Roberto Di Matteo auf Schalke:Liebhaber der Fleißarbeit

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Roberto Di Matteo: Ist wählerisch und weiß genau, was er will (Foto: dpa)

Präzise wie ein Schweizer, elegant wie ein Italiener: Roberto Di Matteo verkörpert Eigenschaften, die Schalke 04 gut gebrauchen kann. Auch der Umgang mit russischen Oligarchen ist ihm nicht fremd.

Von Birgit Schönau, Rom

Roberto Di Matteo ist in Schaffhausen geboren. Er spricht Deutsch, auch den Dialekt vom Oberrhein, aber als Schweizer hat er sich nie gefühlt. Als der dortige Fußballverband ihn drängte, den Schweizer Pass zu erwerben und ihm eine große Karriere als Nationalspieler ausmalte, lehnte Di Matteo dankend ab. "Ich hatte schon entschieden", sagte er später. " Ich wäre Italiener geblieben, auch wenn ich mich als Arbeiter hätte durchschlagen müssen. Ich hätte in der Fabrik gearbeitet, nur um nach Italien zurück zu kehren." Jetzt landet er also in Gelsenkirchen. Das passt jedenfalls insofern, als das Ruhrgebiet so ziemlich das Gegenteil der Schweiz ist.

Die Familie des 44-jährigen Di Matteo stammt aus dem Ort Paglieta, Provinz Chieti, in der Hügellandschaft der Abruzzen. Dort gibt es 4500 Einwohner, einen Corso, eine Piazza und vier Kirchen. Außerdem gibt es in Paglieta 63 Telefonbucheinträge mit dem Namen Di Matteo. Ungefähr genauso viele Di Matteos sind, wie die Eltern des neuen Schalke-Trainers, ins Ausland emigriert, weil sie in den schönen, aber eben auch abgelegenen Abruzzen keine Arbeit fanden.

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Auch der künftige Ferrari-Boss und amtierende Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne, der als Emigrantenkind in Kanada aufwuchs, kommt aus der Provinzhauptstadt Chieti. Abruzzesen gelten als eigenwillige, bisweilen sture Typen, die sich andererseits durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Die Westfalen Italiens, längst sind sie überall.

Als Champions-League-Sieger 2012 ist Di Matteo wählerisch

Dass er sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, hat Di Matteo einen der größten Erfolge verschafft, die ein Trainer überhaupt erringen kann: 2012 gewann er mit dem FC Chelsea die Champions League - in München, gegen den FC Bayern. Eine Mannschaft, die eigentlich keine Mannschaft mehr war, spielte, instruiert vom Italo-Schweizer auf der Bank, eher unansehnlichen, aber sehr effizienten italienischen Verteidigungsfußball und vermasselte den Bayern so das Finale dahoam. In seinem erst vierten Jahr als Vereinstrainer stand Di Matteo also ganz oben.

Dabei war er von seinem alten Klub Chelsea, wo seine 119 Einsätze als Spieler zwischen 1996 und 2002 in bester Erinnerung geblieben waren, erst im Sommer zuvor als Assistenztrainer von André Villas-Boas angeheuert worden. Im März 2012 durfte er auf den Chefsessel, Villas-Boas war gefeuert worden, und Di Matteo war die Notlösung. Er sollte die Saison irgendwie zu Ende bringen, und man kann sagen, er hat das Beste daraus gemacht: Neben der Champions League holte er auch den FA-Cup.

Schon im folgenden November musste er wieder gehen, nach einem 0:3 gegen Juventus Turin. Ausgerechnet der italienische Rekordmeister wurde Di Matteo also zum Verhängnis, aber das war wohl Zufall - Roman Abramowitsch wollte ohnehin einen Coach, der mehr hermachte. Der Spanier Rafael Benitez kam, siegte auch nicht, ging wieder. Roberto Di Matteo aber fand keinen neuen Klub.

Er ist wählerisch, er weiß genau, was er will; und als Champions-League-Sieger hat er so manches Jobangebot als unter seiner Würde betrachtet. Er war als Schweizer Nationaltrainer im Gespräch und vorübergehend sogar ein Kandidat für die Squadra Azzurra, in der er selbst von 1994 bis 1998 spielte, als Mittelfeldkollege des aktuellen italienischen Nationaltrainers Antonio Conte. Seine Trainer waren Arrigo Sacchi und Cesare Maldini, bei Lazio Rom (1993 - 1996) wurde Di Matteo von Dino Zoff trainiert und später von dem rätselhaften Tschechen Zdenek Zeman, einem Guru des schönen Spiels unter Radikalverzicht auf eine Hintermannschaft.

Der Mann hat also einiges erlebt, inklusive zwischenmenschlichem und vor allem geschäftlichem Kontakt mit russischen Oligarchen. Auch das könnte ihn Schalke-kompatibel machen. Er liebt London, das natürlich auch Ecken hat wie Gelsenkirchen, er liebt die präzise, ja: perfekte Vorbereitung, überhaupt die Fleißarbeit. Seine italienischen Vorgänger in der Bundesliga heißen Giovanni Trapattoni und Nevio Scala. Wie sie pflegt Di Matteo das Pragmatische, allerdings mit italienischer Eleganz und der typischen Schweizer Detailverliebtheit. Schalke kann jede dieser Eigenschaften nur gut tun.

© SZ vom 08.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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