Motorsport:Ist die Formel 1 schon entschieden?

Lesezeit: 3 min

Lewis Hamilton: Oben auf in Monza (Foto: dpa)
  • Lewis Hamilton gelingt gerade alles, nicht nur im Cockpit. Das ärgert Ferrari natürlich.
  • Er sei sogar "richtig froh, der Bösewicht zu sein und mich kümmert das auch nicht", sagte er, nachdem er auf dem Podium in Monza von Tausenden Italienern leidenschaftlich ausgepfiffen worden war.
  • Kann Sebastian Vettel noch einmal kontern im Kampf um die WM-Führung?

Von Philipp Schneider, Monza

So wirklich einig waren sich Lewis Hamiltons Fans nicht in ihrem Urteil darüber, wie sie seine Leistung bewerten sollten. "Man kann nicht in allen Bereichen glänzen, Lewis", schrieb ein eher kritischer Beobachter am Wochenende auf Hamiltons Instagram-Seite. Ein weiterer: "Junge, das ist verrückt!" Andere dagegen waren regelrecht hingerissen von Hamiltons Werk: "So wunderschön! Ein wunderschönes Gedicht für eine wunderschöne Frau!"

Ja, Lewis Hamilton hat an diesem Wochenende, an dem er der Weltmeisterschaft in der Formel 1 auf der Rennstrecke von Monza auf beeindruckende Weise eine Wendung verpasste, auch noch die Zeit gefunden, um Lyrik zu verfassen. Unterzeichnet ist diese jedenfalls mit: "By Lewis Hamilton". Gewidmet hat sie der Rennfahrer Diana, der Prinzessin von Wales, deren Todestag sich am 31. August zum 20. Mal jährte. Hamilton war damals zwölf Jahre alt.

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Dabei verliert er in Monza die WM-Führung an den Briten Lewis Hamilton, auch Ferrari-Boss Marchione poltert: "Wir haben einfach völlig versagt."

Von Philipp Schneider

Er sei von Journalisten auf Diana angesprochen worden, sagte Hamilton, er habe dann viel über sie nachgedacht und die Worte seien ihm schließlich eingefallen. Einfach so. "An dem Tag, an dem wir die Rose unserer Nation verloren haben, weinten wir Tränen wie in Strömen. Die Erde stand still, als wir sie zur Ruhe legten", heißt es darin (selbstredend in sehr viel melodischer klingendem Englisch). Hamilton ist gut drauf gerade. Vielleicht so gut wie nie. Nicht nur sein Auto ist verbessert. Auch dem Fahrer gelingt alles.

36,3 Sekunden vor dem Ferrari-Piloten

Hamilton dominiert gerade eine Qualifikation unter schwierigsten Bedingungen, rast auf regennasser Fahrbahn 2,5 Sekunden schneller als Sebastian Vettel ums Rund. Dann führt er Mercedes zum Doppelsieg und erniedrigt seinen WM-Konkurrenten geradezu in einem völlig makellosen Rennen, bei dem er 36,3 Sekunden vor dem Ferrari-Piloten über die Zielgerade rollt und schließlich die Führung in der Gesamtwertung übernimmt. Ganz nebenbei schreibt er nicht nur ein Gedicht über den "strahlenden Stern am Mitternachtshimmel" und verbessert Michael Schumachers eigentlich für die Ewigkeit konzipierten Rekord mit den meisten Karriere-Pole-Positions (ehemals 68, jetzt 69). Oh nein. Lewis Hamilton legt sich anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Scuderia Ferrari auch noch erfolgreich mit den Tifosi an bei deren Heimrennen und empfindet dabei große Freude.

Er sei sogar "richtig froh, der Bösewicht zu sein und mich kümmert das auch nicht", sagte er, nachdem er auf dem Podium von Tausenden Italienern leidenschaftlich ausgepfiffen worden war. Gleichwohl, versicherte Hamilton, versuche er, respektvoll zu bleiben. Gut, manchmal kämen ihm die Anhänger in Italien "eher wie Fußballfans vor, die aggressiven unter ihnen", das schon. Aber das sei "doch ganz normal. Ferrari hat hier zuhause ewig nicht mehr gewonnen. Sie machen das ja alles aus Liebe zu den roten Autos."

