Joachim Löw vor dem Auftakt gegen die Ukraine:Götze? Gomez? Oder Götze und Gomez?

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Mario Gomez und Mario Götze beim Training. (Foto: AFP)

Vor dem ersten Turnierspiel ist Joachim Löw so entspant wie noch nie. Über die Aufstellung spekuliert er laut herum. Nur bei einer Personalie hat er sich jetzt schon festgelegt.

Von Philipp Selldorf, Lille

"Das Feuer ist angezündet", hat Benedikt Höwedes am Tag vor der Abreise nach Lille am Stützpunkt des DFB in Évian verkündet, um damit anzuzeigen, dass die deutsche Mannschaft vor ihrem Eröffnungsspiel gegen die Ukraine auf maximale Betriebstemperatur geschaltet habe. Sah man aber am Samstagabend um viertel vor sechs den Bundestrainer durch eine Seitentür in den Pressesaal des Stadions Pierre Mauroy spazieren, konnten einen leise Zweifel an Höwedes' Versprechen beschleichen.

Joachim Löw machte nicht den Eindruck eines Mannes, der an der Last der nationalen Verantwortung und am Druck der hohen Erwartungen seiner Landsleute zu tragen hat. Braungebrannt, kurzärmlig und wohlfrisiert machte er den Eindruck eines Mannes, der über den Zeitpunkt hinaus ist, dass ihn das Startspiel in eine Europameisterschaft aus der Ruhe bringen kann. "Bei mir überwiegt die Freude", erklärte er, angesprochen auf seinen aktuellen Gemütszustand, "ich freue mich stündlich ein bisschen mehr darüber, dass es losgeht. Wir hatten drei Wochen Vorbereitungszeit, da ist man froh, wenn endlich der Startschuss fällt. Die Erwartungen sind hoch, aber damit können wir gut umgehen. Mit solchen Situationen sind wir vertraut."

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Am Tag, bevor für die des Trainierens überdrüssigen Deutschen der erlösende Anpfiff zur Euro erfolgt, wollten die Reporter von Löw das Übliche wissen. Wer wird Kapitän sein? Spielt Mario Götze oder Mario Gomez? Oder spielen Götze UND Gomez? Der Bundestrainer reagierte mit geschickten Manövern, um den ständigen Debatten über die wichtigsten Geschmacks- und Symbolfragen keine Wertungen zuzufügen.

Kapitäns-Kandidaten? "Neuer, Khedira, Hummels, Boateng, Kroos, auch Müller"

Wer Kapitän sein werde, das sei ihm relativ einerlei, hat er behauptet. Es gebe viele Spieler, auf deren Meinung er großen Wert lege, sagte Löw und zählte auf: "Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels, Jerome Boateng, Toni Kroos, einige andere auch, Thomas Müller ..." Welcher der vielen Kandidaten am Sonntag kurz vor 21 Uhr mit dem ukrainischen Kollegen den Wimpel tauschen darf, das wird die Mannschaft in der Sitzung am Spieltag erfahren, und dann wird sie auch erfahren, dass der Spielführer vom Sonntagabend ohnehin nur im Rang des Stellvertreters agiert, weil Bastian Schweinsteiger der Kapitän bleibt, wie er es in den vorigen beiden Jahren auch schon war. "Denn ich weiß, dass er beim Turnier zum Einsatz kommen wird", so Löw.

Was die Frage nach Götze oder/und Gomez betrifft, bemerkte der Coach, dass jede der drei Varianten denkbar sei. "Klare Frage, keine klare Antwort", erwiderte Löw, "ich habe mehrere Möglichkeiten." Auf die gleiche Weise vermied er auch die Fixierung auf ein Abwehrkonzept, in dem entweder drei oder vier Verteidiger die amtliche Hintermannschaft bilden. "Ob Dreier- oder Viererkette - das ändert sich ja auch im Laufe des Spiels. Man sollte sich da nicht so festlegen. Es ist überhaupt kein Problem für die Mannschaft, mit einer Dreierkette anzufangen und dann umzustellen", sagte er. Ein bisschen Geheimnistuerei ist auch dabei: "Man will ja nicht alles unbedingt dem Gegner verraten. Der hat uns ja in den letzten Monaten auch beobachtet und analysiert."

Sicher ist nur eines: Mesut Özil spielt

Einmal allerdings wurde Jogi Löw klar und deutlich. So klar und deutlich wie nie zuvor. Es ging um die Frage, ob Mesut Özil am Sonntagabend für die Ersatzbank vorgesehen sei, wie es die Reporter während des (nicht-öffentlichen) Trainings in Évian durch ein Guckloch beobachtet haben wollen. Selbstredend haben sie diese vermeintliche Neuigkeit sofort auf allen Medienkanälen kundgetan - damit aber offenkundig eine Falschmeldung verbreitet. Löw hob die Augenbrauen, als er mit dem Thema konfrontiert wurde. Özil? Auf der Ersatzbank? "Mesut ist in einer üüüüberragenden Verfassung", hob Löw an und startete zur Lobrede: "Er ist in einer ganz anderen Verfassung als 2014 und für uns extrem wichtig. Diese Technik, diese letzten Pässe sind einfach genial. Daher ist es selbstverständlich, dass Mesut spielt. Das ist keine Sekunde einer anderen Überlegung wert."

Wenig später verließ er dann mit freundlichen Abschiedsgrüßen die Talk-Runde im Stadion Pierre Mauroy, wo es am Sonntagabend um Neun endlich losgeht - und wo es dann ganz konkrete Antworten auf die ganz konkreten Fragen gibt.

© SZ vom 12.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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