Leverkusen in der Champions League:Zehn bittere Minuten

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Sergi Roberto (re.): Ausgleich zum 1:1 (Foto: REUTERS)
  • Bayer Leverkusen steht im Camp Nou vor dem Überraschungssieg gegen den FC Barcelona.
  • Doch kurz vor dem Ende schaffen die Gastgeber es, das Spiel zu drehen.
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Viel hat nicht gefehlt für einen Coup von Bayer Leverkusen im Camp Nou, dem großen Stadion des FC Barcelona. Bis zur 80. Minute verteidigte der Bundesligist einen 1:0-Vorsprung beim Champions-League-Gastspiel in Katalonien, dann drehte der Titelverteidiger die Partie innerhalb von zwei Minuten noch zum 2:1 (0:1) und nahm seinen Gästen damit auch die Tabellenführung in der Gruppe E ab. "Es ist bitter, in so kurzer Zeit zwei Tore zu kassieren", sagte Bayer-Kapitän Lars Bender: "Wir waren nah dran, für eine kleine Sensation zu sorgen." Sein Nebenmann im Mittelfeld, Weltmeister Christoph Kramer, sah das genauso: "Ich will nicht größenwahnsinnig klingen", sagte er im TV-Sender Sky, "aber heute müssen wir eigentlich gegen Barcelona gewinnen."

Denn in Barcelona war großes Drama gewesen in den vergangenen Tagen, weil sich Lionel Messi - der viermalige Weltfußballer, Denker und Lenker des Barça-Spiels - in der Ligapartie gegen Las Palmas (2:1) am Samstag einen Innenbandriss im rechten Knie zugezogen hatte und nun rund zwei Monate fehlt. "Das ist eine Prüfung, aber wir werden die Herausforderung annehmen", hatte Trainer Luis Enrique schicksalergeben gesagt: "Es ist immer schlimm, wenn ein Spieler verletzt wird, aber wenn es Messi ist, versteht jeder, was das für unsere Mannschaft bedeutet." Nämlich eine Schwächung, wie ja auch Leverkusens Coach Roger Schmidt verstand: "Weil Messi in der Lage ist, aus dem Nichts Dinge zu kreieren wie kein anderer auf der Welt."

Barcelona wirkt uninspiriert

Im ersten Spiel nach Messis Verletzung verharrte der FC Barcelona zwar nicht gerade in einer Schockstarre, agierte aber insgesamt doch recht uninspiriert. Nur selten blitzte etwas von dem Können auf, das die Mannschaft in der vorigen Saison durch die Champions-League-Saison zum Titelgewinn getragen hatte.

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In der Anfangsphase musste Bayer-Torwart Bernd Leno noch zweimal eingreifen, als Ivan Rakitic in der Strafraummitte völlig frei zum Kopfball gekommen war (6.) und wenig später der 20 Jahre alte Messi-Ersatz Sandro Ramírez in ähnlicher Position zum Schuss (10.). Doch Leverkusen hatte die Lücken in seiner Defensive bald abgedichtet und setzte dann selbst offensiv Akzente. Nach einer scharf auf den nahen Pfosten getretenen Ecke von Hakan Calhanoglu köpfte Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos sogar aus nächster Distanz zum 1:0 ein (22.).

Barcelonas deutscher Torwart Marc-André ter Stegen hatte dabei keine gute Figur gemacht, wie schon mehrmals in dieser Saison: Er kam nicht rechtzeitig zur Faustabwehr von der Linie. Allerdings hatte Barça-Verteidiger Mathieu seinen Leverkusener Kollegen auch nicht wirklich gestört.

In der Folgezeit waren die Leverkusener dem zweiten Tor näher als Barcelona dem Ausgleich. Mit aggressivem Pressing nahmen sie den Spaniern immer wieder den Ball ab, spielten ihn bei den durchaus vorhandenen Kontergelegenheiten aber nicht präzise genug in die Spitze. Ter Stegen wurde vor der Pause jedenfalls nur noch einmal geprüft: Nachdem sich Karim Bellarabi auf der linken Seite gegen Gerald Piqué durchgesetzt hatte, wehrte der Keeper dessen Schuss mit einem Reflex noch ab (36.).

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Den Titelverteidigern aus Barcelona fiel in dieser Phase wenig bis nichts ein. Bezeichnend, dass Angreifer Neymar einen Elfmeter schinden wollte - er sah für seine Schwalbe die gelbe Karte (39.). Eher glücklich kamen die Gastgeber vor der Pause noch zu einer Chance: ein abgefälschter Schuss von Neymar kullerte an den Pfosten, in den Nachschuss von Sandro Ramirez warf sich Papadopoulos (39.).

Luis Enrique inspiriert Barcelona

In der Pause gab Trainer Enrique seinen Profis offensichtlich ein paar Ideen an die Hand, die Spanier drängten die Leverkusener jedenfalls zunächst arg weit in die Defensive zurück. Sandro Ramirez und Neymar schlüpften zweimal durch Lücken in der Bayer-Abwehr, brachten den Ball aber nicht aufs Tor (52. bzw. 57.). Dennoch hatte Leverkusen in dieser Phase auch die große Chance, die Partie vorzeitig zu entscheiden: Nach einem Konter drosch Javier "Chicharito" Hernandez den Ball freistehend vom Elfmeterpunkt aus in den Nachthimmel (50.).

Das sollte sich rächen, wie Kapitän Bender einräumte: "Wir sind zum Teil selbst Schuld. Die Konter hätten wir seriöser durchspielen müssen." Die Bayer-Elf schaffte es nicht mehr, sich aus der Abwehr zu befreien, Luft zu holen, für Entlastung zu sorgen. In den letzten 20 Minuten wuchs der Druck, dabei machten sich zwei Einwechslungen von Trainer Enrique bezahlt: Einen Schuss des für Sandro Ramirez gekommenen Munir konnte Bayer-Torwart Leno nur zur Seite abklatschen, wo der für Rakitic gekommene Sergi Roberto abstaubte (80.). Zwei Minuten später sorgte der zuvor unauffällige Luis Suárez mit einer Direktabnahme nach Vorarbeit von Munir für das 2:1.

"Barcelona hat eine enorme Qualität", resümierte Bender: "Alles lässt sich nicht vermeiden." Immerhin gab es diesmal keine Demütigung für Leverkusen wie vor dreieinhalb Jahren: Da verlor der Werksklub das Achtelfinal-Spiel im Camp Nou 1:7. Lionel Messi hatte damals fünf Tore erzielt, auch daran kann man sehen, was der Argentinier für einen Unterschied macht.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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