Revierderby in der Bundesliga:Susi gegen Hotte

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Das hitzigste Derby der Bundesliga: Borussia Dortmund gegen Schalke 04. (Foto: dpa)

BVB-Manager Michael Zorc hat das leichtere Leben im Vergleich zum Schalker Horst Heldt, Jens Keller dafür mehr Leben als eine Katze. Wer mit besseren Voraussetzungen ins Derby geht, zeigt ein überparteilicher Vergleich der Ruhrrivalen Schalke 04 und Borussia Dortmund.

Von Christof Kneer und Philipp Selldorf

Die Schalker müssten "da sein, wenn die Bayern mal schwächeln", das hat Schalkes Sportchef Horst Heldt vor Beginn dieser Saison gesagt. In dieser Saison haben die Bayern tatsächlich schon mal geschwächelt, allerdings auf unanständig hohem Niveau, aber weder Schalke noch Dortmund waren da. Nach fünf Spieltagen liegen sie vier (BVB) bzw. sechs Punkte (S04) hinter den Münchnern. Am sechsten Spieltag steht nun das 145. Ruhrderby an, und in diesem Spiel gilt es zu überprüfen, welcher der beiden Revierklubs den Bayern am ehesten näher rücken kann.

Die DFL wurde von beiden Klubs als offizielle Prüfstelle abgelehnt, wegen der Befangenheit der Funktionäre Rauball (BVB) und Peters (Schalke). Als Prüfstelle akzeptiert wurde von beiden Klubs hingegen die unbestechliche, überparteiliche und ehrbare SZ-Sportredaktion, die mit erheblichem Aufwand einen klugen Vergleichskatalog für das sog. Ruhrpottderby erarbeitet hat.

Der Gewinner einer Rubrik wird mit bis zu drei Ruhrpötten belohnt.

Die Bosse

Hier stehen sich Clemens Tönnies, 58, aus Rheda-Wiedenbrück und Hans-Joachim Watzke, 55, aus Erlinghausen gegenüber. Tönnies vereint drei bedeutende Ämter in seiner Person (Aufsichtsratschef bei Schalke 04, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Tönnies Fleisch sowie Vorsitzender des Schützenvereins zu Rheda e. V. von 1833). Nicht weniger Respekt einflößend ist Watzkes Ämterhäufung, er amtiert als Vorsitzender der Geschäftsführung der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH sowie als Mitglied der CDU.

Erste Stichproben der SZ-Prüfstelle ergaben, dass Tönnies seinem Rivalen in einem entscheidenden Punkt klar überlegen ist: Er produziert mehr Fleisch. Auch ist Tönnies gut mit Uli Hoeneß bekannt, unter anderem wegen gemeinsamer Interessen (Fleisch). Watzke hingegen gilt als "neuer Hoeneß" - als mächtige Stimme, die auch seriösen Populismus beherrscht.

Nach immensem Rechercheaufwand (u.a. Lektüre kicker-Sonderheft) stießen die SZ-Prüfer in Schalke auf einen heiklen Punkt: Tönnies, obwohl kraft Amtes oberster Kontrolleur, wird auf Schalke auch unwidersprochen als oberste operative Instanz betrachtet. Mit anderen Worten: Tönnies kontrolliert also einen guten Bekannten von Uli Hoeneß (Tönnies). Beim BVB sind die operativen und nicht-operativen Ebenen deutlicher getrennt. Außerdem unterhält Tönnies derzeit einen öffentlichen Rechtsstreit mit seinem Neffen wegen der Firmengeschäfte. Watzke unterhält keinen Rechtsstreit mit seinem Neffen.

Ergebnis: Aus Transparenz-Gründen gewinnt der BVB diese Rubrik mit drei zu zwei Ruhrpötten.

Die Manager

Immense Recherchen (u.a Lektüre kicker-Sonderheft) ergaben, dass der Dortmunder Michael Zorc 463 Bundesliga-Spiele bestritt (131 Tore), während es der Schalker Horst Heldt nur auf lächerliche 359 Spiele bringt (36 Tore). Gegen Zorc spricht, dass von seinen 131 Toren 132 aus Elfmetern resultierten. Für ihn spricht der mit Abstand schönere Spitzname ("Susi" statt "Hotte").

Unangemeldete Kurzbesuche auf den Geschäftsstellen ergaben, dass Zorc in Dortmund das leichtere Leben hat. Seine Transfers werden selten in Frage gestellt, die BVB-Transferbilanz ist Respekt einflößend. Die wenigen Flops (Santana) werden sofort nach Schalke weitergereicht. Spieler, die nicht zu halten sind, werden zurückgeholt (Sahin, Kagawa) oder wenigstens nach München verkauft (Götze, Lewandowski), damit die Schalker nie eine Chance haben, den Bayern näher zu rücken.

Heldts Leben ist schwerer, weil er das Geld einsparen muss, das Vorgänger Magath ausgab. Ständig fragt jemand, ob es wirklich sein musste, dass Barnetta, Obasi oder Szalai auf Schalke spiel(t)en. Dabei geht unter, dass Heldt für wenig Geld gute Leute geholt hat (Neustädter, Goretzka, Sam, Choupo-Moting). Hat auch zwei Boatengs gekauft, einen Kevin-Prince, der ein kraftstrotzender Weltstar ist, und einen Kevin-Prince, der ein verletzungsanfälliger Altstar ist. Der eine war ein Schnäppchen, der andere ein Flop (siehe: Santana).

Heldt gilt als Klauselkönig. Hat Goretzka sagenhaft billig eingekauft und die eigenen Spieler sagenhaft teuer gemacht. Wer Draxler will, muss 45,5 Millionen bezahlen. Und dem 18-jährigen Donis Avdijaj hat er eine 49-Mio-Klausel reingeschrieben. Steht nicht im Sonderheft, ist aber wahr.

