Nadal-Sieg bei den French Open:Hochkonjunktur der Emotionen

Lesezeit: 4 min

Bewegter Sieger: Rafael Nadal (Foto: AFP)

Es ist kein Spiel für die Ewigkeit. Und doch feiert der Tennissport zwei seiner Größten, weil Rafael Nadal Novak Djokovic in einem bewegenden Finale der French Open besiegt. Der Unterlegene gratuliert artig - obwohl er am Ende einen unsportlichen Moment durchlebt.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Diese letzten Sekunden wühlten die Zuschauer noch einmal so richtig auf, La Ola, Schlachtrufe, Pfiffe, Beifall, alles wechselte sich ab, und dann war er tatsächlich so weit, der Moment nach zwei Wochen, an dem sich alles entschied, sich alles zuspitzte in einer Aktion. Sonntag, 18.47 Uhr, Paris, Court Philippe Chatrier, Finale der Männer, von 128 Teilnehmern konnte es nur einen geben, es gab: Matchball.

Und ja, es gibt weiterhin nur einen König von Roland Garros. Rafael Nadal heißt dieser unglaubliche Kerl, 28 Jahre alt und eifrigster Geschichtsschreiber beim berühmtesten Sandplatzturnier der Welt. 3:6, 7:5, 6:2, 6:4 gewann der Spanier seinen sagenhaften neunten Titel. Es war kein spielerisch hochklassiges Endspiel, er und Novak Djokovic, die Nummer zwei der Welt, sein großer Widersacher, sie fabrizierten beide viele Fehler, hatten Schwächephasen. Aber der Tennissport durfte zwei der Größten feiern, dreieinhalb Stunden lang. Die Emotionen hatten Hochkonjunktur.

Finale der French Open
:Historischer Triumph für Nadal

Das hat noch kein Spieler vor ihm geschafft: Zum fünften Mal hintereinander gewinnt Rafael Nadal die French Open. Insgesamt ist es der neunte Sieg für den Spanier in Paris. Gegner Novak Djokovic beendet die Partie auf kuriose Weise.

Djokovic hätte seine ersten French Open gewinnen können, er hätte die Nummer eins werden und Nadal ablösen können in der Weltrangliste. Er hatte Tränen in den Augen, als ihm die 14.900 Menschen im Court Philippe Chatrier minutenlang applaudierten. "Es ist unglaublich, dass du den neunten Titel gewonnen hast", gratulierte der 27-Jährige aus Belgrad. Später würde er anfügen: "Er war in den entscheidenden Momenten der bessere Spieler."

Nadal, der beim Sieg auf die Knie gesunken war, sprach später, ebenfalls bewegt. "Heute hat mir Tennis das zurückgegeben, was mir in Australien passiert war." Beim ersten Grand Slam des Jahres hatte er im Finale gegen den Schweizer Stan Wawrinka verloren. Nun überreichte ihm kein Geringerer als Legende Björn Borg den Coupe des Mousquetaires. Nadal hat damit seine Siegesserie in Paris auf 66:1 ausgebaut. Vielleicht ein Rekord für die Ewigkeit. Im 20. Grand-Slam-Finale hat er zudem den 14. Titel errungen und zu Pete Sampras (USA) aufgeschlossen; in dieser Wertung führt Roger Federer (Schweiz) mit 17 Trophäen.

"Göttertreffen"

Am frühen Nachmittag berichtete der frühere Spitzenspieler Pat Cash (Australien), er habe gerade Nadal und Djokovic in der Umkleide gesehen, wie sie sich abgeklatscht hätten, ein "Special Moment" sei das gewesen. Die Vorfreude, vor allem die Spannung war zu spüren, die Tenniswelt, sie konnte es kaum erwarten, dass dieses "Göttertreffen", wie die französische L`Equipe es zugespitzt betitelt hatte, endlich begann. Um 15.15 Uhr war es dann so weit, Djokovic schlug als Erster auf.

Bis zum 4:3 von Djokovic verteidigten beide souverän ihre Aufschlagspiele. Leichte Vorteile waren höchstens bei dem Serben zu erkennen, Nadal traf den Ball zwei, drei Mal mit dem Rahmen. Seine latente Schwäche sollte den Spanier den ersten Satz kosten.

