Zeit sofort wieder da sein, und das ist uns gelungen", sagte Arjen Robben, der diesmal nur eingewechselt wurde.

Wenn Arjen Robben nur eingewechselt wird, ist das normalerweise ein Anlass für schlechte Laune beim Holländer, doch es sind besondere Tage beim Rekordmeister. "Im Dezember hatten wir nur 14 fitte Spieler zu Verfügung", meinte Thomas Müller, "da müssen wir jetzt froh sein, wenn einer nach dem anderen wieder zurück kommt." Noch immer fehlen Mario Götze, Franck Ribéry, Medhi Benatia oder auch Rafinha - und die Verletztenmisere reißt nicht ab. Diesmal trottete Jérôme Boateng vorzeitig vom Feld, eine "Muskelverletzung im Adduktorenbereich", wie es zunächst hieß. Auf dem Weg zum Teambus hinkte der Abwehrchef zumindest nicht, Untersuchungen sollen am Samstag folgen.

Trainer Pep Guardiola jedenfalls stimmte dieser neuerliche Ausfall nachdenklich - auf Nachfragen, ob die Bayern ein Problem mit der Häufung von Muskel-Wehwehchen hätten, reagierte er mit einem gereizten "Nein". Er räumte aber ein: "Ohne Jérôme haben wir ein Problem." Probleme hatten seine Männer auch sonst einige in dieser Partie. Etwa mit einem extrem widerspenstigen HSV, den der Dusel-Ankläger Labbadia so eingestellt hatte, dass viele weitere Bayern-Gegner sich ein Beispiel nehmen sollten: Die Offensivreihe um Pierre-Michel Lasogga, Nicolai Müller und Ivo Ilicevic piesackte die Münchner bereits an ihrem eigenen Sechzehner, dahinter gab Aron Hunt gegen Xabi Alonso eine Art persönlichen Aufpasser.

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Im Grunde entglitt den Hamburgern ihre Ordnung nur zwei Mal: Und diese beiden Szene führten prompt zu Gegentreffern. Erst erreichte ein feines Pässchen von Philipp Lahm den Räume-Ausspäher Müller so genau, dass HSV-Keeper René Adler den Nationalstürmer nur noch "ziemlich rabiat" (Müller) niederstrecken konnte. Den Elfmeter - es gab selten einen klareren - nutzte Robert Lewandowski zu seinem 16. Saisontor (37. Minute). Dann folgte jene Szene, die Labbadia zu seinem Drecksdusel-Diskurs animierte: Müller genoss ein wenig zu viel Platz in Strafraumnähe, er ließ einen völlig missglückten Volleyschuss los und traf damit Lewandowskis Fuß. Von dort kullerte die Kugel auf hundsgemeine Weise zum 2:1 ins Tor (61.), Saisontreffer Nummer 17 des Polen.

Dazwischen war die bayerische Behäbigkeit im Ausgleichstreffer des HSV kulminiert und es hatte tatsächlich kurzzeitig nach einem 1:1 ausgesehen. Ein Freistoß von Hunt aus der Kategorie "besonders tückisch" war an allen vorbeigesegelt, vorbei auch an Köpfen (Alonso), Fußspitzen (Lasogga) und ausgestreckten Armen (Manuel Neuer) - und in jener 53. Minute werden sie auch in Dortmund kurz noch einmal an ein ernsthaftes Titelrennen geglaubt haben. Nun ja. Für ein paar Minuten. Glanzvoll spielten die Bayern (bis auf den raketenschnellen Kingsley Coman) nicht, vieles wirkte pragmatisch. Am deutlichsten sprach die Probleme Kapitän Lahm an: "Defensiv war es ganz ordentlich. Aber spielerisch ist noch einiges verbesserungswürdig." Seine Betonung klang dabei eher so: "EINIGES".

Auf den Holperrasen des Hamburger Stadions waren ihm und seinen Kollegen zuvor Bälle vom Fuß gehüpft, Pässe missraten und Duelle entglitten. Aber die ersehnte "Leichtigkeit", so Thomas Müller, "lässt sich eben nicht immer zelebrieren." Manchmal heißt es frei nach Bruno Labbadia einfach auch: Am Arsch geleckt, Hauptsache gewonnen.

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