Julian Nagelsmann:Erstmals im Gegenwind

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Steckt in der entscheidenden Phase zur Trainerwerdung: Hoffenheims Julian Nagelsmann. (Foto: dpa)

Julian Nagelsmann ist ein außergewöhnliches Trainertalent, der nun erstmals Widerstände meistern muss. Er hat gelernt, dass es manchmal schlauer sein kann, eine Pointe weniger zu machen.

Kommentar von Christof Kneer

Alle sechs Monate gibt das Fachblatt kicker eine Umfrage unter Fußballprofis in Auftrag. Die Profis dürfen dann sagen, wer für sie im abgelaufenen Halbjahr der beste Torwart war, der beste Feldspieler oder Schiedsrichter, und eine Frage lautet auch immer: Wer muss in die Relegation? Gut, die erste und die letzte Rubrik (Torwart/Relegation) könnten sie sich sparen, weil da sowieso immer Manuel Neuer und der HSV gewinnen, es sei denn natürlich, einer von beiden ist verletzt.

Der Preis für den besten Torhüter ging diesmal an den Schalker Ralf Fährmann, vertretungsweise nur, aber dennoch bezeichnend. Denn Schalker Profis kommen diesmal an den prominentesten Plätzen dieser Umfrage vor, und der Klub Schalke 04, ansonsten ein stabiler Sieganwärter in der leider nicht vorhandenen Kategorie "Chaosklub", belegt sogar Rang zwei in der Sparte "positive Überraschung der Saison". Woran das liegt?

Nagelsmann hat die entscheidende Phase noch vor sich

Hierzu ein Blick in die Rubrik "Gewinner unter den Trainern": Dort wählten die Profis den Schalker Domenico Tedesco, mit großem Vorsprung vor Jupp Heynckes. Dahinter: Manuel Baum und Heiko Herrlich. Zusammengefasst unter "Sonstige" folgen alle anderen, inklusive des klaren Siegers der vergangenen Abstimmung, Julian Nagelsmann.

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Von Christof Kneer

Im Sommer sah es noch so aus, als könnte Nagelsmann der Manuel Neuer unter den Trainern werden, unschlagbar auf Jahre hinaus. Seine Hoffenheimer Elf: in der Champions-League-Qualifikation. Seine Spieler: alle besser geworden. Und der Trainer selbst: ein Riesentyp, modern in den Methoden, mitreißend in den Ansprachen, sehr lässig bei seinen Pointen und selbstverständlich umschwärmt von Dortmund und dem FC Bayern.

Ein halbes Jahr später ist Nagelsmann das meiste davon immer noch, aber dieses halbe Jahr hat gezeigt, was dieser junge Mann war und vermutlich noch ist: ein außergewöhnliches Trainertalent, dessen Charisma davon abgelenkt hat, dass er eine zur Trainerwerdung entscheidende Phase noch vor sich hat. Es ist die Phase, in der er nun steckt. Seine TSG: in den Champions-League-Playoffs ins Verderben gerannt, in der Europa League ruhmlos rausgeflogen und in der Liga Siebter. Der Klub verliert wichtige Spieler wie Stürmer Mark Uth, der sich im Sommer Schalke 04 anschließt. Und der Trainer selbst: zunehmend gereizt, weil er feststellen muss, dass bei seinen Pointen nicht alle an denselben Stellen lachen. Und dass Menschen und Medien sich mit Wonne auf Bilder wie jene stürzen, die ihn mit rotem Mantel auf der Tribüne des roten FC Bayern zeigen.

Nagelsmann lernt gerade zum ersten Mal in seiner bisher maximal erfolgreichen Karriere, wie es sich anfühlt, im Gegenwind zu coachen. Er lernt, dass es mitunter schlauer ist, zum roten Mantel eine Pointe weniger zu machen, weil konservativere Herren wie Uli Hoeneß oder Dietmar Hopp die Pointen als Koketterie begreifen und ihn deshalb entweder nicht mehr so dringend verpflichten (Hoeneß) oder zum Trotz nicht freigeben wollen (Hopp). Wenn es gut ausgeht für Nagelsmann, wird er sich später mal schmunzelnd an diese Zeit erinnern: die Zeit, in der ein großer Trainer lernen musste, als Trainer vollends erwachsen zu werden.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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