Stürmer des BVB:Projekt Marco Reus

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Marco Reus (o.): Stellt Löw und Tuchel vor schwierige Aufgaben (Foto: AP)
  • Alle, die über Talent von Marco Reus reden, geraten ins Schwärmen, aber es sind dieselben Experten, die nicht mehr schwärmen, wenn sie nach Reus' aktueller Leistung gefragt werden.
  • Vor anderthalb Jahren war Reus auf dem Weg, so gut zu werden, wie seine Anlagen das von ihm eigentlich verlangen, und es wurde allgemein als Schicksalsschlag begriffen, als er sich vor der WM verletzte.
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Von Christof Kneer, Mainz

Pierre-Emerick Aubameyang ist bei Borussia Dortmund als Elfmeterschütze eingeteilt, es war also klar, dass gleich das 2:0 fallen würde. Aubameyang gelingt im Moment ja alles, außer danebenschießen, und natürlich würde er jetzt die Chance nutzen, diesen Rekord aufzustellen. Saisonübergreifend hatte der Stürmer in zehn Ligaspielen hintereinander mindestens einmal getroffen - wie bisher nur Klaus Allofs vor über 30 Jahren. In elf Spielen hintereinander zu treffen, war noch keinem gelungen. Aber leider hat der Mainzer Torwart Loris Karius den Elfmeter dann gehalten. "Schwach geschossen" habe er, sagte der Schütze später, "das wurmt mich sehr." Der Schütze war: Marco Reus.

Der deutsche Fußball hat seit einiger Zeit ein Projekt laufen, es geht darum, dem Land einen seiner begabtesten Spieler zu erhalten. Alle, die über Talent von Marco Reus reden, geraten ins Schwärmen, aber es sind dieselben Experten, die nicht mehr schwärmen, wenn sie nach Reus' aktueller Leistung gefragt werden. Reus, 26, ist zurzeit der Konjunktiv-Spieler im Weltmeisterland: Wenn er mal gesund und konstant in Form wäre, dann . . . Es weiß allerdings niemand, was dann wäre, weil es mit der Kombination "gesund + konstant" bei Reus so wenig Erfahrungswerte gibt.

Bisweilen fehlt es Reus noch an der gesunden Selbsteinschätzung

Die fähigsten Trainer des Landes kämpfen im Moment um Marco Reus. Bundestrainer Joachim Löw hat ihn beim Länderspiel gegen Irland demonstrativ auf dem Feld gelassen, er hat gehofft, dass Reus sich den Frust mal von der Seele schießt, aber am Ende hatten die Iren ein Tor zu verzeichnen und Reus fünf Fehlschüsse von unterschiedlicher Dramatik.

Und in Dortmund probiert es der Trainer Thomas Tuchel mit allen Mitteln, die einem Trainer zu Verfügung stehen; er bittet den Spieler zu Einzelgesprächen, erklärt ihm seine Rolle und seinen Stellenwert; manchmal streicht er ihn auch aus der Startelf, wie beim Spiel in München; und gerade versucht er, das Thema "Elfmeterfehlschuss" so heiter wie möglich abzuhandeln.

Erleichtert wurde Tuchels Argumentation immerhin, weil Reus bei Dortmunds 2:0-Sieg am Freitagabend in Mainz das wichtige 1:0 geschossen hatte; der Elfmeter sei "dadurch in seiner Wertigkeit gesunken", folgerte Tuchel tapfer, "sonst hätten wir ein Thema gehabt, das wir nicht brauchen. So haben wir ein schönes Thema: Marco hat die Weichen auf Sieg gestellt".

Vor anderthalb Jahren war Reus auf dem Weg, so gut zu werden, wie seine Anlagen das von ihm eigentlich verlangen, und es wurde allgemein als Schicksalsschlag begriffen, als er sich vor der WM verletzte. Einen Teilriss der linken vorderen Syndesmose und einen knöchernen Bandausriss an der Fersenbein-Vorderseite möchte allein schon wegen des Namens keiner haben, und dann hat Reus auch noch erleben müssen, wie die anderen ohne ihn Weltmeister wurden. Dieses Schild klebt jetzt an seiner Stirn: Achtung, der gewinnt nix!

In Dortmund hat er jetzt einen Trainer, der nicht an Kategorien wie "Zufall" oder "Pech" glaubt. Tuchel hat sich vorgenommen, diesen potenziellen Weltklassespieler vom Weg des geringsten Widerstands abzubringen, er will ihm Verantwortung, Zutrauen und eine gesunde Selbsteinschätzung beibringen. Dass er sich - zum Beispiel - nur dann einen Elfmeter schnappt, wenn er ihn dann auch verwandelt.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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