Schalke 04:Warum Schalke 04 keine Millionen für Joel Matip kassiert

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Freut sich auf Premier-League-Fußball: Joel Matip, 24. (Foto: Michael Probst/AP)
  • Joel Matip, der schon seit seiner Jugend bei Schalke 04 spielt, verlängert seinen Vertrag nicht und wechselt im Sommer ablösefrei zum FC Liverpool.
  • Der Verein hat in den Wirren der Vorsaison die Vertragsgespräche mit Matip vorzeitig beendet, dadurch entgeht Schalke eine enorme Ablösesumme.
  • Ärger mit den Fans wie bei den Wechseln von Manuel Neuer und Julian Draxler droht jedoch nicht.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Im späten Frühling des vorigen Jahres herrschte am Ernst-Kuzorra-Weg in Gelsenkirchen eine Stimmung wie damals im Ägypten des Pharaos, als der Herr die zehn Plagen über das Land brachte. Es gab zwar keine Heuschreckeninvasion, und das Wasser im Rhein-Herne-Kanal verwandelte sich auch nicht in Blut, trotzdem breitete sich in gewissen Gremien des FC Schalke 04 Panik aus.

Ein medizinischer Fachbegriff dieses Gemütszustandes liegt nicht vor, es genügt, ihn als Schalker Schwarzmalerei zu bezeichnen. Eine Folge dieser schweren Geisteseintrübung machte sich am Montag am Trainingsplatz bemerkbar: Joel Matip, 24, Schalkes führender Innenverteidiger, gab bekannt, dass er zur nächsten Saison ein Engagement beim FC Liverpool angenommen hat.

Horst Heldt sagte, er habe "einen Kampf geführt"

Schon als Neunjähriger war Matip dem Verein beigetreten, nun läuft sein Vertrag aus, und er wechselt ablösefrei nach England, wo er sich für vier Jahre verpflichtete. Auch Jürgen Klopp, Liverpools Trainer, trug im Hintergrund zu dieser Entscheidung bei. Er wolle "etwas ganz Neues kennenlernen", sagte Matip, der seit November 2009 bei den Schalker Profis spielt. Er bestritt insgesamt 239 Pflichtspiele.

Der Zusammenhang zwischen der Stimmungskrise im Vereinsheim und dem Verlust des wertvollen Abwehrspielers ist zugegebenermaßen etwas bemüht. Er spielt aber eine wichtige Rolle in diesem Vorgang. Einerseits ist es normal, dass ein Fußballer, der zeit seines Lebens demselben Klub angehört hat, die Chance ergreift, in einem anderen Klub in einer anderen Liga und einem anderen Land zu spielen. Schalkes Manager Horst Heldt erklärte, er habe im Bemühen um die Vertragsverlängerung mit Matip zuletzt "einen Kampf geführt, den man nicht gewinnen konnte - er will einfach etwas anderes machen". Andererseits darf es Schalke aber nicht passieren, einen so begabten und begehrten Spieler ohne angemessene Entschädigung zu verlieren. Da der Preis für gute Innenverteidiger in der jüngsten Zeit sprunghaft gestiegen ist, ist es nicht verwegen, Matips Börsenwert auf 15 oder sogar 20 Millionen Euro zu taxieren.

So dürfen sich die Vertreter des Schalker Aufsichtsrates gleich doppelt ärgern: Über den Verlust eines erstklassigen Spielers aus dem eigenen Nachwuchs. Und darüber, dass sie in jenen späten Frühlingstagen des vorigen Jahres einen Fehler begingen, als sie sämtliche laufenden Vertragsgespräche stoppten - darunter auch die mit Joel Matip und dessen Berater Alex Schütt.

In der allgemeinen Aufregung über die sportliche Krise unter dem damaligen Trainer Roberto Di Matteo hatten die Aufsichtsräte entschieden, dass der Schalker Profikader erst mal einer Inventur unterzogen werden müsse, bevor neue Tatsachen geschaffen würden. Als Heldt die Gespräche mit Matip im Sommer wieder aufnehmen wollte, erklärte dessen Berater, vorerst nicht mehr verhandeln zu wollen. Der Zug war abgefahren.

"Die Leute werden das akzeptieren"

Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies kündigte neulich an, das Gehaltsangebot für Matip massiv erhöhen zu wollen - von verdoppeln war die Rede -, aber damit ließ sich der Umworbene nicht mehr locken. Den Lohn, den Liverpool künftig bezahlt, kann Schalke ohnehin nicht bieten - ganz zu schweigen von einem mehrere Millionen Pfund schweren Handgeld. Heldt versicherte jedoch, es sei in den Gesprächen mit Matip weniger ums Geld gegangen als um sportliche Themen. So verlässt nach Mesut Özil, Manuel Neuer und Julian Draxler wieder ein prominenter Schalker Internatsschüler das Haus.

Ärger in der Fankurve wie bei Neuer und Draxler werde es diesmal aber nicht geben, meint Heldt: "Die Leute werden das akzeptieren. Er wechselt nach Liverpool - nicht zu den Bayern oder nach Wolfsburg." Ob Schalke im Sommer Ersatz engagiert, darüber wird Heldt wohl nicht mehr entscheiden, sondern sein Nachfolger Christian Heidel. Aber Vorsorge ist getroffen: Nationalspieler Benedikt Höwedes, auch ein Schalker Internatsschüler, verlängerte in der Vorwoche seinen Vertrag ohne Klausel und Hintertür bis 2020.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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