Drei ungewohnte Fehler mit der Vorhand in nur einem Spiel brachten Djokovic das Break zum 5:3. Im Anschluss hatte zwar der Spanier die Chance, heranzukommen, 15:40, zwei Breakbälle. Doch unter anderem zwei weitere Fehler mit der Vorhand führten zum verdienten 6:3 seines Gegners. Elf direkte Punkte, sogenannte Winner, erzielte Djokovic, Nadal nur fünf, er wirkte zu passiv.

Der zweite Satz begann ähnlich wie der erste, Nadal servierte nur als Erster, man merkte ihm die Ehrfurcht vor Djokovic an, der die letzten vier Duelle in Serie gewonnen hatte. Bislang hatte der Serbe einen wunderbaren Matchplan, dem er konsequent folgte. Möglichst an der Grundlinie stehen, nicht gleich auf den ersten Ball gehen, eher beim vierten, fünften Wechsel den kontrollierten Schuss wagen.

Und er versuchte, möglichst oft den ersten Aufschlag im Feld zu platzieren, 20 Mal gelang ihm das (von 31 Versuchen), 17 Mal punktete er, ein feiner Kniff. Der Kick-Aufschlag brachte ihn meist in die Offensive gegen den Linkshänder. Boris Becker, seit Dezember in seinem Team als Trainer, hatte viel mit Djokovic an dessen Service gearbeitet.

Nadal, der nun aggressiver wurde, hatte den ersten Breakball bei 3:2 im zweiten Satz, er spielte eine Rückhand zum vermeintlichen Punktgewinn, Schiedsrichter Pascal Maria kletterte vom Stuhl und gab den Ball aus. Fassungslos blickte Nadal. Ein heikler Moment. Er blieb fokussiert, erkämpfte sich die nächste Chance, diesmal funktionierte seine Waffe, die umlaufene Vorhand quer über den Platz. 4:2. Jetzt lag er im Vorteil.

Und vergab ihn wieder. Djokovic breakte zurück. Es war nicht das höchste Niveau, das beide boten, es ging eben um viel. Man sah das auch in ihren Gesichtern, es war kein Erstrundenblick. Entschieden wurde dieser Durchgang, als Djokovic einen Moment nicht aufpasste und sein Servicespiel zum 5:7 abgab.

Djokovic donnert seinen Schläger auf die Asche

Ein wenig kippte das Momentum, Djokovic verlor gleich sein erstes Aufschlagspiel mit einem leichten Rückhandvolleyschlag ins Netz, 0:2, 0:3, 1:4, es sah deutlich aus, es war aber nur ein Break, Nadal hatte mehrmals Mühe bei eigenem Aufschlag. Bei 2:4, 40:40 donnerte Djokovic den Schläger wütend auf die Asche, es war das längste einzelne Spiel bis dahin, das am Ende Nadal sicherte, 5:2, und dann das nächste Break hinterher, 6:2, Djokovic wirkte gezeichnet von den schwül-heißen Temperaturen, das Gesicht gerötet. 14 Fehler in Satz drei waren zu viel (Nadal fünf). Immerhin, es wurde dunkler, Wolken kamen auf. Weniger Nadalwetter also.

Vierter Satz, neues Glück. Kein Match für die Ewigkeit, eher ein verbissener Kampf mit vielen Fehlern jetzt. Der Mallorquiner aus Manacor zog mit einem Break auf 4:2 davon, aber Djokovic konterte, Re-Break, dann 4:4, 5:4 Nadal. 30:0 führte Djokovic schon, doch nach drei Punkten in Serie hatte der achtmalige Sieger Matchball. Vor dem zweiten Aufschlag rief ein Fan unsportlich mitten in die Bewegung Djokovics, er stoppte, setzte neu an. Und schlug - bezeichnend für dieses Finale (allein 49 leichte Fehler von Djokovic) - den Ball mit dem Aufschlag ins Aus.

Jetzt hat Nadal wieder an seiner Geschichte weitergearbeitet. Djokovic muss warten. "Sorry, Novak", sagte der Spanier, "du hast es verdient, hier zu gewinnen. Du wirst es in Zukunft schaffen." Es war kein richtiger Trost. Dafür war es um zu viel gegangen.

© SZ.de/klef - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: