HSV verpflichtet Rafael van der Vaart:Rückkehr unter finanziellen Schmerzen

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Sie sehnten sich nach ihm, jetzt bekommen sie ihn wieder: Rafael van der Vaart kehrt zum Hamburger SV zurück. Auch wenn der Transfer sportlich Sinn macht, bringt er zum Ausdruck, wie groß die Panik im Klub nach dem verpatzten Saisonstart war. Möglich wird der Kauf nur durch das Geld eines stadtbekannten Investors.

Carsten Eberts, Hamburg

Vielleicht darf Rafael van der Vaart bereits im Derby bei Werder Bremen mitmischen. HSV-Trainer Thorsten Fink wollte sich da nicht festlegen. "Ich weiß noch nicht, ob er spielt, aber er ist eine Option", sagte Fink am Freitag. Der HSV und Tottenham Hotspur haben sich tatsächlich geeinigt. Was in den vergangenen Tagen als Utopie schien, ist nun Realität: Rafael van der Vaart kehrt zurück zum HSV. Und die Bundesliga freut sich - nach dem Wechsel von Javier Martínez zum FC Bayern - über den nächsten Transfercoup.

Bereits am Mittag landete van der Vaart mit einem Privatflieger auf dem Hamburger Flughafen in Fuhlsbüttel, fuhr direkt weiter ins Universitätskrankenhaus Eppendorf, um dort den Medizincheck zu absolvieren. Gleichzeitig hatte der Hamburger Aufsichtsrat letzte Bedenken ausgeräumt. "Der Aufsichtsrat hat eine positive Entscheidung getroffen", sagte Alexander Otto, der Vorsitzende des Kontrollgremiums, "damit steht vonseiten des Aufsichtsrates dem Transfer nichts mehr im Wege."

Van der Vaart erhält beim HSV einen Vertrag bis 2015. Die Ablösesumme soll Schätzungen zufolge 13 Millionen Euro betragen, sie wird zu Teilen von einem Darlehen des Milliardärs Klaus-Michael Kühne gedeckt. "Es ist ein Traum für mich, in Hamburg zu sein", sagte van der Vaart am Abend bei seiner Vorstellung: "Ich hatte meine beste Zeit hier und habe auch den HSV vermisst."

Kehrtwende binnen weniger Tage

Noch vor wenigen Wochen hatte wenig bis nichts für eine Rückkehr des holländischen Mittelfeldmannes gesprochen. Somit bringt der Millionentransfer auch das Ausmaß der Panik zum Ausdruck, die beim HSV nach dem verpatzten Saisonstart herrschte. Im Keller seiner Arena stellte der Verein im Juli sein neues Jugendkonzept vor. Ein neuer HSV-Campus soll entstehen, da der Klub die nötigen zwölf Millionen Euro aber nicht aufbringen kann, wurden die Fans zu einer Anleihe gebeten. Der Bundesliga-Dino wolle seine künftige Arbeit nicht auf neuen Schulden aufbauen, hieß es.

Gleichzeitig erklärte HSV-Sportdirektor Frank Arnesen, dass in diesem Zug auch kein Geld für den Wunschspieler aus den Niederlanden da sei. Auch dem Vorstoß von Investor Kühne, der bereits damals Geld für den Transfer zuschießen wollte, wurde eine Absage erteilt. HSV-Boss Carl-Edgar Jarchow erklärte gar, der Klub wolle sich nicht von einem Investor diktieren lassen, was zu tun und zu lassen sei.

Ein blamables Pokalspiel (2:4 in Karlsruhe) und eine Heimpleite zum Bundesliga-Auftakt (0:1 gegen Nürnberg) später ist die Stimmung nun gekippt. Die HSV-Verantwortlichen haben wohl gemerkt, dass der Klassenerhalt mit dem bisherigen Kader kaum garantiert werden kann. Schon die Transfers des Kroaten Milan Badelj, 23, und des Tschechen Petr Jiracek, 26, kosteten jeweils etwa vier Millionen Euro. Ausgerechnet in der 50. Saison muss das einzige Liga-Gründungsmitglied, das niemals abstieg, in diesem Jahr um den Verbleib in der Bundesliga bangen.

