HSV will van der Vaart:Gegen das Vakuum

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Der HSV will Rafael van der Vaart zurück in die Bundesliga holen, doch ein gewiefter Finanzjongleur droht die Einigung zu verhindern. Für die Hamburger wäre der Transfer eine enorme Bereicherung, nur einer hätte keinen Vorteil: HSV-Sportchef Frank Arnesen. Es wird schon spekuliert, dass der Däne bald gehen muss.

Jörg Marwedel

Bei Tottenham Hotspur gilt Rafael van der Vaart, 29, als "luxury player". Nicht, weil er bereits hundertmal für das niederländische Nationalteam gespielt hat und vor seiner Zeit in London für den königlichen Klub Real Madrid. Sondern weil er Kollegen benötigt, die für ihn - der hängende Angriffsspitze mit allen Freiheiten - malochen müssen. Für den Hamburger SV dagegen wäre er aus einem anderen Grund ein luxuriöser Spieler.

Soll zurückkommen zum HSV: Rafael van der Vaart. (Foto: dpa)

Käme er zurück zu seinem einstigen Klub, für den er zwischen 2005 und 2008 in 74 Spielen 29 Tore erzielte, gilt er nach Meinung der meisten Fans als Garant gegen den Abstieg. Auch sein damaliger Trainer Thomas Doll fände die Heimholung "genial". Sein Transfer, glaubt Doll, würde "den ganzen Verein mitreißen". Dieser Meinung hat sich inzwischen auch HSV-Chef Carl Edgar Jarchow angeschlossen. Der sagte am Mittwoch: "Wenn sich die Chance ergibt, werden wir alles versuchen, sie zu ergreifen."

Es ist eine Menge los am Hamburger Volkspark nach dem missglückten Start des HSV in die Saison, die mit einem 2:4 beim Drittligisten Karlsruher SC im DFB-Pokal und einer 0:1-Heimniederlage gegen den 1. FC Nürnberg begann. Fast alle Experten waren sich einig: Mit der Mannschaft, die der HSV in den ersten beiden Spielen aufbot, würde er nach dem 50. Jahr erstmals die oberste Klasse verlassen müssen. Doch so weit ist es noch lange nicht.

Am Mittwochnachmittag trainierten erstmals zwei EM-Teilnehmer neben der Arena: der Tscheche Petr Jiracek, 26, den der frühere HSV-Trainer Felix Magath beim VfL Wolfsburg nicht mehr benötigt und der am Dienstag einen Kontrakt bis 2016 unterzeichnete. Zudem der Kroate Milan Badelj, 23, der noch am Dienstag sein Abschiedsspiel für den FC Zagreb beim 2:1 in Maribor in der Champions-League-Qualifikation gegeben hatte.

Beide haben je vier Millionen Euro gekostet, und es ist davon auszugehen, dass sie das Vakuum im Mittelfeld mit der Kampfkraft einer "Maschine" (so HSV-Kapitän Heiko Westermann über Jiracek) und dem technischem Geschick von Badelj schließen könnten. Sie sollen, so Trainer Thorsten Fink, schon am Samstag beim Lokalderby in Bremen ihre Fähigkeiten einbringen und die Lücken schließen, die auch dadurch entstanden sind, dass der Vertrag des (am Ende nicht mehr unumstrittenen) Mittelfeldabräumers David Jarolim, 33, zum Saisonende nicht verlängert wurde. Der Tscheche heuerte am Mittwoch beim französischen Erstligisten FC Evian Thonon Gaillard an.

Die Stunden bis Freitag, 18 Uhr - dem Termin, an dem die Transferliste geschlossen wird - werden für die HSV-Verantwortlichen aber wohl die aufregendsten dieser jungen Spielzeit. Sie müssen sich, nachdem Vizepräsident Joachim Hilke angeblich bereits Einigkeit über einen Dreijahres-Vertrag mit van der Vaarts Anwalt Robert Geerlings erzielt hatte, mit dem Verkaufsfachmann Daniel Levy auseinandersetzen.

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Transfer-Dramen.

Levy, der seit 2001 über Tottenham bestimmt, ist ein Mann, der in wenigen Minuten viel Geld verdienen kann. Als er 2010 van der Vaart von Real Madrid erwarb, wartete er bis zehn Minuten vor Ende der Transferfrist, dann hatte er die Ablösesumme von 14 auf zehn Millionen Euro gedrückt. Als er Dimitar Berbatow 2008 an Manchester United verkaufte, ging es genau anders herum.

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Er blieb so lange stur, bis United noch eine Million draufpackte. Vor allem weiß Levy, dass die Hamburger bei dem geplanten Geschäft einen Milliardär im Hintergrund haben. Klaus-Michael Kühne, der betuchte Investor und Fan, der "van der Vaart ins Herz geschlossen hat" (Jarchow), wird zwar eine Menge für den klammen HSV springen lassen, der diesen Wechsel ohne ihn nicht annähernd stemmen könnte.

Doch mehr als zwölf Millionen Euro werden Klub und Kühne nicht aufbringen und keineswegs jene 18 Millionen zahlen, die Levy zuletzt aufrief. Dazu, heißt es, würde sich Kühne am Gehalt des früheren HSV-Kapitäns beteiligen, der angeblich deutliche Abstriche beim Honorar machen würde, das in Tottenham mindestens 4,5 Millionen Euro betrug.

Ungünstig für Levys Verhandlungsposition ist diesmal, dass Coach André Villas-Boas den teuren Holländer nicht mehr haben will. Er hat in Moussa Dembélé (früher FC Fulham) und Gylfi Sigurdsson (früher Hoffenheim, zuletzt FC Reading) längst robustere Nachfolger geholt für den Profi aus den Niederlanden, der nicht zu den laufstärksten zählt.

Nur einer hätte bei einer der größten Rückholaktionen der Bundesliga-Historie keinen Vorteil: HSV-Sportchef Frank Arnesen, 55. Der ist nicht nur in den Medien, sondern auch in Aufsichtsrat und Vorstand wegen seiner Personalpolitik der vergangenen 14 Monate zunehmend in die Kritik geraten, zuletzt sogar bei der Klub-Ikone Uwe Seeler. Es wird schon spekuliert, dass der Däne bald gehen muss.

Mit dem Transfer von Jiracek hatte er wenig zu tun, weil der dem Klub von seinem Berater angeboten wurde. Und auch bei den Gesprächen im Falle von Rafael van der Vaart ist er außen vor. Es heißt, er verstehe sich nicht gut mit seinem früheren Chef Levy. Kann vorkommen, aber ein Sportchef, der deshalb einen der wichtigsten Transfers der Klubhistorie erschwert, sammelt keine neuen Pluspunkte.

© SZ vom 28.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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