SG Sonnenhof Großaspach:Stammtischmannschaft träumt von der zweiten Liga

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Hotelier, Spielerberater, Promi-Ehemann: Uli Ferber (l., neben seiner Frau, der Sängerin Andrea Berg) gründete einst eine Stammtischmannschaft, aus der später die SG Sonnenhof Großaspach hervorgegangen ist. (Foto: imago)
  • Für die SG Sonnenhof Großaspach spielen nur Dreiviertelprofis.
  • Dennoch steht die Mannschaft auf Platz zwei in der dritten Liga.
  • Der Dorfverein will dennoch nicht vom Aufstieg träumen.

Von Benedikt Warmbrunn

Lange bevor er der Kapitän der Lieblingsmannschaft von Andrea Berg werden sollte, war Michele Rizzi ein junger Mann mit einem verlorenen Traum. Er war der beste Fußballer seiner Schule gewesen, er hatte alle Jugendmannschaften der Stuttgarter Kickers mit Leichtigkeit durchlaufen, aber dann, er war 22 Jahre alt, stand seine Karriere vor dem Ende, bevor sie richtig angefangen hatte. Sie wollten ihn nicht mehr bei den Kickers, damals ein Regionalligist. Rizzi wechselte zu einem Verein aus einem Dorf mit 8000 Einwohnern, er begann ein duales Studium, und obwohl er weiter in der Regionalliga spielte, sah es aus wie ein Schritt weg vom Profifußball.

Dreieinhalb Jahre später sind Rizzi und seiner neuer Verein der zweiten Liga so nah wie nie zuvor.

An diesem Freitag empfängt die SG Sonnenhof Großaspach, deren Kapitän Rizzi inzwischen ist, Dynamo Dresden; die Arena ist erstmals ausverkauft, 9751 Zuschauer kommen. Sie wollen das Spiel des Tabellenzweiten gegen den Tabellenersten der dritten Liga sehen.

Dass die SG nur ein Dorfverein ist, so sehen sie das eigentlich nur in der Gemeinde am Südrand der Löwensteiner Berge in Baden-Württemberg; es ist eine Bescheidenheit, die gerade jetzt, in diesen Wochen des sportlichen Erfolgs, vor großen Erwartungen schützen soll. Alle anderen, die auf den Verein schauen, sehen ein Milieu, in dem sich nationale und internationale Berühmtheiten wiederfinden, ein Milieu, das sich für einen Heimatfilm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eignen würde. Ein Milieu, geschaffen von Ulrich Ferber.

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Ferber, Betreiber eines Erlebnishotels in Kleinaspach, ist einer der großen Netzwerker des deutschen Fußballs, vor allem als Spielerberater, zu seinen Klienten zählen Mario Gomez, Joshua Kimmich oder Bernd Leno. Verheiratet ist er mit Andrea Berg, einer der erfolgreichsten deutschen Schlagersängerinnen; bekannte Titel: "Die Gefühle haben Schweigepflicht", "Warum nur träumen", "Du hast mich tausendmal belogen". Sein Netzwerk nutzt Ferber, um den Verein, der seine Wurzeln auch in einer von ihm 1976 gegründeten Stammtischmannschaft hat, bekannt zu machen. Gomez nennt sich einen Sympathisanten, Berg veranstaltet regelmäßig Konzerte in der Arena, diese Auftritte nennt sie dann: "Heimspiel". Singt sie nicht, ist sie manchmal auch bei Partien der SG in der Arena.

Doch gegen dieses Image, das nach Glamour, Geld und Leichtlebigkeit klingt, wehren sie sich im Verein. "Wir wissen, wo wir herkommen", sagt Thomas Deters, der Geschäftsführer, "wir kommen vom Dorf." Seiner Meinung nach lenkt das Image ab von dem, was den Klub eigentlich auszeichnet: Dass sich die Mannschaft, die zurzeit auf einem Aufstiegsplatz zur zweiten Liga steht, aus Dreiviertel-Profis zusammensetzt. Deters sagt: "Wir gehen einen Weg des zweiten Weges."

Großaspach hat einen Etat von 2,85 Millionen Euro, er verteilt sich, sagt Deters, auf 120 Sponsoren. Diese geben dem Verein Geld. Und den Spielern eine Arbeit. Kapitän Rizzi, 27, zum Beispiel wechselte vor vier Jahren nach Großaspach, weil er dort Fußball spielen, studieren und gleichzeitig in Ferbers Marketing-Agentur arbeiten durfte. Inzwischen hat er sein Studium beendet, er arbeitet bis zu 20 Stunden in der Woche nebenbei, erstellt die Stadionzeitschrift, betreut Sponsoren.

Dass die Mannschaft ein Parkplatz für junge, womöglich gescheiterte Spieler des Beraters Ferber sei, auch dagegen wehren sie sich im Verein. Rizzi betont, dass er nicht von Ferber beraten werde; betreut wird er von einem Mitarbeiter aus dessen Spieleragentur. "Wir suchen junge Spieler, die den Weg mit uns gehen wollen", sagt Trainer Rüdiger Rehm, "die kommen nicht zu uns, weil wir viel Geld bieten können, sondern weil wir der zweite Schritt in den Profifußball sein wollen." Und indem der Klub die Spieler an einen Arbeitgeber in der Region bindet, bindet er sie auch fester an sich. So erzählt Rizzi, dass er zehn Mitspieler hat, die er seit seinem ersten Tag in Großaspach kennt; er lobt das Gefüge in der Mannschaft. "Ich habe mich immer gefreut, in die Kabine zu kommen, sogar nach Niederlagen", sagt er.

Weil in der Kabine zuletzt meist die gute Stimmung eines Sieges herrschte, müssen sie sich in Großaspach inzwischen mit anderen Zielen auseinandersetzen; vorgenommen hatten sie sich den Klassenerhalt, dabei bleiben sie offiziell. Und falls das Team auf einem der beiden ersten Tabellenplätze bleibt? "Falls der Aufstieg eintreten sollte, werden wir bereit sein", sagt Trainer Rehm. In dieser Saison fordert er das nicht. Sie wollen aber nicht nur träumen, stellen sich lieber auf größere Herausforderungen ein. Zur nächsten Saison kann die Mannschaft auf einem eigenen Rasenplatz trainieren, bisher muss sie auf einen fremden ausweichen. Außerdem gibt es Pläne, die Haupttribüne zu erweitern. Irgendwann soll eine ausverkaufte Arena Platz für 15 000 Zuschauer bieten - Mindeststandard in der zweiten Liga.

Auch Rizzi, der einst nach Großaspach kam, weil sonst niemand mehr an ihn glauben wollte, will nicht ausschließen, einmal in der zweiten Liga zu spielen; im Verein wissen sie, dass er bei einem entsprechenden Angebot über einen Wechsel nachdenken würde. Im Sommer läuft sein Vertrag aus, am liebsten würde er bleiben. Er glaubt, dass auf diesen Dorfverein noch ein bisschen Ruhm wartet.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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