Wechsel-Dramen in der Bundesliga
:Jedem Klub seinen Martínez

Perfide Millionen-Pläne, Protest-Profis und andere Wirrungen: Das Wechsel-Hickhack, das der FC Bayern um Javi Martínez erlebte, ist nicht das erste seiner Art. Schon früher gab es bei Transfers erhebliche Schwierigkeiten: vom sturen Demba Ba über Andy Köpkes Doppelvertrag bis zu einem verspäteten Fax.

Transfer-Dramen.

Nun soll also van der Vaart helfen. Zwischen 2005 und 2008 hatte sich der Holländer in die Herzen der Hamburger gespielt, absolvierte 74 Spiele, schoss dabei 29 Tore. Als van der Vaart den Verein dann in Richtung Madrid verließ, ging es für den HSV sportlich abwärts. Insbesondere in den vergangenen beiden Jahren wurden aber immer wieder Hoffnungen in den technisch begabten Linksfuß projiziert. Alles wäre besser, käme nur van der Vaart zurück, so der Tenor.

Unter großem Jubel zurück zum HSV: Rafael van der Vaart. (Foto: dapd)

Lange galt der Transfer als unsicher, weil Tottenham-Boss Daniel Levy auf eine höhere Ablösesumme spekulierte. Wie sich die 13 Millionen Euro, von denen Bild.de als Ablösesumme nun berichtet, im Endeffekt zusammensetzen, ist ungewiss. Sicher ist, dass Logistik-Milliardär und Investor Kühne einen Teil der Ablösesumme übernimmt - und sich wohl auch an van der Vaarts stattlichem Gehalt beteiligt. "Das Darlehen von Herrn Kühnen war absolut notwendig, damit wir unsere Liquidität behalten", erklärt Aufsichtsratschef Otto. Den Rest der Summe muss der HSV aufbringen. Der Klub geht damit an die Grenze seiner finanziellen Möglichkeiten.

Damit begibt sich der HSV auch wieder in Abhängigkeit eines Investors. Kühne erhält im Gegenzug einen Anspruch auf Erlösbeteiligung im Falle eines Transfers von des Niederländers innerhalb der Vertragslaufzeit.

Van der Vaart soll das HSV-Spiel ordnen

Sportlich macht die spektakuläre Rückholaktion allemal Sinn. In den ersten Spielen der Saison (und auch in den Testspielen) war deutlich zu sehen, dass es dem HSV an offensiver Kreativität mangelt. Wollte der Klub nicht länger von den ungelenk-langen Bällen von Kapitän Heiko Westermann abhängig sein, musste personell etwas geschehen. Mit dem jungen Badelj haben die Norddeutschen eher einen hoffnungsvollen Mann für die Zukunft geholt. Van der Vaart kann das HSV-Spiel sofort tatkräftig ordnen - so zumindest die Idee.

Innerhalb von wenigen Tagen hat der HSV damit unter erheblichem finanziellen Aufwand annähernd ein Drittel seiner ersten Elf ausgetauscht. Mit van der Vaart, Jiracek und Badelj sollten die Hamburger nun tatsächlich nichts mehr mit dem Abstieg zu tun bekommen. Das ganze für geschätzte 21 Millionen Euro - nicht schlecht für einen Klub, der eigentlich Finanzsorgen hat.

Verlierer der ganzen Aktion dürfte Sportdirektor Frank Arnesen sein. Seine Einkaufspolitik wurde in den vergangenen Monaten bereits häufig kritisiert. Mit dem Transfer von Jiracek hatte er wenig zu tun, weil der dem HSV von seinem Berater angeboten wurde, nachdem Jiracek in Wolfsburg keine Zukunft sah. Und auch bei der Rückholaktion von van der Vaart war der Däne außen vor. Die wichtigen Gespräche führte Vizepräsident Joachim Hilke - nicht Arnesen.

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