Nationalmannschaft:Die DFB-Rehagruppe muss es wieder richten

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Unterschiedlich weit in der Reha: Bastian Schweinsteiger (links) übt schon wieder mit Ball, Mats Hummels radelt noch mit dem Arzt. (Foto: de fodi/imago, Eibner/imago)

Schweinsteiger und Hummels reisen angeschlagen zur EM in Frankreich. Wie 2014 in Brasilien soll es gelingen, die Verletzten im Laufe des Turniers ans Team heranzuführen.

Von Christof Kneer, Ascona

Nein, Bastian Schweinsteiger humpelt nicht, auch Mats Hummels zieht keines seiner Beine nach. Nichts knirscht, wenn Schweinsteiger sich an einen Tisch setzt, auch Hummels kommt aus seinem Stuhl wieder hoch, ohne dass man ihm behilflich sein müsste. Zum Abschluss des EM-Trainingslagers in Ascona haben sie beim DFB mal wieder einen sogenannten Medientag angesetzt, man kann sich das wie eine Art Speed-Dating vorstellen.

Deutsche Nationalspieler sitzen im Pressezelt an eigens für sie dahin gestellten Tischen, und dann können sich deutsche Nationalmannschaftsreporter minutenweise dazusetzen und eigens für die Nationalspieler ausgedachte Fragen stellen. Hierbei kommen traditionell unterschiedliche Arten von Fragen zur Anwendung, ernste, lustige, flache, tiefgründige, schräge und gerade, nur eine Frage ist für gewöhnlich strengstens untersagt. Es ist die Frage, die mit "Wie" beginnt und "geht's?" endet.

Es ist die Frage, die am Donnerstag Bastian Schweinsteiger und Mats Hummels gestellt bekommen, nachdem man sich zunächst vergewissert hat, ob sie humpeln, ob es knirscht oder ob sich beim Setzen womöglich irgendwelche Körperteile lösen.

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Es soll wieder so werden wie 2014 in Brasilien

Noch hat die EM in Frankreich nicht begonnen, und doch lässt sich schon erahnen, welche Geschichte die deutsche Mannschaft in den kommenden Wochen erzählen will. Es ist eine Geschichte, die im Idealfall etwas langweilig ist, weil man ihr Ende halt schon kennt - es sei denn, man ist zufällig Christoph Kramer, der seinen Einsatz im WM-Finale vor zwei Jahren immer noch vergessen hat.

Für alle, die nicht Christoph Kramer sind: Ja, es soll wieder so werden wie 2014 in Brasilien. Am Anfang machen sich alle Sorgen, weil alle verletzt sind, dann machen sich alle Gedanken, weil man nicht weiß, ob und wie man die nicht mehr Verletzten in der Startelf unterbringt, und am Ende halten alle zusammen einen Pokal in die Höhe.

"Klar hilft uns jetzt die Erfahrung aus Brasilien", sagt Bastian Schweinsteiger also an einem Tisch, und an einem anderen Tisch sagt Mats Hummels einen weitgehend identischen Satz. Vor zwei Jahren hat Deutschland gelernt, dass Spieler nicht unbedingt gesund sein müssen, wenn ein Turnier beginnt; es kann auch reichen, wenn im Achtel- oder Viertelfinale nichts mehr knirscht, ächzt oder quietscht.

Vor zwei Jahren ist Joachim Löw mit einer Rehagruppe nach Brasilien geflogen, Manuel Neuer hatte sich im Pokalfinale die Schulter ramponiert, Philipp Lahms Sprunggelenk war beleidigt, und für Schweinsteiger und Sami Khedira hatte sich Löw extra eine Art Jobsharing ausgedacht. Sie durften sich im Laufe des Turniers gesund spielen, was zur Folge hatte, dass Schweinsteiger im Finale gegen Argentinien so erholt war, dass er trotz beeindruckender Wunden und mit erheblichen Verbeulungen noch Sport treiben konnte; Khedira hingegen musste im Finale erneut passen, was Christoph Kramer jenen Einsatz ermöglichte, den er immer noch vergessen hat.

Bei der EM wollen die Deutschen Brasilien noch mal nachspielen, nur halt ohne Argentinien. Brasilien gibt Schweinsteiger (nach Innenbandteilriss im Knie seit drei Tagen wieder im Mannschaftstraining) und Mats Hummels (nach Muskelfaserriss in der Wade im Lauftraining) das Recht, gelassen über ihre Turnier-Perspektiven zu referieren. Er wolle am Samstag im Test gegen Ungarn "20, 3o Minuten" spielen, sagte Schweinsteiger, er fühle sich "einen Tick weiter" als zur selben Zeit in Brasilien, und die ersten zwei Turnierspiele müsse man "halt mal schau'n, wie's ist". In Brasilien habe er gegen Ghana auch nur 20 Minuten gespielt und gegen die USA schon 70, "es war immer eine kleine Steigerung drin, und so was brauche ich jetzt halt wieder".

Vor Brasilien hätte sich das Land sehr aufgeregt bei solchen Sätzen: Oh weh, Schweinsteiger verpasst vielleicht die Vorrunde! Nach den Erfahrungen der WM sieht das Land das nun aber so: Alles gut, Schweinsteiger ab dem Achtelfinale fit!

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Hummels' Ziel: "Im Juli bei 100 Prozent sein"

Von Dankbarkeit ist beim Medientag im Übrigen an keinem der Tische die Rede gewesen, ein schweres Versäumnis selbstverständlich, denn ein paar freundliche Worte hätte Michel Platini schon verdient gehabt. Der ehemalige Uefa-Präsident hat das Teilnehmerfeld einst aus politischen Gründen aufgeblasen und das Niveau damit so verwässert, dass eine Elf wie die deutsche sich in der Vorrunde locker ein paar Patienten leisten kann.

So versucht Mats Hummels gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, es könne fürs erste Gruppenspiel reichen, "ich werde mich sicher nicht fürs erste Spiel aufopfern und später die Zeche dafür zahlen". Das Team sei "auch so gut genug, es ist ja nicht so, dass es ohne mich nicht funktioniert". Selbst wenn er die ganze Vorrunde ausfalle, sagt Hummels, kämen danach "im Idealfall immer noch vier Spiele".

Hummels sagt gelassen, sein Ziel sei, "im Juli bei 100 Prozent zu sein". Er sagt das am 2. Juni.

Mats Hummels wird jetzt also Tag für Tag ein bisschen mehr Sport treiben, Sport ist angeblich ja recht gesund, und wenn alles nach Plan läuft, wird er sich in der K.-o.-Runde wieder jenem Wettkampfsport widmen, der nicht immer gesund ist. Und wenn es nicht nach Plan läuft? Man muss am Medientag schon an sehr vielen Tischen herumhorchen, um dazu einen Satz zu finden. Einmal, in völlig anderem Zusammenhang, sagt Sami Khedira, es wisse "ja keiner, ob's Basti und Mats schaffen".

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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