Sonntagspiele in der Bundesliga:Vier Schalker Tore in 33 Minuten

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Verrückter Fußballnachmittag in Mainz: Erst spielt Mainz 05 wie ein Spitzenteam und führt schnell 2:0. Dann wechselt Coach Ralf Rangnick geschickt, Schalke dreht die Partie und gewinnt. Hannover 96 hingegen vergibt nicht nur den Sieg gegen Hertha BSC Berlin, sondern auch die Tabellenführung.

Philipp Selldorf, Mainz

Mehr als drei Monate hat Raúl kein Interview mehr gegeben, was sein gutes Recht ist, aber auch zum Problem wurde, weil die Beobachter anfingen, mangels Worten sein Mienenspiel und seine Gesten zu deuten. Zuletzt brachte die Exegese seines sparsamen Torjubels beim Spiel gegen Köln die Meinung hervor, dass Raúl keine Lust mehr habe auf Schalke 04.

Torschütze zum zwischenzeitlichen Ausgleich: Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes. (Foto: AFP)

Diesen Interpretationen hat er jetzt im Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur EFE widersprochen. Er bekannte sich zum Treffer gegen Köln ("un gol estético", ein ästhetisches Tor) und versprach, seinen Vertrag zu erfüllen. Er lobte die Arbeit mit Trainer Ralf Rangnick ("gut, korrekt, professionell") und blickte zufrieden auf die erste Bundesligasaison zurück: "Es gibt Fotos meines Lebens in Schalke, die jetzt schon zu den besten meiner Karriere gehören, obwohl ich erst ein Jahr hier bin."

Bei seinem Auftritt mit Schalke gegen den FSV Mainz sind interessante Bilder zweier völlig verschiedener Halbzeiten entstanden. Die erste Hälfte erlebte ein elegisches Schalke, das von energischen Mainzern beinahe deklassiert wurde. Während der zweiten 45 Minuten trugen dann aber auch Raúl und Mitspieler zu einer ergreifend spannenden Bundesligapartie bei. Aus dem 0:2-Rückstand wurde ein 4:2-Sieg, erstmals seit vier Jahren gelang es den Schalkern wieder, ein Bundesliga-Spiel nach Rückstand zu drehen.

Noch bevor das Spiel richtig begonnen hatte, schien es schon entschieden zu sein. Beim schnittigen Freistoß von Stieber bewegten sich nur die Mainzer Angreifer zum Ball, die Schalker Hintermannschaft schaute zu, Ivanschitz profitierte mit dem Schuss zum 1:0 (8.). Bei Schalke brach sofort flächendeckend Unruhe und Unordnung aus, und nun leistete auch der bisher unbescholtene Torwart Fährmann einen Beitrag zur Panikstimmung, den Fernschuss von Allagui boxte er vor die Füße von Soto - 2:0 (12.).

Die Führung erlaubte den Mainzern, ihr Tempo zu reduzieren. Den Schalkern nutzte das wenig, Mittelstürmer Huntelaar hatte seine besten Szenen, wenn ihm ein Rückpass gelang; auf dem linken Flügel überboten Jurado und Fuchs einander mit Ballverlusten. So waren die Mainzer trotz Unsicherheiten in der Defensive durch ihre rasend vorgetragenen Konter dem dritten Tor näher als die scheinbar das Spiel kontrollierenden Schalker.

Das Bild änderte sich in der zweiten Hälfte, als Farfán die Arbeit auf dem rechten Flügel übernahm und Draxler links den Jogger Jurado ersetzte. Plötzlich bekam Schalke Tempo, und für den Mainzer Torwart Müller wurde es aufregend. Huntelaar (57.) und Höwedes (62.) nutzten zwei der zahlreichen Chancen zum Ausgleich. Joal Matip (82.) traf aus dem Gewühl, wieder nach der Schalker Eckbälle - und der ehemalige Mainzer Christian Fuchs krönte die Schalker Vier-Tore-Halbzeit mit einem direkt verwandelten Freistoß. (Text: Philipp Selldorf)

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Am Ende fühlten sich die Europapokal-Helden von Hannover 96 um die erste Tabellenführung seit 1969 betrogen. Wild gestikulierend redete Trainer Mirko Slomka nach dem Abpfiff auf Schiedrichter Robert Hartmann aus Wangen ein, der den Treffer der Niedersachsen zum möglichen Heimerfolg in der 89. Minute wegen eines angeblichen Foulspiels nicht anerkannt hatte.

