Randale bei BVB gegen Schalke:Höllischer Einstieg in den Nachmittag

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Dortmunder Fans randalieren in Gelsenkirchen: BVB-Keeper Roman Weidenfeller versucht, die Gemüter zu beruhigen. (Foto: Ina Fassbender/Reuters)

Den Siegern aus Dortmund fällt die Freude über ihre geglückte Revanche gegen Schalke schwer. Denn auch wenn Jürgen Klopps Team das Derby 3:1 gewonnen hat, redet niemand über das Spiel - sondern über die schaurigen Szenen davor.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Mit seinen 25 Jahren hat Nuri Sahin schon einiges erlebt. Geboren und aufgewachsen im Sauerland, verdingte sich der Sohn türkischer Einwanderer als Leihspieler schon in Rotterdam und Liverpool. Der Vater eines zweijährigen Jungen hat 43 Länderspiele für die Türkei absolviert, ist aktuell von Real Madrid an Borussia Dortmund, den Verein seiner Jugendzeit, ausgeliehen. Im schwarz-gelben Dress legte Sahin beim Revierderby nun eine großartige Leistung hin und erzählte im Anschluss an das 3:1 auf Schalke aus seinem Leben.

"Ich bin ein bisschen herumgekommen", hob der dunkelhaarige Mittelfeldspieler an, um dann vom märchenhaften Ruf der Westfalen in der Welt zu berichten: "Alle reden über uns, selbst die größten Stars - über Borussia Dortmund und seine großartigen Fans." In Gelsenkirchen verhielten sich etwa Einhundert dieser großartigen Anhänger am Samstag allerdings nicht großartig, sondern ausgesprochen abscheulich. Mit dem Abwurf von Böllern, die wie kleine Bomben krachen, durch kaputt getretene Sicherheitsscheiben, vor allem aber durch Bengalos, die sie kurz vor Anpfiff völlig wahllos durch die Schalker Arena schossen, auch auf benachbarte Tribünenabschnitte.

S04-Manager Horst Heldt sprach im schaurigen Rückblick auf die irrsinnigen Aktionen von einer "neuen Dimension" und fragte erschüttert: "Wie kann man nur auf diese Weise auf Unbeteiligte losgehen?" Angesichts des höllischen Einstiegs in den Nachmittag fiel den Siegern aus Westfalen, die in der Vorsaison noch beide Duelle gegen den ungeliebten Nachbarn verloren, die Freude über die geglückte Revanche schwer. "Das ist einfach asoziales Verhalten, gerade wenn man Raketen in andere Blöcke schießt", grollte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke - und Weltenbummler Sahin meinte nachdenklich: "Ich bin echt der größte Fan von unseren Fans. Aber das war echt total unnötig."

Verärgert, verständnislos, verlegen

Jürgen Klopp fiel zu den gefährlichen Minuten auf Schalke zunächst nur ein Wort ein: "Unangenehm." Da gewinne sein Team das große Derby 3:1, und was ist? "Wir müssen über die Szenen vor dem Spiel sprechen - und zwar zu Recht." Der Dortmunder Cheftrainer war verärgert, verständnislos, auch verlegen. "Das waren, um es gelinde auszudrücken, keine schönen Bilder. In dem Moment schämt man sich. Das waren im wahrsten Sinne des Wortes Störfeuer", sagte der 46-Jährige, fügte aber trotzig hinzu: "Meine Mannschaft hat trotzdem gewonnen - und nicht deshalb."

Auch als Borussen-Keeper Roman Weidenfeller vor dem BVB-Block in der südöstlichen Ecke der Arena auftauchte, um beruhigend auf die Chaoten einzuwirken, hörte die rasende Meute nicht auf. Erst mit fünf Minuten Verspätung konnte das brisanteste Derby Deutschlands beginnen. Schiedsrichter Knut Kircher drohte für den Wiederholungsfall mit Spielabbruch, doch irgendwie bekamen alle zusammen das Duell der beiden Revier-Größen dann über die Runden.

Darin inklusive: Drei herrlich herausgespielte Treffer der furiosen, ihren Gegnern gnadenlos überlegenen Dortmunder durch Pierre-Emerick Aubameyang, Sahin und Jakub Blaszczykowski. Die konzeptlosen, geistig wie körperlich viel zu langsamen Schalker brachten es allein auf das zwischenzeitliche 1:2 durch ihren 18-jährigen Lichtblick Max Meyer - und auf einen Elfmeter, den ihr entkräfteter Anführer Kevin-Prince Boateng gegen seinen Ex-Kollegen Weidenfeller beim Stand von 0:1 jedoch recht kläglich vergab.

Die Borussen und ihr Chef Watzke ("Das Verhalten dieser Fans ist nicht tolerierbar und wird auch nicht folgenlos bleiben, das ist klar") fahnden nun nach dem verantwortungslosen Teil in der eigenen Anhängerschaft. Der vier Tage nach dem 0:3 gegen Chelsea erneut vorgeführte Gegner starrt stattdessen bekümmert auf seine sportlichen Nöte. Denn nach zehn Monaten unter Chefübungsleiter Jens Keller stellen sie auf Schalke gerade erschrocken fest, dass ihr königsblaues Ensemble stagniert und von dem berauschenden Fußball des Frühjahrs-2:1 gegen den BVB kaum etwas übrig geblieben ist.

"Wir sind nicht zufrieden. Und wir haben einige Themen auf der Agenda, die wir abstellen wollen", erklärte ein bekümmerte Manager Horst Heldt, der seine Schalker vor der Saison eigentlich schon ganz nah dran an den Dortmundern wähnte, nun aber erkennen muss: "Für uns geht es nur noch um den vierten Platz. Auch ich kann schließlich die Tabelle lesen."

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