Ergebnis: Dortmund siegt, auch dank besserer Voraussetzungen, mit drei zu zwei Ruhrpötten.

Die Trainer

Dortmunds Jürgen Klopp steht für einen klar definierten Spielstil, was ihn in Nuancen vom Kollegen Jens Keller unterscheidet. Der steht nicht für einen klar definierten Spielstil. Klopp hat bereits Titel gewonnen, u.a. die Meisterschaften 2011 und '12 sowie das Pokalfinale 2012 (Quelle: FC-Bayern-Jahrbuch). Auch Keller hat bisher alle Aufträge erfüllt (zweimal Qualifikation für die Champions League). Unangemeldete Umfragen in Fußgängerzonen ergaben, dass Klopp als Kultfigur und Wetten-dass-Moderator geschätzt wird. Keller könnte man sich gut als Nachrichtensprecher in einem sehr kleinen Privatradio vorstellen, in Rheda-Wiedenbrück möglicherweise.

Für den Schalker spricht das zurzeit gängige Bonmot, wonach Keller das einzige Lebewesen sei, das über mehr Leben verfügt als eine Katze (neun). Nach SZ-Berechnungen stimmt das, denn Keller könnte sich auch in der Wüste von Sand und dem Tau des Morgens ernähren. Er könnte auch bis zum Rückspiel unter Wasser bleiben und ohne Sauerstoffgerät einen Neuntausender besteigen, sofern es einen gäbe. Von Klopp hingegen sind in seiner Karriere noch keine existenziell bedrohlichen Situationen bekannt, außer natürlich seine Ballbehandlung als Spieler bei Mainz 05.

Ergebnis: Klopp ist phantastisch, aber gegen Kellers übermenschliche Widerstandsfähigkeit natürlich chancenlos. Drei zu zwei Ruhrpötte für Schalke.

Die Mannschaften

Die Mannschaften werden derzeit weniger vom phantastischen Klopp oder vom widerstandsfähigen Keller aufgestellt, sondern von den Ärzten. Bei Schalke fehlen - u.a. - der gesperrte Draxler und die verletzten Höwedes, Goretzka, Farfan und natürlich Santana; beim BVB fehlen - u.a. - Reus, Mkhitaryan, Gündogan, Sahin, Blaszczykowski. Beide Kader sind regelmäßig in der Champions League unterwegs, mit hohem Verschleiß; so hatte Schalke zuletzt fünf verschiedene Rechtsverteidiger auf dem Platz, was Keller mit dem Gleichmut eines Nachrichtensprechers hinnahm.

Wer die verbliebenen Namen betrachtet, kommt zu dem Schluss, dass die Dortmunder in der Breite immer noch spitzer sind. Vorteil für den BVB, wobei: Die Frage wird sein, welcher der beiden Kevin-Prince Boatengs bei Schalke spielen wird; der kraftstrotzende Weltstar; oder der Altstar, der Mühe hat, ein Sprintduell gegen Hans-Joachim Watzke zu gewinnen.

Ergebnis: Drei zu eins für Dortmund.

Vereinsstruktur

Die Schalker sind ein eingetragener Verein und stolz darauf. Die Dortmunder sind an der Börse und stolz darauf.

Ergebnis: Drei Ruhrpötte für beide.

Der Exportwert

Zwar hat der BVB zur Eroberung des sagenumwobenen asiatischen Marktes jetzt Shinji Kagawa zurückgeholt und ein Büro in Singapur eröffnet, dennoch bleibt Schalke dank Atsuto Uchida (einer von fünf Rechtsverteidigern/d.Red.) in Asien unschlagbar. Uchida gilt als asiatischer Beckham und kriegt weit mehr Heiratsanträge als Jürgen Klopp. Außerdem hat Schalke gerade allen Nepalesen Happy Ghatastapana gewünscht; dabei geht es um ein Hindufest zu Ehren der Göttin Durga, bei dem auch Kuhmist zum Einsatz kommt. Alle Fanklubs in Katmandu sind begeistert. Außerdem spielt Schalkes U 23 im Oktober gegen Istiqlol Dushanbe in Tadschikistan.

Ergebnis: Drei zu zwei für Schalke.

Mächtige Unterstützer

Zum BVB halten politische Größen wie Peer Steinbrück, Gerhard Schröder und Hans-Joachim Watzke (CDU). Zu Schalke hält Wladimir Putin (Russland)

Ergebnis: Drei zu null für Schalke.

Sympathisanten aus der Kultur

Zum BVB halten die Musiker Sasha, Marius Müller-Westernhagen sowie Karel Gott, Schalke wird angeblich von U2-Sänger Bono Vox unterstützt sowie von den Comedians Veronika Ferres und Peter Neururer.

Ergebnis: Der BVB erhält einen Ruhrpott, Schalke natürlich drei (wg. Neururer).

Der Tatort-Faktor

Der BVB hat drei Tatort-Kommissare als Fans vorzuweisen (Joachim Krol, Dietmar Bär, Wotan Wilke Möhring) und ist außerdem Schauplatz des ambitionierten Dortmund-Tatorts. Schalke hat im kriminalistischen Bereich nur Tönnies' öffentlichen Rechtsstreit mit seinem Neffen zu bieten.

Ergebnis: Drei null für Dortmund.

Das unbestechliche SZ-Gutachten erbringt ein Endergebnis von 20:20. Das bedeutet, dass das Ruhrderby mit Sicherheit unentschieden ausgeht, es sei denn, eine von beiden Mannschaften gewinnt.

© SZ vom 27.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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