Jubel über das 1:0: Sergio Pinto und Hannover 96. (Foto: dapd)

"Ich kann kein Foul sehen, da kann ich mir das noch sechsmal anschauen", klagte auch Sportdirektor Jörg Schmadtke nach dem 1:1 (1:0) gegen Aufsteiger Hertha BSC Berlin. Und selbst Gäste-Coach Markus Babbel gab nach dem Abpfiff zu: "Wenn ich mir die Fernsehbilder anschaue, können wir froh sein, dass wir kein Gegentor bekommen haben."

Genützt hat es am Ende den Gastgebern nur wenig. Unter dem Strich stand ein bitterer Verlust von zwei Punkten, nach dem die 96er punktgleich mit Spitzenreiter FSV Mainz 05 den zweiten Platz belegen. "Der Schiedsrichter hat mir gesagt, dass der Assistent ein Foul von Didier Ya Konan signalisiert hat. Ich kann das nicht nachvollziehen. Aber das können wir nun nicht mehr ändern. Wir haben nun nach drei Spieltagen sieben Punkte, das ist auch in Ordnung", sagte Slomka.

Sergio Pinto hatte seine Mannschaft in einer selten hochklassigen Partie mit einem direkt verwandelten Freistoß (33.) in Führung gebracht, bevor Pierre-Michel Lasogga (83.) den Ausgleich für die Gäste erzielte. "Wir haben zu Beginn zu viel Angst gehabt, haben hinten zwar gut gestanden, aber zu wenig Druck nach vorn aufgebaut. Das haben wir in der zweiten Halbzeit viel besser gemacht", resümierte Babbel.

Drei Tage nach der starken Leistung im Qualifikations-Hinspiel zur Europa League gegen den FC Sevilla (2:1) blieb Hannover lange blass. Dem Team steckte die kräftezehrende Partie gegen den spanischen Topklub sichtlich in den Knochen. Vom schnellen Umschalten und direktem Passspiel, der großen Stärke der 96er, war zunächst nicht viel zu sehen.

Bezeichnenderweise war es eine Standardsituation, die zum 1:0 führte. Pinto traf mit einem Freistoß-Aufsetzer aus 28 Meter. Bei dem Schuss präsentierte sich die nachlässig postierte Berliner Mauer löchrig - und so machte Torhüter Thomas Kraft keine gute Figur. Die Hertha beschränkte sich Konter und deutete Torgefahr lange nur an. Mit zunehmender Spieldauer bekam Hannover das Spiel immer mehr unter Kontrolle. Außerdem machte sich die Hereinnahme von Ya Konan bezahlt. Der Ivorer kam in der 60. Minute für Mohammed Abdellaoue und sorgte mit seinen Positionswechseln für Verwirrung in der Berliner Abwehr.

Die erste große Chance zum 2:0 vergab aber Manuel Schmiedebach. Der defensive Mittelfeldspieler fasste sich in der 67. Minute ein Herz und schlenzte einen Weitschuss nur ganz knapp am Tor vorbei. Nur zwei Minuten später köpfte der kurz zuvor eingewechselte Christian Pander freistehend am Tor vorbei. In der Schlussphase wollte Hannover das Spiel nur noch kontrollieren, 96 ging kein Risiko mehr ein, was Hertha zum Ausgleich nutzte. (Text: sid)

© SZ vom 22.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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