Olympia:Aus der Favela zu Gold

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Rafaela Silva wuchs in einer Armensiedlung von Rio auf. Judo war ihre Rettung. Nun gewann sie nach vielen Rückschlägen die erste Goldmedaille für Brasilien.

Rafaela Silva holte im Judo das erste Gold für Brasilien. (Foto: David Ramos)

Rafaela Silva sank auf die Knie. Und ein ganzes Land jubelte: Brasiliens Judoka hatte dem Gastgeber am dritten Wettkampftag der Spiele in Rio das erste Gold beschert - und gleichzeitig ein modernes Märchen geschrieben: Vom Straßenkind aus einer der übelsten Favelas zur Olympiasiegerin. "Möge die Medaille den Kindern in der Cidade de Deus als Ansporn dienen. Von dort komme ich, jetzt bin ich Weltmeisterin und Olympiasiegerin", sagte die 24-Jährige im Moment ihres größten Triumphs.

Die Cidade de Deus, die "Stadt Gottes", war wurde durch das Film-Drama "City of God" weltberühmt geworden. Am Montag machte Silva nur etwa zehn Kilometer entfernt, im Olympiapark von Barra da Tijuca, ihren Finalcoup gegen die mongolische Weltranglistenerste Sumiya Dorjsuren perfekt.

Alle Anspannung, aller Druck, der ihr in den vergangenen Monaten aufgebürdet worden war, fiel ab: Silva stürmte unter Freudentränen auf die Tribüne, wurde von Familien und Freunden fast erdrückt. Auch in den sozialen Netzwerken überschlugen sich die Reaktionen.

"Keiner hat mehr trainiert als ich. Ich will allen danken, die mich unterstützt haben. Den Leuten, die mein Leiden miterlebt haben", sagte Silva, die in Runde eins die Deutsche Miryam Roper geschlagen hatte. Nach ihrem Aus bei Olympia 2012 wegen eines illegalen Griffs war sie von Landsleuten rassistisch angefeindet worden. Silva kämpfte anschließend mit Depressionen und dachte darüber nach, ihre Karriere beenden.

Rafaela Silva lernte als Mädchen in der Favela, dass sie zuschlagen muss

"Die Menschen haben mich als Affe beschimpft und gesagt, dass ich in einen Käfig gehöre", sagte Silva, "aber ich habe gezeigt, dass mein Platz im Sport, im Judo ist." Ihre Mutter Zenilda jubelte: "Sie ist eine Kriegerin, eine goldene Kriegerin." Für Silva ist Judo ein Lebensretter gewesen. "Eine meiner Cousins ist in der Cidade de Deus Dealer geworden", sagte sie einmal: "Ich habe die Traurigkeit und Gewalt seines Lebens gesehen und erkannt, dass Judo mein einziger Ausweg ist."

In der Cidade de Deus ging Rafaela Silva als Kind durch eine harte Schule. "Wenn du hier nicht zuschlägst", sagte Silvas Schwester Raquel, "dann schlägt dich jemand anders." Die Eltern der Silvas reagierten. Sie zogen in eine Straße außerhalb der Cidade de Deus und schickten ihre Töchter in das Instituto Reação zu dem ehemaligen Judo-Nationaltrainer Geraldo Bernardes. Bernardes sah ihr Talent und einigte sich mit den Mädchen: Sie hören auf, sich auf der Straße zu prügeln - und er macht sie dafür zu Klasse-Judokas.

Während Raquel mit 15 Jahren schwanger wurde, ging der Plan bei Rafaela auf. 2008 wurde sie Junioren-Weltmeisterin, 2013 siegte sie bereits bei der Heim-WM in Rio. Im Instituto Reação werden heute an fünf Stützpunkten 1200 Kinder und Jugendliche aus den Favelas von Rio gefördert.

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