Mitarbeiter des 1860-Investors:Shehatas Erkenntnisse, Scheeles Vorwurf

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Berater des 1860-Investors: Hassan Shehata, ehemaliger Nationaltrainer Ägyptens.  (Foto: imago sportfotodienst)

Neue Mitspieler im Theater bei 1860 München: Was der Investorenberater Hassan Shehata vorschlägt, dürfte bei der Planung des Fußball-Zweitligisten egal sein. Ismaiks Anwalt Michael Scheele hält dem Präsidium unterdessen vor, es sei dessen "Wunsch und Vorschlag" gewesen, den Sportchef auszutauschen.

Von Hendrik Buchheister und Philipp Schneider

Hassan Shehata ist dann doch bis zum Ende geblieben. Dabei war das Spiel des TSV 1860 München beim FC St. Pauli schon lange vor Abpfiff entschieden. 1:3 lagen die Münchner seit der 74. Minute zurück, und sie unternahmen in den letzten Minuten im stimmungsvollen Millerntor-Stadion keine besonderen Anstrengungen, das Ergebnis noch zu drehen. Der Ägypter hätte also nichts verpasst, wäre er vorzeitig abgezogen, doch den Schlusspfiff wartete er noch ab. Kaum war das Signal verhallt, setzte sich Shehata allerdings in Bewegung, er verließ seinen Platz im Vip-Rang, keine zwei Minuten später hatte er den Ausgang passiert.

Nur zu einer knappen Analyse war der persönliche Berater von Investor Hasan Ismaik, der beim Klub keine Funktion bekleidet, bereit, als er sich mit schnellen Schritten vom Spielort entfernte. "Room for growing" hatte er bei den Münchnern beobachtet, was zwei Übersetzungen zuließ: Entweder war er der Meinung, dass die Löwen über Wachstumspotenzial verfügen - das ist unverfänglich, das Gesetz gilt im Fußball immer.

Oder er wollte sagen, dass vieles besser werden muss - ebenfalls unverfänglich, das gilt für Sechzig immer. Konkret wurde Shehata jedenfalls nicht, offenbar möchte er alles in Ruhe verdauen, bevor er die Diagnose öffentlich macht: "I speak Monday. Or Tuesday", sprach Shehata am Samstag, Anfang der Woche sei etwas von ihm zu hören.

Nun ist es natürlich vollkommen wurscht, was der ehemalige Nationaltrainer Ägyptens jemals verkünden wird. Und er ist ohnehin ein bisschen zu spät dran, um noch Einfluss zu nehmen auf die relevanten Fragen, die Sechzig beschäftigen: Wer wird Sportdirektor werden? Und wer ist kommende Saison Trainer? "Wir werden jetzt die Gespräche zu Ende führen und dann zügig die Entscheidung verkünden", sagt Robert Schäfer, der Geschäftsführer der Profifußballabteilung, der mit Shehata bislang auch nur kurz geplauscht hat ("hab ihn freundlich begrüßt und es gab Smalltalk"). Schon in dieser Woche, heißt es, soll es so weit sein.

Demnach hat Ismaik seine letzte Chance zur Einflussnahme auf die Vereinsgeschicke verstreichen lassen, als er dem Klub nicht die vereinbarten Raten für die kommenden zwei Spielzeiten (13 Millionen Euro) überwies. Die Zahlung wäre Bedingung für die geplante Ablösung von Sportchef Florian Hinterberger und Trainer Alexander Schmidt gewesen, zu der nun des Jordaniers schillernder Münchner Anwalt Michael Scheele eine auf den ersten Blick verblüffende Version beisteuerte: "Es war der Wunsch und der Vorschlag des Präsidiums, den Sportdirektor auszutauschen", sagte er am Sonntagabend im Blickpunkt Sport, "dem hat Hasan Ismaik zugestimmt."

Zur Erinnerung: Der Auslöser der jüngsten Eskalation war eine Pressekonferenz von vorvergangener Woche gewesen, bei der Ismaik (entgegen aller Absprachen mit 1860-Präsident Hep Monatzeder) verbal vorgeprescht war und verkündet hatte: "We need a new Sportchef!", Hinterberger müsse gehen.

