Island bei Fußball-EM:Der sagenhafte Sigþórsson - und was sein Name bedeutet

Island bei Fußball-EM: #Läuftbeiunsson: Die Isländer sind gerade ins EM-Viertelfinale eingezogen.

#Läuftbeiunsson: Die Isländer sind gerade ins EM-Viertelfinale eingezogen.

(Foto: AP)

Islands Fußballer sind gerade in ganz Europa populär geworden. Über die Namen auf ihren EM-Trikots müssen sie sich wundern.

Von Nikolaus Piper

Die Isländer sind derzeit die beliebtesten Europäer, zumindest außerhalb Englands. Das hat mit ihren Fußballern zu tun, die es bei der EM den Brexit-Kickern mal so richtig gezeigt haben, aber auch mit ihren Namen. #Läuftbeiunsson ist als Begriff auf Twitter überaus populär, seitdem Sigurðsson nach einem Einwurf von Gunnarsson das 1:1 erzielte und Sigþórsson zum 2:1 nachlegte. Siegtorschütze Sigthórsson (so steht es für uns Mitteleuropäer lesbar auf dem Trikot), es klingt fast wie ein Kalauer. Aber stimmen die Namen wirklich?

Nicht ganz, denn hier werden die Namen isländischer Spieler benutzt wie Müller, Boateng oder Schweinsteiger, also als Familiennamen. Es sind aber Vatersnamen. Ragnar Sigurðsson ist also der Sohn des Sigurður, Aron Gunnarsson der Sohn des Gunnar. Benutzt man die Vatersnamen so wie die Fernsehreporter, klingt das für isländische Ohren so: "Der Sohn des Sigurður hat ausgeglichen, der Sohn des Sigþór hat den Siegtreffer erzielt."

Isländisch ist, neben dem Färöischen, die einzige europäische Sprache, in der es fast keine Familiennamen gibt. Umso reicher ist die Zahl der Vornamen aus der altnordischen Sagenwelt. Für Ausländer wirkt das oft kurios. Ein Isländer stellt sich einem grundsätzlich mit Vornamen vor, auch in Situationen, in denen in Deutschland das distanzierte "Sie" zwingend wäre.

Wie unterscheidet man den einen Magnus vom anderen?

Wer etwa den isländischen Präsidenten Ólafur Ragnar Grimsson trifft, spricht ihn selbstverständlich mit Ólafur an. Das Telefonbuch von Reykjavik ist strikt nach Vornamen geordnet. Es gibt spaltenweise Jóns, Ragnars und Guðrúns. Erst danach kommt der Vatersname mit der Endung -son bei Männern und -dóttir bei Frauen. Zur Unterscheidung werden außerdem oft der Beruf oder ein zweiter Vorname hinzugefügt.

Auch für Isländer stellt sich häufig die Frage, wie man den einen Magnus vom anderen und die eine Guðrún von der anderen unterscheidet. Die Lösung sind Beinamen, die in Island verbreitet sind. Beispiel: In einer Gruppe von Freunden gibt es zwei Davids. Dann heißt der eine Dabbi Litli (Kleiner David, weil er klein ist), der andere Dabbi Danski (Dänischer David, weil er lange in Dänemark lebte).

Und weil man aus dem Namen eines Isländers direkt nicht die Familie ablesen kann, ist die Herkunft ein beliebtes Gesprächsthema. Laufey Guðnadóttir, Lektorin für Isländisch am Nordischen Institut der Humboldt-Universität Berlin, berichtet: "Wenn sich zwei Isländer begegnen, die sich nicht kennen, fragen sie meist sehr schnell: Wen kennst du und mit wem bist du verwandt? Und meist finden sich sehr schnell irgendwelche Verbindungen."

Island ist eine Insel mit etwas mehr als 330 000 Einwohnern, das macht den Verzicht auf Familiennamen praktikabel. Schwierig wird es, wenn Isländer mit dem Rest der Welt in Kontakt treten. Um die Kommunikation mit Ausländern zu erleichtern, legten sich früher etliche Isländer echte Familiennamen zu. Bekanntes Beispiel ist der Schriftsteller und Nobelpreisträger Halldór Guðjónsson, der sich Halldór Laxness nannte. Heute ist die Praxis verboten. Die Sängerin Björk Guðmundsdóttir verwendet ihren Vornamen so, als sei er ihr Familienname. Und was ist mit den isländischen EM-Trikots? Dort stehen, die Uefa verlangt es, nur die Vatersnamen der Spieler. "Für uns ist das ziemlich merkwürdig", sagt Laufey.

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