Schiedsrichter:Rote Karte für den Video-Chef

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Vom Platz gestellt: Hellmut Krug (mit roter Karte) ist nicht mehr Projektleiter Videobeweis. Abgelöst wird er von Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich. (Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Der DFB setzt nach heftiger Kritik am Einsatz der neuen Technik und nach persönlichen Vorwürfen den Projektleiter Hellmut Krug ab.
  • Lutz-Michael Fröhlich übernimmt vorerst das Amt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Am Sonntagabend hatte es für den Leiter des Projektes "Video-Assistent" zur Abwechslung mal wieder gute Nachrichten gegeben. Nach tagelanger Kritik an der Handhabung der Technik-Hilfe lief im Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und Hertha BSC (3:3) alles genau so, wie es sich die Beteiligten wünschen: Gleich zwei Mal wollte der Hauptschiedsrichter Robert Kampka einen irregulären Treffer für Wolfsburg geben - und beide Male bewahrte ihn ein Signal des Video-Assistenten Jochen Drees aus dem Kölner Schaltraum vor der Fehlentscheidung. Bessere Argumente für den Einsatz der Technik lassen sich kaum finden.

Doch es war nur ein kurzer Moment des Durchschnaufens für den Schiedsrichter-Funktionär und Video-Projektchef Hellmut Krug. Am Montagmittag beschloss eine Spitzenrunde des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) um Präsident Reinhard Grindel die Ablösung Krugs. Dieser bleibe zwar in dem Projekt engagiert, teilte der Verband mit, die Leitung übernimmt jedoch Lutz Michael Fröhlich, der Vorsitzende der Elite-Kommission der Schiedsrichter. Das Projekt werde "aufgrund der hohen Bedeutung für den deutschen Fußball und der jüngsten Irritationen in der Ausgestaltung zur Chefsache erklärt", hieß es.

Aus mehreren Gründen in die Kritik geraten

Krug, 61, war in den vergangenen Wochen gleich aus mehreren Gründen in die Kritik geraten. Zum einen gab es massive Vorwürfe gegen ihn sowie seinen Funktionärskollegen Heribert Fandel wegen ihrer Steuerung des DFB-Schiedsrichterwesens. Der Berliner Referee Manuel Gräfe prangerte dies zu Saisonbeginn im Berliner Tagesspiegel in einer ungewohnt offenen Form an; später erhielt er zumindest intern Unterstützung von Felix Brych, dem besten deutschen Schiedsrichter.

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Damit reagiert der Verband auf die schwerwiegenden Vorwürfe, Krug habe Einfluss auf Entscheidungen genommen. Der DFB gibt zudem grundsätzliche Probleme bei der Umsetzung des Videobeweises zu.

Vorwürfe wie Günstlingswirtschaft, Mobbing und Machtmissbrauch kamen auf, doch dies überstand Krug noch nahezu unbeschadet. Der DFB verhängte auf Empfehlung seiner neuen Ethikkommission nach einem überraschend schnellen Verfahren eine recht milde Strafe: Gemäß Entscheid vom Freitagabend musste Krug nur die Kommission der Elite-Schiedsrichter verlassen, Video-Chef sollte er im Grunde bleiben. Doch zudem gab es in den vergangenen Wochen auch viel Aufregung um Krugs Kernaufgabe: das Video-Projekt. Irritierende Entscheidungen auf dem Platz sowie die generelle Kommunikation zum Thema erzürnten selbst jene in der Branche, die im Kern für die Video-Unterstützung sind. Auch unter den Schiedsrichtern stieg die Verunsicherung. Die Frage, wann und in welcher Form die Technik-Hilfe zum Einsatz kommen soll, wurde in den zurückliegenden Wochen zunehmend unklar.

Das lag unter anderem an einem Schreiben der Schiedsrichter-Führung vom 25. Oktober, in dem den Vereinen mitgeteilt wurde, dass im Umgang mit dem Video-Assistenten eine Kurs-Korrektur stattgefunden habe. Entgegen dem ursprünglichen und stets kommunizierten Ansatz, dass der Video-Assistent allein bei klaren Fehlern des Hauptschiedsrichters zum Einsatz komme, hieß es plötzlich, dass dies nun auch bei streitbaren Situationen der Fall sei. Viele in der Branche waren irritiert; DFB-Boss Reinhard Grindel selbst griff ein und ordnete eine Korrektur der Korrektur an. Jetzt lautet die Sprachregelung, der Assistent werde nur eingeschaltet, "wenn in entscheidenden Szenen ein Wahrnehmungsfehler vorliegt".

Ein weiterer Vorwurf gegen Krug

Ob das wirklich für Klarheit sorgt, bleibt abzuwarten. Ein großer Meinungsaustausch aller Beteiligten soll die Lage wieder beruhigen. "Um die Akzeptanz des Projektes zu stärken, ist Transparenz in den Abläufen und Inhalten eine Grundvoraussetzung", sagte der neue Video-Chef Lutz Michael Fröhlich. Zur allgemeinen Unzufriedenheit war am Sonntag ein konkreter Vorwurf gegen Krug gekommen: Laut Bild am Sonntag soll er in seiner Funktion als Supervisor in der Video-Zentrale seine Kompetenzen überschritten haben. Ein Supervisor soll dort alles beobachten und nachher Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Aber just beim Spiel Schalke gegen Wolfsburg (1:1) am 10. Spieltag habe der gebürtige Gelsenkirchener Krug zweimal den eigentlichen Video-Assistenten Marco Fritz überstimmt, hieß es - jeweils zugunsten von Schalke. Beide Szenen waren strittig. Krug bestreitet, eingegriffen zu haben. Seinen Job war er am Montag trotzdem los. Ein Dementi des Vorwurfs brachte der DFB in seiner Pressemitteilung nicht unter. Stattdessen teilte er mit, dass die Supervisoren künftig "keine direkte Kommunikation mehr mit den Video-Assistenten haben werden".

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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