Nun darf man davon ausgehen, dass Scheele als Rechtskundiger dazu in der Lage ist, einen Satz so zu formulieren, dass er juristisch nicht angreifbar ist. Auch hieß es aus der Pressestelle von 1860, das Präsidium gedenke nicht, die Vorwürfe zu kommentieren. Andererseits ist die Sachlage offenbar recht simpel zu entwirren. Scheele mag Recht haben, allein, was ändert das? Der Verein hat Ismaik wohl angeboten, einen Sportchef seiner Wahl zu installieren. Um ihn endlich zu besänftigen, und nur für den Fall, dass er zuvor die Raten überweist.

"Wir haben nur gesagt: Wenn das Geld kommt, super. Wenn nicht, machen wir mit unserer Planung weiter, die wir eingereicht haben", sagt auch Geschäftsführer Schäfer: "Die Planung wurde auf Grundlage des bestehenden Dreijahresplans gemacht. Es wird einen Nachweisbedarf geben." Es fehlen also mal wieder zwei Millionen Euro zur Deckung des Haushalts, die der DFL gegenüber bis zum 23. Mai nachgewiesen werden müssen. "Ich gehe nicht davon aus, dass ein Investor, der verkaufen will, die Lizenz riskiert", hofft Schäfer.

In der öffentlichen Wahrnehmung hat es dem Investor sicher geschadet, dass mal wieder öffentlich wurde, dass er noch immer gedenkt, seine Anteile an 1860 zu verkaufen. Dass der Geschäftsmann nun auf eigene Kosten in Berater Shehata investiert, ist jedenfalls kein Beleg dafür, dass er langfristige Interessen bei Sechzig hätte: Ein zeitnaher Aufstieg in die erste Liga würde den Wert seiner Anteile drastisch erhöhen. Ob ihm ein Trainer im Ruhestand dabei helfen kann, sei einmal dahin gestellt.

Schäfer muss nun die Personalien der Zukunft zügig planen, ohne auf die Wünsche des einen Gesellschafters einzugehen: "Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit von Florian Hinterberger, wenn er Gespräche führt. Wir arbeiten am Kader für die neue Saison und wollen vor allem junge deutsche Spieler bekommen. Daniel Adlung ist schon ein Fingerzeig in die Richtung." Tja, das wär's dann also auch gewesen mit jenen flinken Afrikanern, von denen Ismaik träumt und die Ismaiks Cousin Noor Basha, gelernter Pharmazeut, wohl am liebsten höchstselbst als Scout gesichtet hätte, wie er der SZ gegenüber andeutete: Dies könne eine seiner "major roles" werden bei 1860, eine seiner Hauptfunktionen. "Wir (die Familie Ismaik, d. Red.) haben im Scouting viele Beziehungen."

Bei seinem ersten Einsatz im nasskalten Hamburg verhielt sich Shehata weitgehend unauffällig, nicht nur bei seiner Flucht aus dem Stadion. Die Fernsehkameras filmten einen Mann im braunen Trenchcoat, der so ungerührt auf der Tribüne saß wie ein Kreuzfahrtschiff, das im Hamburger Hafen vor Anker liegt. Die drei Gegentore schienen keine großen Gefühle bei ihm auszulösen, warum auch, und den einzigen Münchner Treffer durch Rob Friend zum zwischenzeitlichen 1:2 (73.) nahm er auch gelassen hin.

Das für den Spielbetrieb zuständige Personal ist allerdings zunehmend genervt von dem Theater, das der Investorenclan verursacht. "Beim Abschlusstraining war es voll von Kameramännern und Fotografen", klagte Kapitän Benny Lauth, "aber die waren nicht wegen uns da". Das nervt ihn inzwischen gewaltig: "Vor dem Spiel ging es überhaupt nicht um St. Pauli. Das ist nicht gut und stört die tägliche Arbeit."

Auch Trainer Alexander Schmidt wünscht sich eine ruhigere Atmosphäre. Er behauptet zwar, die Störgeräusche zu überhören, fürchtet aber, dass die Spieler sich ablenken lassen durch die tausend Geschichten, die 1860 bewegen: "Ich kann nicht von der Hand weisen, dass das an die Mannschaft rankommt." Hinterberger befand: "Vom Trainer über die Mannschaft bis zur Putzfrau konzentriert sich jeder auf das Spiel." Er meinte die Hamburger.

© SZ vom 15.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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