Holland in der EM-Qualifikation:Kapitän Robben muss liefern

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Es werden Tore gebraucht: Arjen Robben vor dem Spiel gegen Island (Foto: dpa)
  • Mit dem neuen Trainer Danny Blind und dem neuen Kapitän Arjen Robben versuchen die Niederländer das Aus in der EM-Quali abzuwenden.
  • An diesem Abend geht es gegen Island.

Von Ulrich Hartmann

Arjen Robben ist jetzt auch ganz offiziell ein "Anführer". Der 31-jährige Flügelstürmer vom FC Bayern München reißt mit seiner Beschleunigung von null auf hundert in gefühlten 4,8 Sekunden Kollegen und Fans zwar ohnehin leicht mit, dennoch war dem neuen niederländischen Nationaltrainer Danny Blind wichtig, dass der gesten-affine Robben jetzt auch die Kapitänsbinde trägt. "Aanvoerder" heißt das Amt im Niederländischen. Das passt besser zu der Rolle, die Robben innerhalb der stets orange gewandeten Mannschaft übernimmt.

"Arjen ist enthusiastisch", hat Blind zu Beginn dieser Woche gesagt und damit begründet, warum er lieber Robben statt wie bisher den eher introvertierten Robin van Persie als Kapitän will. An diesem Donnerstag (20.45 Uhr, RTL Nitro) spielen die Niederländer in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Amsterdam gegen Island. Island ist überraschend Tabellenführer der Gruppe A, die Niederlande sind bloß Dritter und sollten gewinnen, um ihre Chance auf die direkte EM-Qualifikation als mindestens Zweiter zu verbessern. "Es ist zehn vor zwölf", sagt Daley Blind, Abwehrspieler von Manchester United und Sohn des Nationaltrainers. Für seinen Vater Danny erscheint dieses erste Spiel als Chefcoach gleich als die ultimative Bewährungsprobe.

In Deutschland heißt die Phrase bekanntlich "fünf vor zwölf". Die niederländische Version lässt zwar erahnen, dass die Nachbarn im Westen die Dinge generell nicht ganz so dramatisch sehen und für die Bewältigung bedrohlicher Situationen fünf Minuten mehr Zeit einräumen, aber für die Qualifikation zu einem der großen Turniere gilt das kaum.

Als der Königlich-Niederländische Fußballbund KNVB vor einem Jahr den Altmeister Guus Hiddink, 68, zum Nachfolger von Louis van Gaal, 64, und zum neuen Bondscoach kürte, war mit dieser Personalie nicht nur die Hoffnung auf eine souveräne EM-Qualifikation verbunden, sondern mehr noch die Sehnsucht nach dem ersten EM-Titel seit 1988, als die Niederländer in Deutschland ihren bis heute einzigen Triumph feierten. Doch Hiddink fand keinen Zugriff auf die Mannschaft. Sie verlor 1:2 in Tschechien, gewann 3:1 gegen Kasachstan und unterlag 0:2 in Reykjavik gegen Island, woraufhin Hiddink entnervt ankündigte, für den Fall einer Niederlage im vierten Spiel gegen Lettland trete er sofort zurück.

Das Ultimatum war ziemlich schwach, weil die Niederländer seit Oktober 2000 (0:2 gegen Portugal) kein EM-Qualifikations-Heimspiel mehr verloren haben und weil sich Lettland beim 6:0-Kantersieg der Oranjes dann als devoter Gast erwies. Doch Hiddinks vorzeitiger Abschied war trotzdem eingeleitet.

Am Montag nun trat sein vormaliger Assistent Danny Blind, 54, erstmals als Bondscoach vor die Mannschaft. Wie immer traf sich das Team im romantisch-idyllischen Grand Hotel "Haus in den Dünen" im Küstenstädtchen Noordwijk. Aber so romantisch ist die Sache diesmal nicht, die Konsequenzen einer Niederlage gegen Island dürften allen bewusst sein. Zumal es am Sonntagabend in Konya gegen Gastgeber Türkei gleich weitergeht.

Auch dort sollten die Niederländer zwingend gewinnen, um sich für die letzten beiden Spiele im Oktober in Kasachstan und gegen den momentanen Gruppenzweiten Tschechien eine Chance zu bewahren. "Es ist eine entscheidende Woche für den niederländischen Fußball", sagt Wesley Sneijder, der für Galatasaray Istanbul spielt - und nun seine türkischen Fans enttäuschen will.

Als klare Favoriten wähnen sich die Niederländer allerdings schon länger nicht mehr. "Wir gehören momentan nicht zu den weltbesten Mannschaften", sagt Kapitän Robben, was bedeutet: "In den nächsten beiden Spielen muss jeder eine Topleistung zeigen."

Robben wird wie gewohnt den rechten Flügel bearbeiten, links ist Memphis Depay von Manchester United gesetzt, in der Mitte vermutlich der Schalker Klaas-Jan Huntelaar. Robin van Persie von Fenerbahce Istanbul, der noch zwei Länderspiele benötigt, um auf 100 Partien zu kommen und noch einen Treffer, um die 50 vollzumachen, steht auf der Kippe. Erstmals berufen hat Blind die jungen Amsterdamer Abwehrspieler Jairo Riedewald, 18, und Kenny Tete, 19.

Blind, der bereits seit 2012 als Assistenztrainer im Nationalteam tätig war und also unter Louis van Gaal auch schon bei der WM 2014 in Brasilien wirkte, treibt mitten in einer brenzligen Situation einen Umbruch voran, der bereits auf die WM 2018 in Russland zielt. In Depay, 21, Terence Kongolo (21, Feyenoord Rotterdam), Davy Klaassen (22, Ajax), Bruno Martins Indi (23, FC Porto), Quincy Promes (23, Spartak Moskau) und Stefan de Vrij (23, Lazio Rom) hat er sechs weitere junge Spieler im Kader, die zum Teil bereits Stammplätze haben. So soll Klaassen im voraussichtlichen 4-3-3 als zentraler Mittelfeldmann gegen Island sogar eine Schlüsselrolle spielen.

Blind besitzt diesbezüglich Rückendeckung vom Verband - und seinem Trainerteam. Die einstigen Nationalstürmer Ruud van Nistelrooy, 39, und Marco van Basten, 50, sind seine Assistenten. Van Basten war 1988 der herausragende Torjäger beim EM-Triumph der Niederlande in Deutschland. Er dürfte seinen jungen Nachfolgern anschaulich berichten können.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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