Prozess wegen Dopingsperre:Pechstein muss warten

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Weil der internationale Eisschnelllauf-Verband einen Vergleich kategorisch ablehnt, muss das Münchner Landgericht entscheiden, ob es Claudia Pechsteins Klage gegen ihre Dopingsperre annimmt. Vom deutschen Verband wird sie jedenfalls keinen Schadenersatz erhalten.

Von Lisa Sonnabend

Ganz Deutschland kannte Claudia Pechstein, die Frau mit dem enganliegenden Rennanzug, die eine Medaille nach der anderen gewann. Doch seit 2009 bestimmt vor allem ein anderes Bild von Claudia Pechstein die öffentliche Wahrnehmung: Das von einer Frau, die sich wegen ihrer auferlegten Dopingsperre rechtfertigt, die um ihre Rehabilitation kämpft und die dafür bis vors Gericht zieht. So wie an diesem Mittwochvormittag.

Beim Landgericht München hatte die 41-Jährige Zivilklage eingereicht. Einmal mehr trugen ihre Gegner keine Schlittschuhe. Es handelte sich um zwei Verbände, die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) und die Internationale Eislaufunion (ISU). Pechstein fordert von ihnen wegen ihrer zweijährigen Sperre Schadensersatz in einstelliger Millionenhöhe. Natürlich geht es der Eisschnellläuferin bei dem Fall auch darum, dass erstmals ein Gericht die Rechtswidrigkeit ihrer Dopingsperre anerkennen soll.

Zum Auftakt der Verhandlungen musste Pechstein nun einen ersten Dämpfer hinnehmen. Die Vorsitzende Richterin Petra Wittmann sprach zumindest der Klage der Olympiasiegerin gegen die DESG sämtliche Erfolgsaussichten ab. "Ich sehe keine Handlungen, die der DESG vorzuwerfen wären", sagte Wittmann. Grund sei, dass der nationale Verband lediglich die Vorgaben des internationalen Sportgerichtshofes CAS umgesetzt habe. Ob die ISU haftbar gemacht werden kann, bleibt zu klären.

Pechsteins Anwalt Thomas Summerer hatte im Vorfeld durchblicken lassen, einen Vergleich mit der ISU unter Umständen akzeptieren zu wollen. Auch die Richterin sagte: "Ich möchte den Parteien schon nahelegen, darüber intensiv nachzudenken." Der Weltverband schloss dies am Mittwoch aber erneut kategorisch aus.

Am Ende vertagte die Richterin die Entscheidung, ob das Langericht München die Klage annimmt, auf den 29. Januar 2014. Sie räumte allen Parteien Zeit bis zum 20. November ein, um weitere Stellungnahmen und Schriftsätze einzureichen. Durch den Zeitaufschub soll abschließend geklärt werden, ob in dem Fall deutsches oder Schweizer Recht zur Anwendung kommen muss.

Abnormal überhöhte Blutwerte

Die Polizeihauptmeisterin Pechstein wurde 2009 wegen erhöhter Blutwerte von der ISU für zwei Jahre gesperrt - also anhand von Indizien, jedoch ohne einen positiven Dopingtest. Die ISU hatte "abnormal überhöhte" Retikulozytenwerte festgestellt. Seitdem kämpft Pechstein gegen die Sperre. Mediziner hätten bei ihr Hinweise auf eine Blutanamolie gefunden, sagte sie im Herbst 2009. Doch der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte im November 2009 das Urteil der ISU, Pechstein blieb gesperrt.

Pechstein gab nicht auf. Im Frühjahr 2010 brachte sie in der Öffentlichkeit Gutachten vor, die besagen, dass Hämatologen eine genetisch bedingte Blutanamolie bei ihr bestätigen. Die hohen Retikulozytenwerte seien auf diese erblich bedingte Störung zurückzuführen, nicht auf Doping. Das Schweizer Bundesgericht wies Pechsteins Revisionsantrag jedoch zurück.

Als im Februar 2011 die Sperre ablief, qualifizierte sich Pechstein nur wenige Tage später für die WM in Inzell - und erlief sich dort über 5000 Meter die Bronzemedaille. Pechstein gehört mittlerweile längst wieder zu den besten Eisschnellläuferinnen der Welt, auch bei der WM 2013 gewann sie Bronzemedaillen über 3000 und 5000 Meter. Im Februar 2014 will die 41-Jährige in Sotschi an ihren sechsten Olympischen Spielen teilnehmen.

Anwalt Summerer hat bereits Erfahrung mit spektakulären Fällen im Sportrecht. Er holte 1996 1,2 Millionen D-Mark für Katrin Krabbe heraus. Die ehemalige Sprinterin war wegen eines Medikamentes gesperrt worden, das allerdings nicht auf der Dopingliste stand. Der Fall Krabbe zog sich über sieben Jahre.

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Fall für die Geschichtsbücher

Bei Pechstein geht es um mehr als um einen Einzelfall. Es geht um die Grundzüge des Sportrechtssystems. Anwalt Summerer kritisierte vor der Verhandlung die Arbeit der Verbände, "die fast schon auf Kriegsfuß mit rechtsstaatlichen Standards stehen" würden. Er sagte zudem: "Wir halten den CAS für kein echtes Schiedsgericht."

Heikel für die Verbände ist auch: Sie kämpfen ohnehin schon um ihre Existenz. Die Geldforderungen von Pechstein könnten sie ruinieren, auch wenn die DESG nach den jüngsten Äußerungen der Richterin wohl wenig befürchten muss. Die Eisschnellläuferin meinte dazu vergangene Woche auf einer Pressekonferenz: "Ich muss in erster Linie an mich denken." Auch wenn der Fall Pechstein keine sieben Jahre dauern sollte, er könnte Sportrechtsgeschichte schreiben.

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