Schalker 3:2 gegen Wolfsburg:Mit Kirmesfußball über die Ziellinie

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Eric-Maxim Choupo-Moting traf gegen Wolfsburg doppelt. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Ein Spiel, das keiner so schnell vergisst : Der VfL Wolfsburg lädt Schalke 04 früh zum Toreschießen ein, es steht 3:0 - doch dann beginnt das Zittern. Viele Fehler auf beiden Seiten führen am Ende zu einem knappen Erfolg der Gelsenkirchener.

Von Milan Pavlovic, Gelsenkirchen

Der VfL Wolfsburg belegt weiter den ersten Platz hinter dem FC Bayern. Das ist an sich eine gute Nachricht für die Niedersachsen. Aber an diesem Wochenende dürfte das für den Werksklub kein Trost sein sein. Beim FC Schalke 04 setzte es die fünfte Niederlage im Ruhrpott in Serie - diesmal gab es nach einer spektakulären, kuriosen, intensiven Partie ein 2:3 (1:3), wobei die Wolfsburger beinahe noch einen 0:3-Rückstand aufgeholt hätten.

Die Schalker traten extrem defensiv an: Gegen das Wolfsburger Angriffspotenzial setzte Trainer Roberto Di Matteo eine Fünferkette, quasi mit drei Innenverteidigern (Neustädter gesellte sich zu Santana und Höwedes), um den Wirbel von Kevin De Bruyne zu verhindern. Trotzdem, nicht einmal eine Minute war gespielt, als die Gäste erstmals im Schalker Strafraum vorstellig wurden. Doch Ivica Olic versprang der Ball in aussichtsreicher Position am Fünfmeterraum. Während sich die Gäste das unerwartete Schalker Defensivkonzept betrachten und nach Lücken im Deckungsverbund suchten, erfreuten sich die Gastgeber an Freiräumen in der Offensive.

Modernes Mittelfeldspiel fand zwar selten statt, aber wenn der Ball durch die erste Wolfsburger Linie kam und die Kugel dann auch noch kontrolliert werden konnte, wurde es gleich gefährlich. In der zehnten Minute blickte Marco nach links und rechts, wunderte sich über den Anstand der Grün-Weißen, er hätte womöglich noch einen Kaffee bestellen und schlürfen können, so frei war er. Doch er entschloss sich zu einem 20-Meter-Pass auf den mindestens ebenso freien Eric-Maxim Choupo-Moting, der halblinks in den Strafraum eindrang und entschlossen mit links in entfernte Eck traf.

Die vielgelobten Wolfsburger waren über das 0:1 merklich irritiert. De Bruyne, der zuletzt überragende Spielgestalter, versuchte alles, um in diese flotte Partie hineinzufinden. Er lief links, rechts, näherte sich durch die Mitte, ließ sich zurückfallen, legte seinen watscheligen Schleicher-Gang ein, stürmte dann in die Spitze, legte ab. Aber ohne Effekt. Symptomatisch die Szene in der 15. Minute, als er Neustädter links im Strafraum vernaschte, doch seine Flanke ins Toraus schlug. Drei Minuten später konnte Schalkes Rechtsverteidiger Uchida einen Steilpass nicht stoppen, Perisic drang allein in den Strafraum ein, spielte den Ball aber lieber quer statt den Torschuss zu wagen, Ivica Olic rutschte vorbei.

Die Schalker waren ungleich effektiver. Santanas undankbaren Pass aus der Deckung legte sich Kevin-Prince Boateng mit dem Kopf selbst ab, lupfte den Ball mit dem rechten Außenrist in den Lauf von Choupo-Moting vor. Der ließ den hinter ihm hereilenden Träsch ins Leere grätschen und schob den Ball überlegt rechts unten ins Eck. Die zweite Schalker Chance brachte also das 2:0 (22.). Keine drei Minuten später stand es 3:0 - und das Kuriose war: Die Gastgeber brauchten dafür nicht mal eine Chance. Christian Fuchs, der zuletzt oft gescholtene Linksverteidiger schlug einen Freistoß aus dem Halbfeld. Der senkte sich nach einem Bananenflug kurz vor dem Fünfmeterraum rapide. Doch statt den Ball lässig aufzunehmen, lenkte ihn Diego Benaglio ins eigene Tor. Schalke führte, weil die Wolfsburger es ihnen leicht machten.

