Schach-WM:Experten witzeln über Magnus Carlsen

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Magnus Carlsen in New York. (Foto: dpa)

Warum wählte der Weltmeister bei der Schach-WM den Trompowsky-Angriff? Carlsen gibt sich verschlossen.

Von Martin Breutigam, New York/München

Angesichts der vielen Menschen sahen sich die beiden dann doch zu Rechtfertigungen veranlasst. Diese Zuschauer waren ja ihretwegen zur zweiten WM-Partie ins New Yorker Fulton Market Building gekommen, aber was sie von Schachweltmeister Magnus Carlsen und seinem Herausforderer Sergej Karjakin zu sehen bekamen, war nur die zweite ereignisarme Partie dieser WM. Auch sie endete remis. Wirklich schön sei es, dass so viele gekommen seien, sagte Karjakin: "Weniger schön waren vielleicht unsere beiden Partien, aber ich denke, dass wir noch unterhaltsamere sehen werden." Auch Carlsen warb um Verständnis dafür, dass in solch einem Wettkampf "nicht jede Partie ein Feuerwerk sein kann".

Verschlüsseln und Schweigen: Die Eröffnungszüge sind ein streng gehütetes Geheimnis

Zwölf Runden sind in dem neu gestalteten Gebäude am ehemaligen Fischmarkt in Manhattan angesetzt. Vor der dritten Partie, die Carlsen an diesem Montag mit Weiß eröffnet, steht es 1:1. Der Auftakt dieser Weltmeisterschaft mag etwas enttäuschend erscheinen, er war aber fast zu erwarten. Beiden geht es offenbar erst einmal ums Vorfühlen und Vermeiden größerer Risiken. Ähnlich hatte im Jahr 2013 auch Carlsens erster WM-Kampf gegen seinen Vorgänger, den Inder Viswanathan Anand, begonnen.

Karjakin hätte am Samstag, als Weißer Spanisch eröffnend, durchaus versuchen können, mehr aus seinem kleinen Anzugsvorteil herauszuholen. Als er aber im 18. Zug mit einem Bauerntausch die Konfliktzone im Zentrum des Brettes auflöste, verflüchtigte sich zugleich jegliche Spannung in der zweiten Partie. "Ich dachte, dass ich etwas besser stehen würde, aber in Wirklichkeit hatte ich mich getäuscht. Schwarz war völlig in Ordnung", sagte Karjakin. Ausdrücklich lobte er den Weltmeister für einen Turmzug, den manche Experten eher als mysteriös kritisierten. Tatsächlich dürfte es nicht zuletzt dieses vorbeugende Manöver gewesen sein, das Karjakin ein paar Züge später friedlich stimmte.

Warten auf die kleinsten Vorteile

Es geht eben wie so oft ums Warten auf kleinste Vorteile. "Wenn ich die Chance bekomme, werde ich ihn ein bisschen hauen, bis er endlich umkippt", sagte Carlsen. Sein Lächeln verriet, dass er es nicht böse meinte. Es ist auffällig, wie entspannt der 25-jährige Norweger und der wenig ältere Russe in New York miteinander umgehen. "Ich würde nicht sagen, dass wir Freunde sind, aber wir sind Kollegen und haben keine Probleme miteinander", erklärte Carlsen. "Ich stimme zu", sagte Karjakin.

In noch einem Punkt sind sie sich einig: keine Antworten auf Fragen zu den Eröffnungen. "Es sind noch sehr viele Partien zu spielen", sagte Karjakin, "nach dem Kampf können Sie mich zu den Eröffnungen fragen." Auch Carlsen wollte nach der zweiten Partie hinsichtlich der Eröffnungen nichts verraten: "Sergej hat eine sehr gute Antwort gegeben. Ich werde sie wohl übernehmen." Wie geheim die in monatelanger Analysearbeit erforschten Eröffnungs-Varianten sind, zeigt eine beiläufige Aussage von Carlsens Manager, Espen Agdestein, gegenüber der norwegischen Zeitung VG. Man habe aufgrund der Möglichkeit russischer Hackerangriffe alle Computer von Carlsen und seinen Teammitgliedern mit "Pentagon-Sicherheit" verschlüsseln lassen, behauptete Agdestein.

Dass Carlsen die dritte Runde am Montag noch einmal wie am vergangenen Freitag eröffnen wird, ist unwahrscheinlich: Etliche Beobachter machten während der ersten Partie Witze über die überraschende Eröffnungswahl des Weltmeisters, denn sie vermuteten im Trompowsky-Angriff, in Fachkreisen auch "Tromp" genannt, eine politische Anspielung aus aktuellem Anlass. Carlsen zeigte sich nachher verblüfft und stellte klar, dass sicher eine andere Eröffnung aufs Brett gekommen wäre, wenn er vorher von derlei Spekulationen geahnt hätte.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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