Kapitalerhöhung bei Borussia Dortmund:Frisches Geld aus dem Chemie-Labor

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Ein Küsschen für den Rivalen und Erzfeind: Der BVB rückt den Bayern auf die Pelle. (Foto: Tal Cohen/dpa)

Hauptsponsor Evonik steigt bei Borussia Dortmund mit knapp 27 Millionen Euro als Gesellschafter ein - weitere könnten folgen. Damit nähert sich der Fußball-Bundesligist finanziell dem großen Konkurrenten FC Bayern an.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Nebenan geht der Alltag weiter. Teenager und Kinder toben durch das Borusseum, das Museum der BVB-Geschichte im gigantischen Dortmunder Stadion. Auf Leinwänden schießen dort Adi Preißler, Lothar Emmerich oder Lars Ricken ihre historischen Tore in Endlosschleifen.

Im großen Konferenzraum in der Nordtribüne des Signal-Iduna-Parks, nur ein paar Meter entfernt, hatten unterdessen Hans-Joachim Watzke und Klaus Engel sichtlich das Gefühl, selbst Geschichte des Ruhrpott-Klubs zu schreiben. Der Spezialchemie-Konzern Evonik Industries, seit 2006 Trikotsponsor in Dortmund, steigt nun auch als Gesellschafter bei Deutschlands einzigem börsennotierten Fußballklub ein.

Gesamtpaket von etwa 300 Millionen Euro
:Hauptsponsor steigt groß bei Borussia Dortmund ein

Borussia Dortmund will nun den FC Bayern auch finanziell herausfordern: Der langjährige Hauptsponsor Evonik erwirbt für knapp 27 Millionen Euro einen Anteil von etwa neun Prozent am BVB. Der Deal soll erst der Anfang einer weiteren Öffnung für strategische Partner sein.

Evonik-Vorstandschef Engel verkündete strahlend, dass sein Unternehmen sich ab sofort mit rund neun Prozent am BVB beteiligen werden. Die Kapitalerhöhung bringt Borussia Dortmund zunächst etwa 26,7 Millionen Euro. Allerdings kündigte der BVB-Chef an, dass "eine weitere Kapitalmaßnahme" unmittelbar bevorstehe und "noch zwischen dem 1. Juli und dem 30. September" stattfinden werde.

Evonik hat etwa sechs Millionen Aktien erworben. Dortmund kann - so ist die Beschlusslage - weitere 24,6 Millionen Aktien anbieten. Bliebe der Kurs in etwa bei jenen 4,60 Euro, bei denen er sich in den vergangenen Tagen einpendelte, würde die zweite Kapitalerhöhung weitere 100 bis 110 Millionen Euro bringen. In der Summe kämen also 130 bis 140 Millionen Euro zusammen.

Borussia Dortmund begibt sich damit, wie Geschäftsführer Watzke schon vor Kurzem der SZ sagte, auf einen ähnlichen Finanzierungsweg, wie ihn der große Münchner Rivale FC Bayern schon länger geht. Bei der Münchner Fußball-AG, die nicht börsennotiert ist, sind die drei langjährigen Sponsoren Adidas, die VW-Tochter Audi und zuletzt die Allianz als Gesellschafter eingestiegen.

Nicht viele Partner kommen in Betracht

Dieses Modell, Langzeit-Sponsoren auch für eine Kapital-Beteiligung zu gewinnen, verfolgt nun auch Watzke. Kein Wunder, dass man in Dortmund hört, der Stadion-Namensgeber Signal-Iduna und der Sportmarken-Partner Puma würden bei der zweiten Runde des Geldsammelns ebenfalls mit ins Boot steigen. Watzke sagte dazu nur: "In der Tat kommen nicht allzu viele Partner in Betracht. Wir führen aber mit mehreren Unternehmen Sondierungsgespräche."

Auf die Frage, ob sich Evonik, das vor rund einem Jahrzehnt als Chemie-Spezialist aus der ehemaligen Ruhrkohle ausgegründet wurde und weltweit 33 000 Mitarbeiter hat, auch an der zweiten, deutlich größeren Tranche der Kapitalerhöhung beteiligen werde, blieb Engel noch etwas vage. Man prüfe dies. Allerdings schwelgte Engel ansonsten in hohen Tönen, wie lohnend die Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden BVB für sein Unternehmen sei, dass man sich eine Aufstockung des Evonik-Anteils gut vorstellen kann. In der BVB-Aktie, so Engel, stecke "noch Phantasie". Der Kurs bilde die Werte des BVB nicht ab.

Dortmund gilt, glaubt man mehreren Studien, als "sympathische" Fußballmarke in Deutschland, die bei den Zuschauern offenbar auch weniger polarisiert als etwa die Bayern, die man entweder liebt oder hasst. Die Transferwerte der BVB-Stars, von Marco Reus über Mats Hummels und Ilkay Gündogan bis zum frisch verpflichteten italienischen Torschützenkönig Ciro Immobile werden auf 350 Millionen Euro geschätzt, der Wert des größten deutschen Stadions auf 190 Millionen Euro. Der Börsenwert liegt bei unter 300 Millionen Euro.

Engel zitierte den Schauspieler Joachim Król, einen bekennenden Fan der Borussia. Der habe es wunderbar auf den Punkt gebracht: "Nach der Musik ist Fußball die zweite Weltsprache." Von der internationalen Sympathie für den Fußballklub Borussia Dortmund profitiere ein Unternehmen wie Evonik. "Das spüren unsere Mitarbeiter, wenn sie in Asien oder Lateinamerika bei Geschäftspartnern sind." Evonik hofft auf also einen positiven Imagetransfer.

Der BVB will mit dem Geld Matthias Ginter kaufen

Eine "Transfer-Offensive", so dämpfte BVB-Chef Watzke allerdings die Frühlingsgefühle vieler Fans, werde man nicht anstreben: "Wir verdienen ja Geld und können daraus, wie man sieht, alle gewünschten Spielertransfers lösen." Watzke nannte allerdings explizit den Freiburger Jung-Nationalspieler Matthias Ginter, den der BVB gerne im Breisgau loseisen möchte.

Man habe außerdem ins Auge gefasst, die Rest-Hypotheken - rund 35 Millionen Euro - auf dem klubeigenen Stadion Signal-Iduna-Park abzulösen. Allein dadurch würde der Klub im Jahr fünf Millionen Euro einsparen und "in die Mannschaft stecken" können. Auch das Firmengebäude am schicken Rheinlanddamm könnte komplett abgelöst werden. Direkt neben dem Stadion baut der Klub eine "Fanwelt".

Hans-Joachim Watzke im Interview
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Von Freddie Röckenhaus

"Wenn man auf einen Schlag eine Menge Geld in die Hände bekommt", warnte Watzke, wohl in Erinnerung an seine Vorgänger, die schon drei Jahre nach dem ersten Börsengang vor einem Scherbenhaufen standen, "besteht immer die Gefahr, damit Unsinn zu machen". Dortmund werde jedoch weiter auf Wachstum setzen. "Wenn wir unseren Umsatz um 100 Millionen Euro steigern, erst dann können wir davon 40 Millionen Euro in unsere Mannschaft stecken."

Für das am Montag endende aktuelle Geschäftsjahr kündigte Watzke an: "Wir haben erneut Geld verdient, auch ohne Transfererlöse." In den vergangenen beiden Jahren hatte der BVB, entgegen allen Gepflogenheiten im Fußball-Business, sogar kleine Dividenden aus den Millionen-Gewinnen ausgezahlt. Der Rekordumsatz des vergangenen Jahres (305 Millionen Euro) basierte allerdings zum Teil auf dem Transfer von Mario Götze zum FC Bayern, der allein 37 Millionen Euro einbrachte.

Im Wettlauf mit dem FC Bayern wähnt Watzke seine Dortmunder zwar weiterhin "um Jahre im Rückstand". Engel und Watzke kündigten auch die Verlängerung des Evonik-Vertrages als Hauptsponsor bis 2025 an. Es wird geschätzt, dass die jährliche Zuwendung deutlich über 20 Millionen Euro steigen werde. Das läge nur noch knapp unter den gut 25 Millionen, die Sponsor Telekom angeblich dem FC Bayern überweist. Zuletzt hatte der BVB immer wieder selbst aufgebaute Stars wie Sahin, Kagawa, Götze oder zuletzt Lewandowski an "global player" wie Real Madrid, Manchester United oder den FC Bayern verloren, weil dort viel mehr verdient wird.

Die beiden Ruhrpott-Unternehmen mit ihren globalen Ambitionen wollen das in Zukunft gemeinsam verhindern - mit frischem Geld und Geschick.

© SZ vom 28.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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