Robert Harting:"Ich hätte mich gern etwas cooler verabschiedet"

Lesezeit: 2 min

Enttäuscht in London: Robert Harting. (Foto: dpa)
  • Diskuswerfer Robert Hartung verabschiedet sich mit Rang sechs von der WM-Bühne.
  • Für das Podium zum Abschied reicht es nicht, das Knie schmerzt zu sehr.
  • Hier geht es zum Zeitplan der Leichtathletik-WM.

Von Joachim Mölter, London

Eins war sicher, egal, was passieren würde im WM-Finale der Diskuswerfer: Robert Harting würde keine Ehrenrunde hinlegen wie vor fünf Jahren, als er nach seinem Olympiasieg, noch voller Adrenalin, zur Gaudi des Publikums seine Fähigkeiten als Hürdenläufer demonstrierte. Zum einen stand am Samstagabend kein Hürdenlauf im Programm, so dass im Londoner Olympiastadion auch keine Hindernisse aufgebaut waren, die er hätte überqueren können.

Zum anderen hat der 32 Jahre alte Berliner inzwischen einen Kreuzbandriss und zwei Knie-Operationen hinter sich; das Gelenk dreht sich nicht mehr so geschmeidig, dass er die nicht ganz unkomplizierte Hürdenbewegung ohne weiteres hinbekommen würde. "Ich glaube, andere könnten mit seinen Knien überhaupt keinen Sport mehr machen", sagt Hartings Ehefrau Julia, die nächste Woche auch noch in den Diskusring steigt.

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Robert Harting ist also nicht mehr in der Form von 2012, als er Olympiagold gewann und seine persönliche Bestleistung auf 70,66 Meter steigerte. "Ich kann von der Kraft her über 68 Meter werfen", erzählte er in diesen Tagen, "kriege mit dem Knie allerdings nicht die nötigen Winkel und Geschwindigkeiten hin." Er hat ein technisches Handicap im Vergleich zur Konkurrenz: Er kann die Drehung nicht mit dem Bein abfangen, weil das Knie dabei zu sehr schmerzt; er muss umspringen und verliert dabei Energie, um das zwei Kilo schwere Gerät in die Nähe der siebzig Meter zu katapultieren. "Aber ich werde es trotzdem versuchen", versicherte er: "Es gab noch keinen Diskuswerfer, der nach einem Kreuzbandriss eine Medaille gewonnen hat - vielleicht bin ich der erste."

Schon zu Beginn des Wettbewerbs lag Harting weit zurück

Das ist Robert Harting nun doch nicht geworden: Die Medaillen von London gingen an den Litauer Andrius Gudzius (69,21 Meter), den Schweden Daniel Stahl (69,19) und den Amerikaner Mason Finley (68,03). Harting, der Champion von 2009, 2011 und 2013, wurde Sechster mit 65,10, hinter dem entthronten Titelverteidiger Piotr Malachowski (Polen/65,24) und dem Jamaikaner Fedrick Dacres (65,83).

Der formstabile Dacres und der Weltjahresbeste Stahl (71,29 im Juni) galten als Favoriten auf Gold und Silber, dahinter sah Hartings Trainer Marko Badura eine kleine Medaillenchance: "Wenn Robert Bronze holt, wären wir beide glücklich. Dann könnte er die ganze Nacht durchfeiern." Die Hoffnung erstarb freilich schon im ersten Durchgang, den Finley mit einer persönlichen Bestweite eröffnete (67,07). Und weil auch Gudzius auf Anhieb weiter als 67 Meter kam (67,52), hätte Harting seine Saisonbestweite (66,30) schon erheblich überbieten müssen. Das gelang ihm nicht, so sehr er es auch probierte in den sechs zur Verfügung stehenden Versuchen.

Der einstige Dominator der Szene war "schon ein bisschen traurig", gab er nachher zu: "Ich hätte mich gern etwas cooler verabschiedet, mit einer besseren Leistung." Diese WM war ja seine letzte, nach den Europameisterschaften 2018 in seiner Heimatstadt Berlin will er aufhören mit dem Leistungssport. Deswegen genießt er die Wettkämpfe jetzt ganz anders als früher noch, als er verbissen nur den Sieg im Blick hatte. "Ich sehe mehr als vorher, bin nicht mehr so fokussiert, habe eine bessere Wahrnehmung", erzählte er am Freitagabend, nach der mit 65,32 Metern noch mühelos überstandenen Qualifikation.

Am Eröffnungsabend der Weltmeisterschaften war das Stadion mit mehr als 50 000 Zuschauern besetzt gewesen, "geil", fand Harting das: "Ich habe bei einer Qualifikation noch nie so viele Leute gesehen." Er sprach davon, wie er so eine Veranstaltung jetzt fühlen könne und schwärmte von der Atmosphäre: "Das Stadion ist einfach atemraubend für mich. Ich habe hier Gold gewonnen, ich kann alles anfassen - es gibt alles Energie ab." Leider nicht genug, um das Handicap seines Knies zu kompensieren.

© SZ vom 06.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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