Gladbachs Lucien Favre:Schwarzmaler muss sich beweisen

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Sorgenfalten auf dem Gesicht von Lucien Favre. Ein Ausdruck, der in dieser Saison häufig vorkommt. (Foto: dpa)

Ist der versierte Fußballtrainer Lucien Favre auch krisenfest? In Gladbach muss der Schweizer jetzt gegen sein Image ankämpfen.

Kommentar von Christof Kneer

Als der Stürmer Josip Drmić vor einem Jahr von Nürnberg nach Leverkusen wechselte, war Lucien Favre nicht erfreut. Warum Leverkusen? Und vor allem: Warum nicht Gladbach? Er hat diese beiden Fragen dann seinem Sportchef Max Eberl gestellt, der die Fragen in gut eingeübter Routine zu den Akten nahm.

Eberl heftet solche Fragen aber nicht im Gedächtnis ab, um sie zu vergessen oder gar zu ignorieren; er holt sie bei Bedarf wieder hervor, um sie zu beantworten und die Antworten dann seinem Trainer vorzulegen. Man werde übrigens Drmić aus Leverkusen verpflichten, hat er seinem Trainer also vor einiger Zeit mitteilen dürfen. Aber man kann sich nicht erinnern, dass Favre euphorisch geworden wäre. Er hat erst mal darauf hingewiesen, dass es dauern könne, bis dieser Drmić die Automatismen des Gladbacher Spiels intus habe.

Gladbachs Auftritt in Sevilla
:0:3 nach Elfmeterschießen

Borussia Mönchengladbach setzt seine Niederlagen-Serie auch in der Champions League fort: Beim 0:3 in Sevilla bietet die Borussia einen desolaten Auftritt und verursacht drei Elfmeter innerhalb von 18 Minuten.

Lucien Favre ist der Trainer, der - wenn er Meister werden würde - hinaus auf den Meisterbalkon träte und dem enthemmten Volk zuriefe: " Wir müssen aufpassen: Die Balleroberung war diese Saison nischt perfekt! Und nächste Saison, es wird nischt einfach!"

Favre ist ein kunstvoller Schwarzmaler

Lucien Favre ist ein hoch versierter Fußballlehrer und ein begabter Schwarzmaler. Er kann schwarzmalen auf eine Art, die nur er beherrscht, es ist eine Schwarzmalerei, bei der es am Ende meistens wieder hell wird. Tief im Innern hat dieser skeptische Coach ja doch das Gefühl, dass alles gut werden kann.

Favre ist einerseits ein Zweifler, Grübler, Planer und Verwerfer; andererseits ist er fest davon überzeugt, dass die Rätsel des Fußballs bei ihm gut aufgehoben sind. Er ist einerseits ein bescheidener Mann, dem öffentliches Lob peinlich ist; andererseits findet er schon, dass José Mourinho sehr gut daran tut, junge Chelsea-Profis zu Ausbildungszwecken zu diesem Favre nach Gladbach zu schicken.

Es gehört zum Los jedes großen Trainers, dass aus seinen Erfolgen eine Fallhöhe erwächst, die auch große Trainer plötzlich in die Ohnmacht treiben kann. Nur ein Jahr nach der großen Klopp-Krise hat die Fallhöhe nun schon wieder einen Trainer erwischt, den manche schon für FC-Bayern-tauglich hielten. Anders als der anfangs unbelastete Klopp genießt Favre aus einem früheren Leben aber den zweifelhaften Ruf, nicht krisenfest zu sein.

Wiederholt sich Favres Hertha-Zeit?

Mit Hertha wäre er 2009 fast Meister geworden, in Berlin haben sie sich damals schon heimlich erkundigt, ob man mit der Meisterschale ausnahmsweise durchs autofreie Brandenburger Tor fahren dürfe; am Ende sind die Berliner Vierter geworden, und in der folgenden Saison haben sie etwa so gespielt wie die Gladbacher jetzt. Favre haderte, wurde entlassen, gab eine groteske Pressekonferenz und verschwand.

Es geht im Moment einerseits um Borussia Mönchengladbach, andererseits geht es um das Image von Lucien Favre. Der Sportchef Eberl wird ihm selbstverständlich die Chance einräumen, jenes Bild zu korrigieren, das die Branche von ihm hat. Und der Trainer selbst will allen Favre-Skeptikern beweisen, dass sie nur Schwarzmaler sind.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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