Krise bei Borussia Mönchengladbach:Im Sinne des verlorenen Tüftlers

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Guter Trick: Interimstrainer André Schubert (2.v.r.) lässt seine verunsicherten Fußballer ein bisschen Handball spielen. (Foto: Marius Becker/dpa)
  • Der neue Trainer André Schubert versucht bei Borussia Mönchengladbach die Dinge wieder zu ordnen.
  • Er will nicht alles anders machen als der zurückgetretene Lucien Favre - im Gegenteil.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am Trainingsplatz von Borussia Mönchengladbach hängt ein Warnschild: "Trainings- und Spielbetrieb - Betreten auf eigene Gefahr!" Das Schild hängt natürlich nicht erst dort, seit die Gladbacher Fußballer Probleme mit dem Torschuss haben, und der Zugang zum Trainingsplatz war am Dienstag auch nicht deshalb komplett untersagt, weil Zuschauer seit dem Rücktritt vom Trainer Lucien Favre in einer noch höheren Gefahr schwebten, von einem Ball der verunsicherten Spieler getroffen zu werden.

Es war vielmehr so, dass der - zumindest bis auf weiteres - neue Trainer André Schubert ungestört mit der Mannschaft arbeiten wollte. Anschließend musste man den 44-jährigen vormaligen Trainer der zweiten Mannschaft natürlich fragen, wie er binnen kürzester Zeit ausgerechnet die jahrelange Arbeit des Tüftlers Favre zu beeinflussen oder gar zu verbessern gedenkt. "Ja, wir können nicht alles neu machen", sagte Schubert, und "nein, ich werde der Mannschaft nicht meine Philosophie aufdrängen."

Schubert will einem Team, das lange Favre-Fußball indoktriniert bekam, einfach nur die Sinne schärfen. Er sieht seine Auffassung vom Fußball aber durchaus in Favres Tradition: "Was Lucien Favre gemacht hat, unterscheidet sich nicht so brutal von dem, was wir in der U23 machen - das ähnelt sich durchaus."

Wenn die Gladbacher als Tabellenletzter an diesem Mittwoch den FC Augsburg empfangen, dann sitzt Schubert erstmals als Verantwortlicher einer Erstliga-Mannschaft auf der Bank. Er hat einst den SC Paderborn und den FC St. Pauli betreut sowie zuletzt die deutsche U15-Nationalmannschaft und das viertklassige Regionalliga-Team der Borussia. Jetzt ist er für eine Champions-League-Mannschaft verantwortlich, die in einer echten Krise steckt.

Für den Jahrgangsbesten des Trainerlehrgangs 2004 ist das die größte Herausforderung seiner bisherigen Laufbahn, und er will sie bewältigen, indem er der Elf "ein aktiveres Defensiv-Verhalten, mehr Zug zum Tor und ein verbessertes Umschaltverhalten" beibringt: "Wir arbeiten mehr an der Art und Weise, wie wir spielen wollen, als an einem bestimmten System."

Der Sportchef Max Eberl hat unterdessen eine Liste aufgesetzt mit Trainern, die er sich für seine Borussia vorstellen könnte, und weil er das auf Nachfrage nicht ausdrücklich dementiert hat, könnten auf dieser Liste auch Trainer stehen, die derzeit woanders beschäftigt sind. Nach viereinhalb Jahren mit dem Perfektionisten Favre fühlt sich Eberl für die Nachfolgeregelung besonders herausgefordert, und weil ihm Qualität wichtiger ist als eine schnelle Lösung, schließt er nicht aus, dass die Entscheidung bis zur Winterpause dauert: "Das wird kein Schnellschuss, denn wir wollen eine strategische Lösung."

Dass Schubert sich mit guten Ergebnissen für eine längerfristige Chefrolle bewerben kann, weist Eberl zwar nicht zurück, aber er nennt den 44-Jährigen weiterhin "eine Lösung auf Zeit". Schubert hat sich damit arrangiert: "Ich sehe das hier nicht als Chance für mich, sondern als Herausforderung für die Mannschaft." Nach dem ersten Training hinter zugehängten Zäunen zog er Zuversicht aus der Erkenntnis, "dass in den Köpfen der Spieler zurzeit einiges passiert". Die Fans sind gespannt, ob man das im Spiel gegen Augsburg dann auch erkennt.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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