Schach-WM:Glücklicher Magnus Carlsen

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Endlich gewonnen: Magnus Carlsen (Foto: dpa)

Sergej Karjakin übersieht in der zehnten Partie um die Schach-WM das einfache Remis - und muss sich nach 6,5 Stunden erstmals dem Druck des Weltmeisters ergeben.

Von Thomas Hummel

Nach 6,5 Stunden Schach saßen zwei bleiche Gestalten auf dem Pressepodium in South Street Seaport in Lower Manhattan. Sergej Karjakin fiel der Kopf tief zwischen die Schultern und sagte: "Es war ein hartes Match." Neben ihm Magnus Carlsen, ebenso erschöpft, ebenso müde, die Augen kaum mehr geöffnet. Und doch blitzte einige Male ein Strahlen in den Raum hinein. "Es war nicht schön, aber es ist das, was ich gebraucht habe", erklärte er.

Der Titelverteidiger ist am Donnerstagabend (Ortszeit) zurückgekehrt in den Wettbewerb um die Schach-Weltmeisterschaft. Zehn Partien hat er benötigt, um seinen Herausforderer aus Russland zum ersten Mal besiegen zu können. Nach acht Remis und einem Sieg Karjakins steht es nun 5:5. Wer zuerst 6,5 Punkte erreicht, ist Weltmeister. "Zehn Spiele nicht zu gewinnen, das ist mir noch nie passiert", erklärte Carlsen, "ich bin jetzt sehr erleichtert."

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Magnus Carlsen stand besser da als sein Konkurrent Sergey Karjakin und holt den ersten Sieg. Der Liveticker zum Nachlesen.

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Für die vielen Beobachter aus der Schach-Welt bot dieses zehnte Spiel einige Überraschungen. Viele Experten meinten, dass sich beide Spieler Fehler leisteten. Vor allem monierten sie, dass Sergej Karjakin im 20. Zug das sichere Remis verpasst hatte. Statt mit dem Pferd den Bauern auf F2 zu schlagen, zog er zurück. Der russische Großmeister Jan Nepomnjaschtschi kommentierte, dies sei einer der furchtbarsten Züge der WM gewesen.

Während der Pressekonferenz gab Carlsen zu, diese Möglichkeit zuerst nicht erkannt zu haben und als es soweit war, mit dem Ende seiner Siegchancen gerechnet zu haben. "Ich dachte, es ist vorbei", sagte er. Doch auch Karjakin sah es nicht. Selbst vor den Mikrofonen diskutierten sie auf einem Monitor weiter, weil der Russe es nicht wahrhaben wollte.

So war Carlsen endlich wieder in eine Spielphase gelangt, die ihm so liegt. Der Norweger ist ein Meister darin, seine Gegner langsam aber stetig unter Druck zu setzen, sie einer mentalen aber auch körperlichen Folter auszusetzen, bis sie irgendwann einen Fehler machen. Bislang hatte der 26-jährige Karjakin mit stoischer Miene standgehalten, er wurde schon der Verteidigungsminister von Simferopol genannt. Diesmal aber brach er zusammen.

Als es Richtung Endspiel ging, besaß jede Seite neben dem König zwei Türme, einen Springer und mehrere Bauern, doch Carlsen stand viel aktiver. Er manövrierte seine Figuren auf dem ganzen Brett und provozierte so einige Unsicherheiten beim Russen. Der entscheidende Durchbruch kam im 57. Zug am Damenflügel. Carlsen gewann in der Folge einen Bauern und ging in ein Turmendspiel über, das klar gewonnen war.

"Endlich habe ich es geschafft, ihn zu brechen", erklärte Carlsen. Nun sei er froh, dass es auf jeden Fall noch zwei Partien gebe. Am Samstag eröffnet wieder Karjakin mit den weißen Figuren, am Montag folgt die letzte normale Partie mit Weiß für Carlsen. Steht es danach 6:6 kommt es am Mittwoch, Carlsens 26. Geburtstag, zu einem Tie-Break. Hier kommt es dann zu mehreren Duellen mit immer weniger Bedenkzeit. Am Ende steht ein Sudden-Death-Spiel an, in dem der Spieler mit Weiß fünf Minuten Zeit hat, Schwarz vier Minuten und bei Remis der Spieler mit Schwarz gewinnt.

Angesichts der Erleichterung bei Carlsen gilt der Norweger in den letzten beiden normalen Partien wieder als Favorit. Sein Manager Espen Agdestein sagte in der norwegischen Zeitung Dagbladet: "Das war sehr gut. Jetzt ist Magnus in der Offensive."

Die Nervosität im Land, dass der Schach-Held Magnus Carlsen tatsächlich den Titel verlieren könnte, ist allerdings noch nicht gewichen. So spekuliert das Blatt, dass der Besuch von Karjakins Frau Galija, die sich offenbar für heute angekündigt hat, für einen mentalen Schub beim Russen sorgen könnte. Manager Agdestein erklärte dazu: "Die Spieler haben eine Menge Spannung und Stress für eine lange Zeit, so dass es schön für ihn sein kann, wenn seine Frau kommt." Doch dann beruhigte er die Nation. Auf die Frage, ob er besorgt sei, antwortete Agdestein: "Nein." Und lächelte.

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