Matthias Sammer beim FC Bayern:Mahner ohne Bedenken

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Lobt seine Mittelfeldbuben: Matthias Sammer (Foto: Bongarts/Getty Images)

Matthias Sammer, Warner vom Dienst, verteilt im Trainingslager des FC Bayern Komplimente in der Nähe von Denkmalsetzungen. Der Sportchef sieht sich selbst in einer "ehrenvollen Position" - und erhält wohl bald einen neuen Vertrag.

Von Philipp Selldorf, Doha

Viermal mussten die Betreuer zur Behandlung von Akram El Hadi Salim auf den Platz eilen, bis sie ihm nach 70 Spielminuten einen Eisverband um den Oberschenkel legten und ihn mit einem Golfwägelchen vom Platz fuhren. Der Torwart des SC Al-Merrikh hatte bis dahin Großes geleistet im Testspiel gegen den FC Bayern.

Zum Beispiel hatte er einen feurigen Volleyschuss von Mario Mandzukic pariert, vor dem andere Torhüter davongelaufen wären, und als er einmal zum Einfangen einer Flanke emporschoss, als ob er kein Mensch, sondern ein Vogel wäre, brach im Al-Sadd-Stadion enormer Jubel aus. Anders als üblich in Katars hoch dotierter, aber spärlich besuchter Fußball-Liga war das Stadion am Donnerstagabend nämlich gut gefüllt.

Die meisten Leute kamen aber nicht wegen der weltmeisterlichen Bayern, sondern wegen Al-Merrikh, dem Landesmeister der Islamischen Republik Sudan. Viele Sudanesen leben in Katar, und für diesen Anlass waren sogar weitere Landsleute eingeflogen. Die Honoratioren unter ihnen saßen auf Brokatsesseln auf der Ehrentribüne, Diener sorgten für ihr Wohl.

Trainer des Traditionsklubs aus Khartum ist der Deutsche Michael Krüger, 59. Dass Krüger die Leiden seines Torwarts glatt ignorierte, hatte nichts mit Hartherzigkeit zu tun, sondern mit Erfahrung. "Der hat nichts", erläuterte Krüger später, "es ging ihm nur darum, ein paar Sendeminuten extra zu bekommen". Tatsächlich vergaß Akram El Hadi Salim alle Beschwerden, als er Gelegenheit erhielt, seine Heldentaten im katarischen TV zu schildern.

Pep Guardiola hingegen verzichtete auf Sendeminuten und auf das Privileg, den 2:0-Sieg seines Teams zu kommentieren. Diese Ehre überließ der Münchner Trainer dem Sportchef Matthias Sammer, der sich darauf konzentrierte, die Platzverhältnisse zu kritisieren ("suboptimal"), und es ansonsten bei recht allgemeinen Auskünften beließ ("ist ja immer wieder schön, solche Spiele zu machen").

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Zwei Kreuzbandrisse, 13 Monate ohne Fußball - obwohl Holger Badstuber den Fußball vermisst, ermahnt er sich im Trainingslager des FC Bayern selbst zur Geduld. Sein Trainer Pep Guardiola kann sich diese Zurückhaltung leisten.

Von Philipp Selldorf, Doha

Dass der Sieg nach Toren von Julian Green und Claudio Pizarro nicht dazu geeignet war, die schwarze Wüstennacht zu erleuchten - geschenkt. Interessant war aber, dass Guardiola in dieser Partie außer einem Torwart und 20 Feldspielern ein halbes Dutzend neuer Spielideen ausprobierte. Darunter war auch der von Ästheten als Anachronismus verpönte "lange Ball", also der hohe Langstreckenpass - und diesen Kniff hatte der Trainer keineswegs wegen der miesen Platzverhältnisse angeordnet, wie Sammer am Freitag erläuterte, als er erneut mit der Presse die Lage des FC Bayern besprach.

