Nationalmannschaft:Mario Gomez: 1000-Euro-Schnäppchen für Löw

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Beim vom Terror überschatteten Spiel in Paris wirkte Gomez bereits sehr agil. (Foto: AFP)

Ohne echten Stürmer zur EM? Das ist selbst für den Bundestrainer kaum vorstellbar. Mario Gomez freut's - sein aktueller Verein träumt von einem schicken Deal.

Von Thomas Hummel, Berlin

Das wäre doch mal ein modernes Fußball-Märchen: Deutschland wird im Juli in Paris Europameister und das entscheidende Tor schießt ein 1000-Euro-Stürmer.

Man tritt Mario Gomez nicht zu nahe, wenn man prophezeit, dass diese Geschichte mit den 1000 Euro bei einigen Menschen in Deutschland und vor allem in München ein bissiges Schmunzeln hervorrufen wird. Dieser große Kerl mit der Möbelpacker-Figur und der sensiblen Seele hat schon immer sehr polarisiert. Hier diejenigen, die ihn verehren wegen seiner Wucht, seiner Tore, seines höflichen Auftretens wegen. Dort die anderen, die ihn bisweilen am liebsten auf den Fußball-Mond geschossen hätten.

Die Meinungen über den inzwischen 30-jährigen Stürmer aus Riedlingen in der Schwäbischen Alb gehen so weit auseinander wie seine Leistungsspanne in den vergangenen Jahren. Das mit den 1000 Euro ist ein Ergebnis aus einer Zeit, in der er von einem Länderspiel in Berlin gegen England (Samstag, 20.45 Uhr) so weit entfernt war wie der aktuelle Mittelstürmer des TSV Riedlingen.

Gökhan Sarı, Generalkoordinator der Unternehmensgruppe Beşiktaş Istanbul, erklärte kürzlich, dass sein Klub die Option besitze, den bislang vom AC Florenz ausgeliehenen Gomez am Ende der Saison für eben diese 1000 Euro fest übernehmen zu können. Einen Spieler, der gerade die Torschützenliste in der Türkei anführt. Der seinem Verein die Hoffnung gibt, seit sieben Jahren mal wieder die Meisterschaft zu gewinnen. Der gerade vom deutschen Bundestrainer gelobt wird, wie vielleicht noch nie in seiner Karriere.

"Mario hat spürbar mehr Selbstbewusstsein. Er hat wieder seine alte Sicherheit. Das erkennt man in jedem Training an seinen Bewegungen, seiner Ausstrahlung und seiner Körpersprache", erklärte, nein, schwärmte Joachim Löw. Gomez werde gegen England von Beginn an spielen, und "aufgrund der Trainingseindrücke in den drei Tagen hat er sich das auch verdient".

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Nanu? Plötzlich schwärmt der Bundestrainer von Mario Gomez. Gegen England braucht die DFB-Elf seine Qualitäten - ein anderer erhält von Löw eine Absage.

Noch vor einem Jahr hatte alles ganz anders ausgesehen. Beim AC Florenz war er anfangs von Zehntausenden empfangen worden, am Ende verließ er die Stadt aber praktisch durch den Lieferanteneingang. Die WM 2014 hatte er verpasst und niemand hatte ihn vermisst. Er ging zu Besiktas, in die höchstens zweitklassige Süper Lig. Der neue Klub übernahm das stattliche Gehalt und zahlte 3,5 Millionen Euro Leihgebühr. Die Italiener waren offenbar so dankbar, den ständig verletzten, formschwachen und deshalb zauderhaften Deutschen loszuwerden, dass sie den Türken eben jenen 1000-Euro-Deal zustanden, mit dem sich Gökhan Sarı nun brüsten darf.

Denn in Istanbul verwandelte sich Gomez wieder. Mit jedem Tor gewann er mehr Vertrauen in sich selbst und weil er seit Monaten nicht mehr verletzt war, bewegt sich dieser Modellathlet auch wieder erstaunlich flink und gewandt. Wenn man Bundestrainer Löw so zuhört, steigt Mario Gomez gerade zu einem Gamechanger für die Europameisterschaft im Sommer auf.

Neben der Planstelle rechts hinten ist ja weiterhin die drängendste Frage bei der Nationalmannschaft, wer eigentlich die Tore schießen soll. Miroslav Klose ist nun wirklich zu alt geworden. Und trotz aller Debatten um die sogenannte "falsche Neun" spielt heute kaum eine Mannschaft mehr dauerhaft ohne echten Mittelstürmer. Nicht mal mehr der FC Barcelona. Und auch nicht Pep Guardiola beim FC Bayern.

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Thomas Müller trifft gerade so häufig wie nie zuvor in seiner Karriere. Mit Marco Reus, Mario Götze und Mesut Özil verfügen die Deutschen über eine Vielzahl feiner Füße in der Offensive - Julian Draxler und Karim Bellarabi nicht zu vergessen. Doch sieben Mal siegen ohne eine Spezialkraft, die sich im Getümmel des Strafraums am wohlsten fühlt und mal einen reinhaut? Schwer vorstellbar.

"Ich werde alles dafür tun, mit zur EM zu fahren. Alles andere liegt nicht in meiner Hand", sagte Gomez mit weiser Diplomatie. Er weiß, wie schnell die Stimmung rund um seine Person kippen kann. Die Deutschen haben ihn selbst bei Länderspielen schon häufig ausgepfiffen, weil ihm ein paar Bälle zu viel vom Fuß gesprungen sind. Und eigentlich passte er ja nie rein in den Flachpass-Fußball Löws.

Umso erstaunlicher ist, dass derzeit das Gerücht kolportiert wird, Manchester City sei an einer Übernahme von Mario Gomez interessiert. Manchester City! Wo im kommenden Jahr der Flachpass-Guru Pep Guardiola Trainer sein wird. Wenn eine solche Nachricht ungestraft und ohne großes Gelächter durch die Fußball-Welt wabern darf, dann muss Mario Gomez wirklich in der Form seines Lebens sein.

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