Fußball:Das alte Wolfsburg fehlt der Bundesliga

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Alle laufen in verschiedene Richtungen: Dem VfL Wolfsburg fehlen die Führungsspieler. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Im Jahr der Magath-Meisterschaft oder des De-Bruyne-Pokalsiegs war Wolfsburg eine Attraktion. Jetzt zeigt sich: Die Nullnull-Liga könnte eine Offensivelf wie den VfL von einst gebrauchen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Kurios ist es schon, wenn ein Profi zeitgleich in zwei Stadien vermisst wird. In zwei Ländern. In zwei Ligen. In der Premier League und in der Bundesliga. Gut, Manchester City hat sich den Transfer von Kevin De Bruyne über den Kanal angeblich circa 74 Millionen Euro kosten lassen, von denen - nach Abzug aller Gebühren - ein Großteil in der Kasse des VfL Wolfsburg angekommen sein sollte.

Aber Geld verhiflt bekanntlich nicht immer zum Glück, zumal wenn sich die Lücke, die der Verlust gerissen hat, so schmerzhaft zeigt wie beim 0:3 der Wolfsburger bei Schalke 04. Diese Mannschaft, das hat das nahezu kampflos verlorene Bundesliga-Duell bestätigt, hat binnen weniger Monate ihre Kernkompetenz verloren: Jene Unwiderstehlichkeit, personifiziert durch De Bruyne, 24, durch die sie kurz zur ersten Adresse hinter dem FC Bayern und im Mai zum DFB-Pokalsieger werden konnte.

Nur 1:3 war Manchester City am Samstag unterlegen, ohne De Bruyne, der gerade am Knie verletzt pausieren muss. Auch City erfährt nun, wie abhängig eine Mannschaft von einem Profi werden kann, der das gewisse Etwas hat. Dessen Charakter, dessen Energie auf alle abstrahlt. Vermisst wurde De Bruyne während einer Demütigung durch den aktuell populärsten Außenseiter des Weltsports: durch Leicester City, den Überraschungs-Tabellenführer aus der Premier League.

Ein Quartett in der Spitzengruppe neutralisiert sich taktisch clever

Einen solchen Seitenblick rüber auf die Insel gestattete die Bundesliga an ihrem 20. Spieltag, denn die Spitzengruppe zog sich mit zwei Nullnummern dezent aus der Affäre. Es waren zwei Spiele, die reif und kampfbetont wirkten, was auch als Qualitätssiegel für diese Liga gewertet werden kann.

Allerdings wurden die Duelle Hertha gegen Dortmund und FC Bayern gegen Leverkusen relativ ereignisarm über die Zeit gebracht, da sich das Quartett taktisch clever neutralisierte. Hätte José Mourinho, der seit seiner Entlassung beim FC Chelsea als Zaungast durch Europa tourt, etwas Turbulenteres erleben wollen, hätte er unbedingt zu Frankfurt gegen den VfB Stuttgart gehen müssen: 5:4 für den VfB, 4:1 für Frankfurt und nun 4:2 für den VfB - das sind die jüngsten drei Resultate, das nennt man eine spektakuläre Serie.

Da solche Resultate meist aber auch die Summe aller Fehlerketten sind, war der Riegel- und Catenaccio-Fachmann Mourinho im Berliner Olympiastadion ganz gut aufgehoben, wo sich der Zweite (Dortmund) und der Dritte (Hertha) ineinander verhakten. Solche Nullnull-Duelle sind auf die Dauer nur etwas für einen erlesenen Expertenkreis, weniger fürs breite Publikum. Und weil die Bundesliga inzwischen im Kampf um die globale Gunst der Fans zwar weit hinter die Premier League zurückgefallen ist, sie diesen Kampf jedoch noch nicht aufgegeben hat, braucht sie jedes konkurrenzfähige Spitzenteam - und deshalb eigentlich sogar den VfL Wolfsburg.

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Jedenfalls jenen VfL, dem in 2009 diese torreiche Felix-Magath-Meisterschaft gelang. Oder jenen Kevin-De-Bruyne-VfL, der in 2015 derart griffige Unterhaltung bot, dass darüber nicht wenige den landläufigen Vorwurf an den Standort (Werksklub!) verdrängten.

Sie verwalten ein Führungsspieler-Vakuum

In Kürze zieht Wolfsburg nicht gerade als Außenseiter ins Achtelfinale der Champions League gegen die Belgier des KAA Gent, doch in der Tabelle der Bundesliga rast der Fahrstuhl nach dem Rückrunden-Fehlstart nach unten. Halt macht der VfL gerade auf Platz acht, also nicht einmal mehr auf einem Europa-League-Startplatz.

Den Autoritätsverlust dieser Mannschaft nach der Trennung von De Bruyne hat Manager Klaus Allofs durch das Engagement von viel Prominenz aus der deutschen Nationalmannschaft aufzufangen versucht (Draxler, Kruse, Schürrle), doch das macht es nur noch augenfälliger, dass diese Organisation derzeit ein Führungsspieler-Vakuum verwalten muss. Perspektivisch gibt es zudem ein gravierendes Problem: Teure Transfers werden der von der Diesel-Krise geplagten Belegschaft von VW kaum zu vermitteln sein.

Bleibt für den Augenblick nur ein ganz schwacher Trost: Das Einzige, was den VfL am Samstag mit all den Klubs an der Tabellenspitze, an der er unlängst noch verortet war, verbunden hat, war diese Zahl "0". Mehr als null Tore haben auch Leverkusen und der FC Bayern, die Hertha und der BVB zusammen nicht geschossen.

© SZ vom 07.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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