1860 München und der Investor:Schauspiel vor Kulissen

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Ein Bruder und ein Cousin des Investors Hasan Ismaik versuchen in der Halbzeit der Partie gegen Paderborn, Sven-Göran Eriksson als Trainer beim Fußball-Zweitligisten 1860 München durchzudrücken. Die kleine Farce am Rande des Spiels zeigt: Der Richtungsstreit bei den "Löwen" hält an.

Von Andreas Burkert, Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Sven-Göran Eriksson sitzt zwischen Noor Adnan Hasan Basha (links) und Abdel Rahman Ismaik. Der eine ist Cousin, der andere der Bruder von Investor Hasan Ismaik. (Foto: dapd)

In der 68. Minute war das Spiel zu Ende. Zumindest für die Gesandten des Hasan Ismaik. Der jordanische Anteilseigner der Münchner Löwen war ja wieder nicht erschienen in der Arena; vielleicht komme er nun kommende Woche, heißt es aus seinem Umfeld.

Das Zweitligaspiel gegen den SC Paderborn, das der TSV 1860 nach einer guten ersten Hälfte samt des Treffers von Benjamin Lauth und viel Leerlauf und Krampf 1:0 gewann, observierten Ismaiks Bruder Abdel Rahman und Cousin Noor Adnan Hasan Basha statt seiner. Aber nur bis zur 68. Minute. Dann hatten sie genug gesehen. Und vor allem genug gehört, was sie nicht hören wollten - und nun Ismaik in Abu Dhabi berichten müssen.

Eine kleine Farce trug sich da am ungemütlichen Dienstagabend zu, unbemerkt von den diesmal nur 13 300 Zuschauern. Offiziell hatten Ismaiks Verwandte ja in der Halbzeitpause die Posse um den früheren englischen Nationalcoach Sven-Göran Eriksson für beendet erklärt - indem sie den auch diesmal beim Spiel anwesenden Schweden jedes Interesse am Trainerjob dementieren ließen.

Es war dabei unruhig geworden auf der Vip-Tribüne, Reporter scharten sich um den 64-Jährigen, der zuletzt von den Ismaiks erst nach München eingeladen worden war, zum 60-Spiel gegen Köln (0:2), der dann nach Dubai flog, um mit den Ismaiks ein Polo-Turnier zu besuchen, und der dann zurückreiste nach Deutschland, um 1860 bei Union Berlin (2:2) zu begutachten. Ismaik irritierte die Löwen mit Erikssons Anwesenheit und seinem Ansinnen, ihn anstelle von Interimscoach Alexander Schmidt zu installieren.

Doch am Dienstagabend beteuerte Eriksson, er sei nur Berater Ismaiks. Cousin Noor Adnan Hasan Basha sagte: "Er ist nur ein Ratgeber für uns, ein Freund." Und noch einmal Eriksson: "Die Mannschaft hat doch einen guten Trainer."

Als Missverständnis wurde demnach der Konflikt zwischen dem Investor und dem für kostspielige Lösungen (noch) nicht aufgeschlossenen Klub dargestellt. Aber das war alles nur Attrappe: Nach SZ-Informationen insistierte Ismaiks Entourage in der Pause bei einem Meeting mit den Klubvertretern um Präsident Dieter Schneider, Geschäftsführer Robert Schäfer, Aufsichtsrat Otto Steiner sowie dem Ismaik-Vertrauten Hamada Iraki, man müsse die prominente Personalie Eriksson spätestens in der Winterpause durchsetzen. Die hitzige Debatte lief just in jenen Minuten - in denen draußen Eriksson vermeintlich die Luft aus der Sache nahm.

Doch die Münchner haben ja bereits mehrfach kundgetan, dass man einen Strategiewechsel - dem man keineswegs grundsätzlich abgeneigt sei - nur dann einschlagen könne, wenn finanzielle Zusicherungen für mehrere Jahre und aus Sicht des Vereins akzeptable Darlehenskonditionen fixiert würden. Als also die Pausen- Sitzung erneut ohne Ergebnis im Sinne Ismaiks beendet war, nahmen seine Vertreter vor dem Heimflug noch mal Platz in Erikssons Sitzreihe. Bis zur 68. Minute.

"Ich muss zum Flughafen", erklärte der sichtlich gestresste Cousin Noor Adnan Hasan Basha. Über die künftige Strategie wollte er nichts äußern, aber er sagte: "Hasan (Ismaik) wird künftig mehr involviert sein bei 1860." Dabei schob er seine Fäuste zusammen.

