Ingolstadts 0:0 gegen Wolfsburg:Die aufmüpfige Tochter

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Wieder erfolgreich dirigiert: Ralph Hasenhüttl holt mit Ingolstadt überraschend einen Punkt gegen Wolfsburg. (Foto: Micha Will/Getty Images)
  • Das Remis zwischen dem teuren VW-Team und der eher kleinen Audi-Filiale wird dem Konzern nicht gefallen.
  • Ingolstadt aber freut sich, gegen einen großen Gegner zu punkten.

Von Markus Schäflein, Ingolstadt

"Ihr seid nur ein Tochterunternehmen!", sangen die Wolfsburger Fans im Gästeblock. Tja: Ingolstadt gegen Wolfsburg ist eben, ob es dem FCI nun recht ist oder nicht, natürlich auch Audi gegen VW. Und mithin ein konzerninternes Duell: Die VW-Tochter Audi hält beim FCI rund 20 Prozent Anteile, ist Eigentümer des Stadions und im Aufsichtsrat vertreten. Der VfL gehört dem Automobilkonzern zu 100 Prozent, aus Gründen des Bestandsschutzes ist er von der 50+1-Regel ausgenommen.

Dass zwei Vereine, bei denen derselbe Konzern maßgeblich involviert ist, in einer Liga spielen, sorgt selbstredend für Diskussionen in der Fußball-Bundesliga. "Es gibt überhaupt keine Verbindungen.", erklärte VfL-Manager Klaus Allofs daher angesichts des direkten Aufeinandertreffens vorsorglich der Welt. "Alle Interpretationen von Verschwörungstheorien beruhen auf Unwissenheit." Dass der Spielplan die beiden Klubs frühzeitig zueinander führte, sei reiner Zufall: "Wer da Verbindungen konstruieren will, ist weit weg von der Realität."

Und in der Tat kann das 0:0, da muss man nicht lange Theorien interpretieren, dem Konzern kaum gefallen. Er setzt ja auch weiterhin auf den VfL als großes Zugpferd, während die Unterstützung des FCI eher als ein kleines Geschenk an die Stadt Ingolstadt zur Steigerung der Standortattraktivität zu sehen ist. Dem Aufsteiger war das alles völlig egal, er genoss nach dem 0:4 im ersten Heimspiel gegen Dortmund den ersten Punktgewinn gegen eine Spitzenmannschaft.

"Das war ein gefühlter Sieg", erklärte Innenverteidiger Marvin Matip, "wir haben geil dagegen gehalten." Im Vergleich zum Auftritt gegen den BVB sei die Mannschaft "definitiv ein Stück weiter", fand er, "wir waren mutiger, hatten nicht ganz so viel Respekt vor dem Gegner." Die Tochter wird aufmüpfig, ein bisschen wenigstens. Und freut sich, die Großen ärgern zu können.

FCI-Trainer Ralph Hasenhüttl änderte seine Formation im Vergleich zum 1:0-Sieg beim FC Augsburg nicht - warum auch. Selbst auf die Torhüter-Rotation verzichtete er diesmal, es spielte Ramazan Özcan. Beim VfL Wolfsburg gab es hingegen im Vergleich zur vergangenen Partie gegen Schalke (3:0) vier Veränderungen in der Startelf: Im Tor stand erstmals in dieser Saison Diego Benaglio, der seine Rückenprobleme auskuriert hatte. Auch André Schürrle spielte, ebenfalls nach Rückenproblemen, von Beginn an. Zudem fanden sich die Zugänge Dante und Julian Draxler auf Anhieb in der Startelf.

"Wolfsburg hat uns mehr gelegen als Dortmund"

Mit der Vorstellung seiner neu formierten Mannschaft war Trainer Dieter Hecking allerdings recht unzufrieden. "In der ersten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt", sagte er, "das war dem hohen läuferischen Aufwand von Ingolstadt geschuldet, trotzdem haben wir zig Möglichkeiten gehabt, uns da rauszuspielen. Das haben wir nicht konsequent genug gemacht." Immer wieder ging es langsam, manchmal rückwärts, irgendwann kam der weite Schlag - die Taktik des frühen Pressens, die Hasenhüttl dem FCI verordnet hatte, ging auf wie im Lehrbuch beschrieben.

Ein Schuss von Bas Dost, am linken Pfosten vorbei (10.), ein Schüsschen von Draxler, am rechten Pfosten vorbei (36.), ein Kopfball von Mittelstürmer Dost über die Querlatte (42.) - mehr sprang für den VfL im ersten Durchgang nicht heraus. Die besseren Szenen hatte der FCI, etwa in der 20. Minute, als sich der herausragende Mathew Leckie auf der linken Seite durchsetzte und Rodriguez vor dem lauernden Hinterseer klärte (20.).

Kurz nach dem Seitenwechsel gab Roger noch einen Schuss aus dem Hinterhalt ab, den Benaglio parierte, dann fanden die Wolfsburger nach und nach besser ins Spiel. Luiz Gustavo scheiterte an FCI-Torwart Özcan (52.), ebenso wie Draxler (63.). Hasenhüttl reagierte mit Wechseln auf das veränderte Bild, er brachte Stefan Lex für Moritz Hartmann (62.) und Almog Cohen für Lukas Hinterseer (68.), stellte auf 4-2-2 um. "Wir wollten sie anders anlaufen, das hat super funktioniert. Da war wieder zehn Minuten lang Ruhe", stellte der Ingolstädter Trainer fest.

Und den Rest der Spielzeit überstand seine Mannschaft dann auch noch irgendwie: In der Nachspielzeit strich ein Schuss des eingewechselten Wolfsburgers Max Kruse am Tor vorbei, dann war es geschafft. "Wolfsburg hat uns ein Stück weit mehr gelegen als Dortmund, sie schalten nicht so schnell um", erklärte Hasenhüttl, "trotzdem musst du das erst mal so geregelt bekommen. Die kannst du nur im Kollektiv stoppen, und das haben wir gemacht - ich bin sehr stolz auf die Mannschaft, das war wirklich eine reife Leistung."

Bei Wolfsburg muss ein Reifeprozess hingegen erst noch bewerkstelligt werden. Mit den eigenen Ansprüchen hatte die Leistung in Ingolstadt nichts zu tun, Trainer Hecking war entsprechend angesäuert. Angesprochen auf die Vorstellung des von Rückenproblemen genesenen André Schürrle, den er nach einer guten Stunde ausgewechselt hatte, sagte Hecking: "Wenn wir das Tempo selbst verschleppen, kriegen wir die Qualität von André eben nicht auf den Platz gebracht." Er habe "hinten raus schon das Gefühl gehabt, dass wir das Spiel gewinnen wollen" - aber eben nur hinten raus. Und daher hatte Hecking Recht, wenn er meinte: "Ein Sieg wäre aber nicht ganz verdient gewesen." So viel Respekt vor dem Tochterunternehmen muss schon sein.

© SZ vom 13.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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