Schalke-Trainer Roberto Di Matteo:Neue Mystik im Pott

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Der Neue ist da: Roberto Di Matteo. (Foto: dpa)

Wer ist dieser Mann? Roberto Di Matteo vermittelt den Eindruck, als wüsste er, worauf er sich als neuer Trainer von Schalke 04 eingelassen hat. Auf den Gewinn der Champions League mit dem FC Chelsea will er sich nicht reduzieren lassen.

Von Sebastian Fischer, Gelsenkirchen

Nach 18 Minuten nahm Roberto Di Matteo den ersten großen Schluck aus seiner weiß-königsblauen Kaffeetasse. Nach 34 Minuten nahm er den zweiten. Kameras blitzten, er posierte im maßgeschneiderten schwarzen Anzug und schwarzer, mit goldenen Punkten versehener Krawatte auf weißem Hemd vor der bunten Sponsorenwand. Dann verschwand er durch einen Seitenausgang aus dem Pressezimmer in den Katakomben der Schalker Arena. Er ging einen sicheren Gang, doch er schien zu schweben. Und hinterließ eine mystische Aura.

Wer ist dieser Roberto Di Matteo? Wieso ist er zwei Jahre nach seinem letzten Engagement in der englischen Premier League beim FC Chelsea ausgerechnet in Gelsenkirchen wiederaufgetaucht? Und wie will er es schaffen, die Aufgabe zu meistern, dieser aus vielen schwierigen Charakteren zusammengestellten Mannschaft des FC Schalke 04 Konstanz zu vermitteln?

Am Mittwochnachmittag wurde Roberto Di Matteo offiziell als Nachfolger von Jens Keller vorgestellt, er sollte diese Fragen eigentlich beantworten. Doch mehr als seine Antworten sagte ein eindrucksvoller Hinweis, der gar keine Worte benötigte. Sein Blick. Di Matteos Vorgänger Jens Keller hatte meist traurig ausgesehen, oft sogar nach Siegen. Di Matteo schaut anders, aber er fängt ja auf Schalke auch erst an: ernsthaft und verspielt zugleich, als wäre Unsicherheit ihm fremd.

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Der Blick täuschte am Mittwoch darüber hinweg, dass Di Matteo seit seiner Entlassung beim FC Chelsea im November 2012 eigentlich zwei Jahre lang nichts getan hat, was ihn für den schwierigen Job bei Schalke und für die Wertschätzung des Sportdirektors Horst Heldt hätte empfehlen können.

"Ich wollte eine Pause machen", sagte Di Matteo über die zwei Jahre, in denen von ihm wenig zu hören und zu sehen gewesen war. Er habe viele Kurse besucht, "einen für Leadership, einen für soziale Medien", außerdem Bücher gelesen, Fußball geschaut. Und? Nichts und. Roberto Di Matteo grinste. Es waren keine Fragen mehr offen.

Natürlich hat der frühere italienische Nationalspieler auch als Trainer etwas vorzuweisen, immerhin den größten Triumph, der einem Vereinstrainer gelingen kann, den Gewinn der Champions League mit dem FC Chelsea 2012. Doch gerade auf diesen Erfolg, das betont er ausdrücklich, will er nicht reduziert werden. Vor allem, weil er den Finalerfolg gegen den optisch überlegenen FC Bayern damals mit zerstörerischem Defensivfußball erreichte.

"Meine Mannschaften", sagte er, "haben immer viele Tore geschossen." Neben dem FC Chelsea hat Di Matteo bislang nur einen Erstligisten trainiert, den Premier-League-Klub West Bromwich Albion (2009 bis 2011). Bei seinem neuen Team will er aber am anderen Ende des Spielfelds mit der Arbeit beginnen: "Es ist eine gute Mannschaft, die nach vorne viel Potenzial hat, aber in der Defensive einige Probleme", sagte er: "An der defensiven Organisation müssen wir arbeiten."

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Di Matteo kennt das Risiko auf Schalke

Weit mehr als die Schwächen einzelner Mannschaftsteile war seinem Vorgänger Keller nach 22 wechselhaften Monaten als Schalker Trainer jedoch am Ende ein gestörter Dialog mit Teilen der Mannschaft zum Verhängnis geworden. Di Matteo sagt: "Ich kommuniziere viel mit den Spielern. Ich glaube nicht, dass es so schwierig wird. Ich kann die Mentalität der Spieler verstehen." Zur Prüfung dieser These hat er sich den passenden Arbeitsplatz ausgesucht.

Keine zwei Wochen hat er jetzt für die Vorbereitung auf das nächste Ligaspiel gegen Hertha BSC Zeit. Zunächst, so Di Matteo, wolle er den Spielern wieder Selbstvertrauen vermitteln, ihnen die taktische Balance beibringen, die Schalke nach nur zwei Siegen in elf Pflichtspielen fehlt. Am Mittwochmorgen hatte er sich der Mannschaft vorgestellt, Di Matteo habe ein paar Spieler beiseite genommen, erste Einzelgespräche geführt, berichtete Heldt. Am Donnerstag will Di Matteo mit seinem Co-Trainer Attilio Lombardo und Torwarttrainer Massimo Battara die erste Einheit leiten.

Und wenn es nicht klappt? Wenn Di Matteo eine längere Anlaufzeit braucht, wenn die Fans unruhig werden, wenn die Kritik am Team nicht abebbt? "Ich glaube, es hat in hundert Jahren noch niemand geschafft, auf Schalke das Umfeld zu beruhigen. Aber damit kann man umgehen", sagte Di Matteo, dieser weit gereiste Mann mit italienischem und Schweizer Pass, der sechs Sprachen spricht, auf Deutsch. Es ist immer hilfreich, früh zu wissen, worauf man sich einlässt.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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