Über das Binnenverhältnis in der sportlichen Führungsetage des FC Bayern dringt zurzeit bemerkenswert wenig nach draußen. Guardiola erledigt seinen gesetzlich vorgeschriebenen Anteil an Öffentlichkeitsarbeit, er erfüllt verbindlich seine Pflichten, aber er hält Distanz zum Klubpersonal. Und auch der Sportchef Sammer, der in Doha jede Trainingseinheit anschaut, muss ein wenig spekulieren, was der spanische Trainer so alles plant.

Er hat aber längst gelernt, dass Guardiola die Vorgaben ans Team permanent variiert, und dass dies auch im neuen Jahr nicht anders sein wird. "Pep ist immer wieder darauf bedacht, zu spüren, wie weit die Mannschaft ist", sagt Sammer. Am Freitag war sie soweit, dass der Trainer zur Belohnung fürs gute Arbeiten einen kompletten Tag frei gab. Manche vertrieben sich die Zeit trotzdem beim Training - jedoch beim Training der Anderen. Mario Götze etwa schaute entspannt den Kollegen aus Schalke zu, die wie üblich zur Vormittags- und Nachmittagsschicht anrücken mussten.

Von Urlaubsstimmung kann aber auch im bayerischen Lager keine Rede sein: Die Intensität und die Präzision, mit der die Münchner arbeiten, sind staunenswert; das pedantische Detailbewusstsein, mit dem Guardiola die Trainings-Parcours abstecken lässt, trägt preußische Züge; der Einsatzeifer der Profis ist der von Einser-Abiturienten. Deshalb kommen nun die Experten gepilgert. In Doha sprach André Villas-Boas, vormals Tottenham- und Chelsea-Trainer, beim Guru Guardiola vor.

Für die Konkurrenz aus Dortmund, London oder Madrid, die darauf hofft, dass die Bayern 2014 vielleicht etwas nachlassen könnten, hat Sammer folgerichtig keine guten Nachrichten. Bestens gelaunt konstatiert er "eine super Ausgangsposition", das einzige, woran es bei ihm mangelt, sind Bedenken. "Mich plagen keine Zweifel, dass wir 2014 nichts gewinnen könnten", sagt er.

"Außergewöhnliche Super-Spieler"

Seine Komplimente an die Mitarbeiter sind bereits in das Stadium von Denkmalsetzungen eingetreten: Philipp Lahm bezeichnet er als "einen der größten Spieler, den der deutsche Fußball jemals hatte"; die Mittelfeldbuben Thiago und Götze adelt er als "außergewöhnliche Super-Spieler"; und Franck Ribéry hat seiner Auffassung zufolge selbstredend die Krone des Weltfußballers verdient, "weil es die logische Konsequenz ist".

Seine Rolle als Mahner und Warner scheint sich Sammer für andere Tage aufheben zu wollen. Alltagsfragen verblassen vor dem glanzvollen Ist-Zustand. Meldungen, der Frankfurter Mittelfeldspieler Sebastian Rode werde sich im Sommer den Bayern anschließen, wies Sammer als irrelevant zurück ("Da wir nichts verkündet haben, gibt es zu dem Thema nichts zu sagen"), und dass die Quelle dieser Meldung Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen war, konnte ihn auch nicht beeindrucken ("Er kann sagen, was er möchte").

Selbst sein eigener, demnächst zur Verlängerung anstehender Vertrag interessiert Sammer angeblich nicht, derzeit genügt es ihm, sich als Mitarbeiter des FC Bayern "in einer absolut ehrenvollen Position" zu wissen.

Eine typische Münchner Sitte verlangt, dass das Wintertrainingslager des FC Bayern jedes Mal zum "besten Trainingslager aller Zeiten" ernannt wird. Diesmal besteht womöglich mit Recht Rekordverdacht. Auch Michael Krüger war beeindruckt. "Für den Sudan und unseren Klub war dieses Spiel ein historisches Ereignis", hielt der Trainer fest. Akram El Hadi Salim hat also alles richtig gemacht, als er sich ins Fernsehbild simulierte.

© SZ vom 11.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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