Der VfL ließ sich aber keineswegs fallen, die Mannschaft spielte und kombinierte weiter, als stünde es 0:0. Die Aktionen sahen gefälliger und durchdachter aus, und die Schalker ließen ihnen die Gelegenheit zu Torabschlüssen. Naldo (26.) und Olic (29.) köpfelten über das Tor, ein Fernschuss von Guilavogui strich knapp über die Latte (31.). Und nachdem die Schalker eine gute Konterchance verdaddelt hatten, wurde das bestraft. Der vor seiner Verletzung nicht immer sichere Innenverteidiger Felipe Santana eröffnete den Gäste mit einem unkoordinierten Zuspiel eine weitere Angriffschance (37.).

Über links kam der Ball zu Ivan Perisic, der Neustädter überlief, aus spitzem Winkel schoss. Fährmann konnte den Ball zwar ablenken, allerdings genau auf den Fuß von Olic, der kaum noch anders konnte als zu treffen. Kurz darauf gab die Halbzeit den Gästen die Gelegenheit, diese kuriosen 45 Minuten zu reflektieren. Das Chancenverhältnis betrug 2:5, der Spielstand aber 3:1.

Nach der Pause versuchten es die Wolfsburger mit noch mehr Offensivkraft, Trainer Dieter Hecking wechselte den ehemaligen Bremer Aaron Hunt für Christian Träsch ein. Nun wollten die Gäste noch mehr angreifen - schließlich schien noch lange nichts verloren.

Als bei einem Freistoß alle mit einem Geschoss von Naldo rechneten, schnippelte Perisic den Ball aus 20 Metern links neben das Tor (55.). Einem Kopfballtor von Olic wurde die Anerkennung versagt (57.), weil der Kroate erstens im Abseits stand und zweitens Santana geschubst hatte. Also trieb Hecking sein Team weiter nach vorne, brachte Malanda für den mitunter leichtfertigen Guilavogui (63.). Vierinhas gewaltiger Fernschuss überraschte Fährmann ein wenig, schlug aber einen Meter neben dem Tor in die Werbebande (68.). Von den Gastgebern kam in dieser Phase - nichts. Zumindest nichts Brauchbares - und so zog Hecking sein letztes Ass, Nicklas Bendtner. Dem fiel der Ball nach einem missglückten Klärungsversuch von Höwedes und Santana schussgerecht vor den rechten Fuß. Der Däne freute sich über die Geschenke und tunnelte Fährmann mit seinem harten Schuss zum 3:2 (74.).

Nun war es also doch die Nervenpartie, die nach dem 3:0 nur notorische Schalke-Skeptiker noch für möglich gehalten hatten. De Bruyne bediente mit einer flachen Ecke den herrenlosen Vierinha, doch Portugiese schickte den Ball hoch über das Schalker Gehäuse (79.). Danach gab es etwas Entlastung für die Schalker, die in der 82. Minute zu ihrem ersten, na ja, Torschuss der zweiten Halbzeit kamen: Flanke Santana, Kopfbällchen Höwedes aus vier Metern direkt in die Arme von Benaglio. Auch danach hatte das Spiel etwas von Kirmesfußball. Uchida scheiterte in der Nachspielzeit frei vor Benaglio - und im Gegenzug setzte Naldo einen Kopfball an die Oberkante der Latte (90.+2). Danach war Schluss mit Rummel, Schalke gewann mit äußersten Glück mit 3:2. Wolfsburg wird sich, bei allem Talent, nicht ganz oben festsetzen, wenn es solche Partien verliert. Der einzige Trost: Es geht nicht jedes Wochenende zu Schalke 04.

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