Nach dem zwölften von 20 Rennen stellt sich die Frage mit Vehemenz, wie hart die Probe sein wird, auf die die Liebhaber der roten Autos in diesem Jahr noch gestellt werden. Die Silberpfeile waren auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke im Königlichen Park von Monza so überlegen, dass dies nicht einmal Mercedes-Boss Toto Wolff mit der eigenen Stärke erklären wollte. "Wir hatten nach den Longruns am Freitag gedacht, dass es enger wird", sagte Wolff. "Irgendwas muss bei Ferrari schiefgelaufen sein. Es sah so aus, als hätten sie einen Schritt rückwärts gemacht."

Er meinte: Im Vergleich zum ebenfalls eher schnellen Rennen in Spa, das Hamilton zwar gewonnen hatte, dabei aber Vettels Ferrari bis zur Überfahrt der Zielgeraden formatfüllend im Rückspiegel sehen konnte. "Sehr, sehr glücklich", war Vettel über das Spa-Resultat, weil er glaubte, dass Ferrari in Sachen Höchstgeschwindigkeit innerhalb weniger Wochen aufgeschlossen hatte zu Mercedes: "Wir haben keine Strecke mehr, die wir fürchten müssen." Dann kam Monza. Und Ferrari verlor fürchterlich.

Tendenziell hat Mercedes auf Strecken Vorteile, die wenig Luftwiderstand und hohe Geschwindigkeiten verlangen. Den besseren Grip beim Bremsen und in den Schikanen hatte - zumindest bis Monza - aber Ferrari. Valtteri Bottas, Hamiltons Teamkollege, deutete nun an, dass die Stuttgarter auch in dieser Hinsicht aufgeholt haben. Sein Rennwagen sei so "außergewöhnlich ausbalanciert" gewesen "wie nie zuvor. Wir waren schnell in jeder Ecke der Strecke."

Möglicherweise war nur das Monza-Paket nicht so gut wie bei Mercedes

Nach Spa hatte es so ausgesehen, als hätte die Scuderia seit dem ebenfalls von Mercedes dominierten Rennen in Silverstone Mitte Juli mithilfe zweier Aerodynamik-Pakete das letzte Manko wettgemacht, die fehlende Geschwindigkeit nämlich. Das kann auch noch immer sein. Möglicherweise war jetzt einfach nur das spezielle Monza-Paket mit den extra kleinen Heckflügeln nicht so gut wie das bei Mercedes. Der irre wütende Ferrari-Boss Sergio Marchionne deutete so etwas an, als er im Fernsehen anprangerte, sein Team habe das falsche Set-up gewählt: "Wir haben versagt. Wir haben Monza unterschätzt!"

Der Große Preis von Italien ist das letzte Rennen in Europa gewesen, in zwei Wochen rollt die Formel 1 in Singapur. Auf einem Stadtkurs also, der mit seinen engen Kurven an die Strecken in Monaco und Ungarn erinnert, wo Mercedes keine Chance hatte. "Dieses Jahr haben die verwinkelten Strecken eher Ferrari und auch Red Bull gepasst. Das können wir nicht so einfach ändern", ahnt Wolff. Und irgendeine Verankerung in der Realität wird Vettels fast schon irritierende Zuversicht nach der Erniedrigung von Monza schon haben. Man müsse "keine Panik" machen, sagte er. Er wisse, "dass wir ein gutes Auto haben".

Im Gegensatz zu Mercedes, das schon in Spa aufrüstete, werden die Italiener die finale Ausbaustufe ihres Motors noch präsentieren. Angeblich soll er deutlich stärker sein. "Ich bin überzeugt, dass da noch richtig was kommt in den nächsten Rennen", sagt Vettel.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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