Real Madrid und die Finanzen:Nicht ganz so prächtig

Lesezeit: 3 min

Für Real Madrid und Stürmer Cristiano Ronaldo geht es stetig bergauf - das zumindest verkündet Präsident Florentino Pérez. (Foto: REUTERS)

Glaubt man Real Madrids Präsident Florentino Pérez, dann geht es den Königlichen finanziell bestens. Schulden? Sinken immer weiter. Für den geplanten Stadionumbau des Santiago Bernabéu sucht der Klub trotzdem noch einen Investor.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Das Dekor war grandios, ganz dem hehren Selbstbild des Vereins nachempfunden. Als Florentino Pérez, der Präsident von Real Madrid, am Sonntag die knapp tausend maßgeblichen Mitglieder des Klubs zur jährlichen Genehmigung des Budgets und seiner Zahlen versammelte, liefen im Messezentrum zunächst einmal emotionale Bilder über einen gigantischen Bildschirm.

Da war die Hommage an Alfredo Di Stéfano, die Allzeitlegende des Klubs, gestorben in diesem Jahr. Und da waren natürlich die Bilder der "Décima" in der Champions League, des zehnten Gewinnes der europäischen Hauptauszeichnung in diesem Sport, gewonnen 2014.

Geschichte und Glorie vermischt in einem großen Gefühlsdusel. Pérez ist ein Meister solcher Inszenierungen. Sie tragen auch zu seiner eigenen Glorifizierung bei. Das Spektakel nehme immer mehr cinematographische Konturen an, schreibt die Madrider Sportzeitung Marca: "Wenn das so weitergeht, werden sie uns in einigen Jahren 3-D-Brillen verteilen für diesen Film."

Schulden? Ach was!

Ein Film? Etwa gar eine aufgehübschte Fiktion? Der Bauunternehmer Pérez, mit einer Unterbrechung von drei Jahren seit 2000 an der Spitze des Vereins, wies einmal mehr Glanzresultate aus. 604 Millionen Euro habe Real Madrid in der Saison 2014/2015 eingenommen, sagte er, ein Plus von elf Prozent im Vergleich zum Rechnungsjahr davor. Mehr denn je. So viel wie kein Klub weltweit. So reihte er eine Zahl an die andere. Alles groß, alles gut.

In der Fragerunde erhob sich dann Mitglied Carlo Mendoza, Vertreter der Vereinigung "Wertegesellschaft des Madridismo", und fragte nach der Höhe der Schulden: "Wir haben vielleicht mehr eingenommen als je zuvor", sagte Mendoza, "doch wir haben auch mehr ausgegeben denn je. Uns sollten doch auch die Schulden bekümmern, die sich auf 602 Millionen belaufen."

Nun, Pérez kanzelte den besorgten Herrn mit einigen schnellen Sätzen ab: "Señor Mendoza", sagte er, "jeder wählt in seinem Leben die Rolle aus, die ihm am besten gefällt. Ihre Rolle verstehe ich nicht. Mit ihrer Pseudo-Opposition nähren Sie jene Kreise, die uns nicht mögen, die unsere Harmonie zerstören wollen. Von Zahlen verstehen Sie nichts. Sie verwechseln Passiva mit Schulden. Wir haben Nettoschulden von 71,5 Millionen Euro, und sie sinken weiter. Darum verehrt man uns in der ganzen Welt." Dann wurde abgestimmt: 888 stimmten für Pérez' Budget, inklusive Señor Mendoza. Drei nur stimmten dagegen.

Die Zahlen der größten Klubs sind ein bisschen Glaubenssache

Um die Finanzen des "größten, reichsten, umsatzstärksten" Klubs der Welt, wie ihn auch internationale Studien beschreiben, ranken sich viele offene Fragen. Das rührt vor allem daher, dass Real Madrid noch immer als "gemeinnütziger Sportverein" geführt wird statt als Aktiengesellschaft, wie das Spaniens Gesetzgebung eigentlich seit etlichen Jahren einfordert. Auch der FC Barcelona, Athletic Bilbao und CA Osasuna gehören in diese Kategorie. Die Umwandlung in anonyme Gesellschaften sollte dazu beitragen, dass die Vereine ihre Konten transparenter gestalten. Real und Barça sträubten sich bisher erfolgreich gegen eine rechtliche Anpassung. Und so sind die Zahlen der größten Klubs immer auch ein bisschen Glaubenssache.

Stimmt es etwa, dass einer wie Cristiano Ronaldo, wie es heißt, allein über den Verkauf von Trikots seine Transfersumme und sein Salär einspielt? Man müsste den genauen Inhalt der Verträge kennen, um die Behauptung zu stützen: die Aufteilung der Einnahmen unter Adidas, den Läden, den Spielern mit ihren je eigenen Werberechten und schließlich dem Verein.

Als Real im Sommer Angel Di María nach Manchester verkaufte, wurde Pérez mit dem Argument zitiert, mit dem Argentinier habe man eben keine Leibchen verkauft - zu wenig Starqualitäten, zu wenig galaktisch. Merchandising steht für etwa ein Drittel der Einnahmen. Etwa gleich viel spielt der Verkauf der TV-Rechte ein, der in Spanien die Granden übermäßig bevorteilt. Der Rest kommt von Eintrittsgeldern, Werbung, Freundschaftsspielen.

So geht die Grobrechnung bei Real. Sie gleicht jener von Barça aufs Haar. Ihre Präsidenten werden von grundsätzlich zugeneigten Klubmitgliedern gewählt und wiedergewählt, wenn sie ihr Wirtschaften nur gut verkaufen. Wie Politiker, wie im Film. Und wenn die sportlichen Resultate passen, winken die Wähler das Budget durch. Man bedenke nur diesen Saldo: In den elf Jahren mit Pérez hat Real 1,45 Milliarden Euro für den Kauf neuer Spieler ausgegeben und 639 Millionen für Verkäufe eingenommen - minus 814 Millionen Euro.

Real geht es dennoch prächtig, aber nicht ganz so prächtig, dass man locker den geplanten Umbau des Stadions, des mythischen Santiago Bernabéu, finanzieren könnte. Dafür braucht es sogar einen Sponsor, an den man den heiligen Namen verscherbelt. Pérez steht offenbar bereits in weit gediehenen Verhandlungen mit der International Petroleum Investment Company aus dem Golfstaat Abu Dhabi, einer Firma der dortigen Königsfamilie.

"Ich arbeite mich schier zu Tode, damit wir das beste Stadion der Welt bekommen", sagte Pérez den Delegierten mit gebotener Theatralik. 500 Millionen sind nötig. Dafür würde das Stadion für die nächsten 25 Jahre aber wahrscheinlich "Abu Dhabi Bernabéu" oder ähnlich heißen. Puristen mag das missfallen. Der gute Alfredo Di Stéfano würde sich wundern, ganz zu schweigen von Santiago Bernabéu. Aber so sind nun die Zeiten.

© SZ vom 23.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: