Kapitän des FC Bayern:Vernarrt in Lahm

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Plötzlich Doppeltorschütze: Philipp Lahm. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Einst brillierte er als Außenverteidiger, nun im offensiven Mittelfeld: Zwei Treffer gegen Bremen dokumentieren die erstaunliche Entwicklung von Philipp Lahm. Trainer Pep Guardiola ist zutiefst dankbar.

Von Saskia Aleythe

Etwas ist anders seit diesem Samstag im Oktober, die Welt ist um ein Bild reicher. Es gab Zeiten, in denen die Existenz von Philipp Lahm auf dem Fußballplatz überhaupt nicht von den Fotografen gewürdigt wurde, da konnte er sauber grätschen und passen, wie er wollte.

So ein Defensivmeister ist nicht das Lieblingsmotiv, doch nun gibt es einen anderen Lahm: einen, der jubelt, die Hände zur Faust formt, mit Triumphgeste im Gesicht, vereinigt in einem Sprung der Ekstase. Verhalten noch, mit Potential nach oben.

"Es ist immer etwas Besonderes, Tore zu erzielen", sagte Lahm im Anschluss, "das kommt bei mir ja nicht so häufig vor." Gleich zwei Tore waren ihm beim 6:0 gegen Werder Bremen gelungen. In der 20. Minute war Lahm durch einen Oberschenkelabpraller von Thomas Müller zentral zum knackigen Schuss gekommen, in der 79. Minute schob er den Ball nach Doppelpass mit Xherdan Shaqiri durch die Beine von Raphael Wolf. Und auch wenn der Tabellenletzte null Gegenwehr zeigte: Diese Treffer hatten in der Entwicklung des Philipp Lahm durchaus Aussagekraft. Wie komplett kann ein Spieler sein?

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Während die Bremer sich mit ihrem desaströsen Saisonstart quälten und Fragen zur Zukunft von Trainer Robin Dutt abarbeiteten, hatten die Münchner ausgiebig Zeit und Gelegenheit, Lahms Tore süffisant zu kommentieren. Er hätte sich eigentlich einen Hattrick gewünscht, meinte Trainer Pep Guardiola und kündigte an, Lahm vielleicht das nächste Mal nicht aufstellen zu wollen.

"Wer getippt hat, dass ich heute zwei Tore mache, der ist reich", sagte Lahm selber, "ein Doppelpack ist mir zuletzt in der Jugend passiert, ich weiß auch nicht, ob das nochmal passieren wird." Ob er jetzt am Titel der Torjägerkanone arbeite, wurde Lahm noch scherzhaft gefragt, die entsprechende Antwort: "Ich bin nah dran, das werde ich jetzt durchziehen, den Rest der Saison." Immerhin: Thomas Müller und Arjen Robben sind nur einen Treffer vor ihm.

Pep Guardiola hatte sich schon wieder etwas ausgedacht, er setzte Lahm gegen Bremen noch offensiver ein als bisher. "Das war meine Aufgabe, dafür haben Xabi Alonso und Pierre-Emile Höjbjerg eher defensiver agiert. Dadurch war ich näher am gegnerischen Sechzehner", bestätigte Lahm. Es ist wieder ein neuer Anreiz für ihn, für den Trainer, die Zuschauer. Und eine Herausforderung für den Gegner.

Das Jahr 2014 ist nicht nur eines, in dem Torhüter zum Libero mutieren, sondern auch eines, in dem einstige Abwehrspieler plötzlich Torschützen werden. Philipp Lahm galt schon früh als flexibel, was seine Position auf dem Rasen angeht - doch die Diskussionen beschäftigten sich einst lediglich mit der Frage: Links- oder Rechtsverteidiger?

Lahm beherrschte seinen Job auf der rechten Seite perfekt, er stellte sich um, beherrschte auch links seinen Job perfekt. Dann kam Guardiola nach München, mit Lobeshymnen im Gepäck: "Er ist für mich der intelligenteste Spieler, den ich je in meiner Karriere trainiert habe. Ich bin froh, hier zu sein, nur weil ich ihn trainieren darf."

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Weil der Katalane vernarrt ist in Mittelfeldspieler und die Münchner in der Abwehrreihe auch ohne Lahm gut aufgestellt sind, rückte er ihn auf die Position des Sechsers. Lahm machte seinen Job, na klar, perfekt. Spielübersicht, Passsicherheit, Zweikampfstärke - Qualitäten, die sich nicht nur hinten vorm Tor gut machen. Durch Guardiolas Umstellung wurde erst sichtbar, was dieser Lahm noch alles kann. Auch für Joachim Löw.

Bei der WM kam dem Bundestrainer der neue Mittelfeldakteur gerade recht: Als Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira nach Verletzungen noch an ihrer Fitness feilten, war Lahm auf der Spielmacher-Position von unschätzbarem Wert. Und als sich Shkodran Mustafi im Achtelfinale gegen Algerien verletzte, kehrte er eben in die Abwehr zurück. Lahm war der universale Rettungshelfer bei dieser WM - und wird wohl nie in Gänze zu ersetzen sein nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

"Er ist einer der fünf besten Spieler in der langen Geschichte von Bayern München", erneuerte Guardiola am Samstagabend sein Lob für Lahm, "für mich ist es eine Riesenehre, sein Trainer sein zu dürfen". Für die Umsetzung seiner taktischen Ideen hat Lahm durch die Länderspielpausen mehr Zeit und Kraft als zuvor. Torjäger wolle er nun trotzdem nicht werden, sagte Lahm noch. Für Jubelbilder sollen dann wieder die anderen sorgen.

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