Was er zu den hitzigen Meinungsverschiedenheiten mit der Klubspitze sage? "In so einem Business gibt es doch jeden Tag Debatten und Diskussionen", antwortete er. Und dann entschwand er über die Rolltreppe und hinterließ auf deutsch: "Alles wird gut!" Bruder Abdel Rahman sagte noch: "Nichts von dem, was in den letzten Tagen in den Zeitungen stand, ist wahr." Dabei lachte er schelmisch.

Dass irgendwie alles gut wird ungeachtet eines anhaltenden Richtungsstreits, glaubt immerhin auch Schneider. "Herr Ismaik wird wohl erst mal die Gespräche sacken lassen", sagte er. Auch bekräftigte er die Dialogbereitschaft des TSV: "Wir können immer über Justierungen der Strategie reden, aber dann müssen auch die Folgen auf den Tisch. Es ist offensichtlich, dass Herr Ismaik gerne das Projekt ehrgeiziger vorantreiben möchte. Nur müssen die Vorstellungen auch einen Sinn ergeben. Wir haben unsere Positionen."

Es ist unschwer vorzustellen, dass Ismaik die Berichte seines Bruders und des Cousins als unerfreulich werten wird. Mit dem misslungenen Vorstoß in der Causa Eriksson samt des finalen Disputs in der Halbzeitpause scheiterte der Mann, der weit mehr als 24 Millionen Euro in den klammen Traditionsklub investierte, nicht das erste Mal mit einer Schlüsselpersonalie: Vergangenen Januar hatte er über den Vertrauten Iraki versucht, Schneider abzusetzen.

Nun blockiert ihn ein geschlossen wie selten auftretender Verein dabei, Eriksson mit dem Traineramt zu betrauen (zumal Schmidt bisher nur eine vage Zusage bis zur Winterpause hat). Sogar Iraki äußert nun aber sein Verständnis für die Vorbehalte der Löwen gegen ein neues finanzielles Wagnis. Wohl nicht nur deshalb mahnt der als Aufsichtsrat abgetretene Ismaik-Berater Iraki ein rasches "Gespräch unter vier Augen zwischen Investor und Präsidenten" an. Da er Ismaik "nur noch in anderen Belangen berate", stocke die Kommunikation. "Bei Fragen zu Ismaik wenden Sie sich bitte an seinen Bruder, Cousin oder Lil Zercher", sagte Iraki noch. Zercher ist die Pressesprecherin des Vereins.

Präsident Schneider verriet am Dienstagabend, dass er neuerdings wieder mit Ismaik telefoniere. Immerhin. Cousin Noor Adnan Hasan Basha wiederum betonte, Ismaik sei "doch hier im Stadion - durch seinen Bruder und mich". Genutzt hat das nichts. Ismaiks Absichten und nachhaltige Strategien bleiben offenkundig im Ungefähren für die Löwen. Und der Klub verweist darauf, ohne langfristige Garantien kein finanzielles Hasardeurtum an den Tag legen zu wollen. Von seinem in der 50+1-Regel der DFL verbrieften Recht auf Selbstbestimmung mal ganz abgesehen.

Dennoch müssen die Löwen wieder der Dinge harren, die sich da in Abu Dhabi entwickeln nach dem sonderbaren Schauspiel hinter und vor den Kulissen des Paderborn-Spiels. Die Lage bleibt angespannt, das verdeutlichte auch KGaA-Geschäftsführer Schäfer, der - wie Iraki - wohl zwischen den Stühlen steht. Ob man dem Verein fürs Erste zu einem Verhandlungserfolg gratulieren könne, da der Investorenvorstoß vorerst abgewehrt wurde, lautete am Abend eine Frage. "Wo ist da der Erfolg", fragte Schäfer zurück, redete sich in Rage und schrie: "Wo soll der Erfolg sein?! Die Frage ist eine unglaubliche Respektlosigkeit!"

60-Chef Schneider sprach eher gelassen zur Sache. Es gebe "überhaupt keinen Grund für die Annahme, dass der Investor die Lust verliert", sagte er. "Abgesehen davon: Er wär ja bescheuert, so viel Geld wegzuschmeißen." Und: "Meine Lebenserfahrung sagt mir: Warten wir ein paar Tage ab, die Aufregung legt sich wieder." Stürmer Lauth, ein klarer Verfechter des Trainers Schmidt, äußerte süffisant: "Zur Eriksson-Diskussion gibt es nicht mehr viel zu sagen." Wenn er sich da mal nicht täuscht.

© SZ vom 29.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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