"El Clásico" in Spanien:Bernabeu rebelliert

Lesezeit: 3 min

Andres Iniesta nach seinem herrlichen 3:0 in Madrid. (Foto: AFP)
  • Real Madrid wird vom Erzrivalen FC Barcelona beim 0:4 gedemütigt.
  • Die Fans fordern den Rücktritt des Präsidenten Florentino Pérez. Gehen muss nun wohl der Trainer Rafael Benítez.
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Von Javier Cáceres, Madrid

Spanien zählt zu den Ländern, die ihren Profifußball weitgehend freihalten konnten von der so genannten Event-Kultur: Die Fans gehen so dermaßen auf den letzten Drücker ins Stadion, dass es keinen Sinn macht, ein Spiel vorab wie ein Festzelt-Event zu hypen.

Am Samstag jedoch war alles anders, zumindest im Bernabéu-Stadion zu Madrid. Bereits Stunden vor dem "Clásico" zwischen Real und dem FC Barcelona war die Arena gut gefüllt. Der Grund: Im Nachgang der Pariser Anschläge wurden die Sicherheitskontrollen vervielfacht. Sie waren letztlich zwar nicht so scharf wie vorab angekündigt. Aber die meisten der 83 000 Zuschauer - unter ihnen Regierungschef Mariano Rajoy sowie diverse Minister - gingen lieber auf Nummer sicher und daher früh zu ihren Sitzplätzen.

Was sie dort sahen, war ein eigentümliches Bühnenbild. Auf den umliegenden Hochhäusern lagen vermummte Scharfschützen der Polizei. Die Beschallung wich ebenfalls vom normalen Programm ab: Aus dem Lautsprecher strömte eine Piano-Version der französischen Hymne - in Gedenken an die Toten von Paris.

Doch damit war noch lange nicht die Liste der Dinge erschöpft, die vom normalen Programm abwichen, denn auch das, was sich auf dem Rasen entspannen sollte, war atypisch. Denn das stolze Real Madrid bot gegen Barcelona eine apathische Leistung, verlor völlig verdient mit 0:4 (0:2) - und liegt nun sechs Punkte hinter dem amtierenden Meister. Im Lichte dieser Schmach rebellierte das Publikum.

Weiße Taschentücher - nach nicht mal einer Stunde

Getreu den Protest-Sitten des Landes wedelte es beim Stand von 0:3 - das heißt: als noch keine Stunde gespielt war - mit weißen Taschentüchern und forderte erstmals seit Jahren den Rücktritt eines Klubchefs: "Florentino, dimisión", musste Präsident Pérez auf der VIP-Tribüne hören. Das besagt nichts Gutes - für die berufliche Zukunft von Trainer Rafael Benítez, dessen Tage wohl gezählt sein dürften. Der Grund: Seine Mannschaft war ein Spielzeug in den Händen Barcelonas.

Bilder zum "Clásico"
:Feines Füßchen

Zweimal Luis Suárez, je einmal Neymar und Andres Iniesta: Der FC Barcelona siegt klar bei Real Madrid.

Mit Ausnahme der ersten Minuten nach der Pause und einigen wenigen Chancen, die unter anderem von Cristiano Ronaldo kläglich vergeben wurden, als die Partie längst gelaufen war, war der FC Barcelona in fast schon beschämender Weise überlegen. Für die Hausherren geriet das umso demütigender, als die Katalanen nicht einmal ein pyrotechnisches Spektakel boten. Fußballerisch konnten sie nicht ganz die Emotionen wecken, die sie beim legendären 6:2-Sieg von 2009 hervorgerufen hatten. Sie waren vielmehr eiskalt, ganz im Sinne des Spruchs, den Barcelonas Trainer Luis Enrique am Vorabend formuliert hatte: "Ich bin ein Iceberg."

Ohne dem Publikum je das Gefühl zu geben, ins Schwitzen zu geraten, unterbanden sie jeden Aufbauversuch der Madrilenen und spielten sie bei eigenem Ballbesitz ohne Eile aus. Die Überlegenheit war derart manifest, dass Trainer Luis Enrique in Real Madrid den perfekten Aufbaugegner für Lionel Messi erkannte. Der argentinische Stürmer wurde nach einer knappen Stunde eingewechselt und beendete damit eine zweimonatige, verletzungsbedingte Absenz, von der er sich noch lange nicht erholt hat.

Zeit für den Aufbau geben ihm die überaus inspirierten Kollegen genug, zum Beispiel der brillante Kapitän Andrés Iniesta, der das 3:0 (53.) beisteuerte und Real auf feine Weise den Todesstoß versetzte: Nach einem Doppelpass mit dem brasilianischen Stürmer Neymar, der ihm mit der Hacke auflegte, jagte Iniesta den Ball aus 15 Metern in den Winkel.

Bei seiner Auswechslung erhob sich ein Teil der Zuschauer im Bernabéu-Stadion von den Sitzen, um seine Leistung zu beklatschen. Die anderen Tore steuerten der Brasilianer Neymar (39.) sowie der Uruguayer Luis Suárez (11./74.) bei, von denen das erste besonders sehenswert war: ein Außenristschuß ins so genannte lange Eck. Er hätte eigentlich noch einen Elfmeter verdient gehabt. Aber der Schiedsrichter verweigerte nach klarem Foul des schwachen Sergio Ramos den Pfiff.

Überhaupt waren bei Real sehr viele Totalausfälle zu sehen, lediglich ein Spieler erhielt eine Ovation: Der eingewechselte Isco, weil er kurz vor Schluss Neymar brutal umgetreten und dafür Rot gesehen hatte. Der völlig blasse Cristiano Ronaldo hingegen wurde mit Pfiffen bedacht, die seine angeblichen Abschiedsgedanken befeuern dürften. Linksverteidiger Marcelo ahnt, dass es nun in Madrid ungemütlich werden könnte: "Wir können die Fans nur um Verzeihung bitten."

© SZ vom 22.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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